Erst unmittelbar, bevor sie den Bau erreichen, laden die Jäger ihre Gewehre mit Schrotpatronen. Foto: Schwarzwälder Bote

Natur: Achim Ruetz betreut acht künstliche Baue rund um Binsdorf / Rotpelzige Raubtiere haben keine natürlichen Feinde

Geislingen-Binsdorf. Ein Sonntagmorgen im Winter. In den Waldwiesen glänzt die Sonne auf reifbedeckten Halmen. Wortlos schreiten die Jäger über das überfrorene Gras, die ungeladenen Gewehre über der Schulter hängend, vorneweg zwei kleine, flinke Hunde an der Leine.

Das Ziel des Grüppchens sind acht künstlich angelegte Fuchsbaue auf Binsdorfer Gemarkung. Es ist Jagdzeit, und der Jagdpächter Achim Ruetz hofft, an diesem Morgen einen oder mehrere Rotpelze zu erlegen.

Ruetz hat für die Fuchsjagd an diesem Morgen die Hundeführer Sabine Beck und Marcel Laib aus Stuttgart eingeladen. Ihre Parson Russell Terrier Tyson und Whoopie sollen in die Baue eindringen, darin wohnende Füchse heraus- und die Raubtiere so ins Schussfeld der Jäger treiben.

Für den Laien sehen die Terrier nicht unbedingt wie Jagdhunde aus. Doch als ausgebildete Erd- oder Bauhunde sind sie bei der Fuchsjagd unverzichtbar: Mutig schnüffeln sie sich in dem nur 25 Zentimeter durchmessenden Rohr bis zu zehn Meter durch unterirdische Dunkelheit, geben Laut, wenn sie den Fuchs wittern, und greifen das wendige Raubtier an, um es ins Freie zu jagen.

Nun ist das in die Erde eingegrabene, graue Betonrohr zu sehen. Erst kurz bevor die Jäger dort ankommen, laden sie ihre Gewehre. Die Patronen im Kaliber 12/70 sind mit 34 Gramm Schrotkugeln von 2,7 bis 3,5 Millimetern Durchmesser gefüllt. Bei einem Treffer sterben die Füchse durch den Nervenschock der Schrotladung innerhalb von Augenblicken.

Wortlos, nur mit Handzeichen signalisiert Ruetz den Hundeführern, dass sie eines ihrer Tiere losschicken können. Doch Terrier Tyson hat überhaupt kein Interesse an dem Bau. Marcel Laib nimmt ihn wieder an die Leine. Auch Tysons Mutter Whoopie schnüffelt nur kurz an der Eingangsöffnung.

Jetzt sprechen die Waidleute wieder: Der Fuchsrüde ist offenbar nicht mehr in seiner "Kessel" genannten Schlafhöhle am Ende des Baus. Sonst wären die Terrier wie der Blitz unter der Erde verschwunden. Das Jaulen und Bellen, wenn die Tiere einen Fuchs entdecken, wäre für die Hundezüchterin und Jägerin Sabine Beck eindeutig.

Vor allem, während die Füchse ihren Winterpelz tragen, in der "Ranz" genannten Paarungszeit und bevor die Fähen trächtig sind, werden sie gejagt. Das Fell erlegter Tiere wird von den Jägern selbst gegerbt oder der ganze Körper zur Verarbeitung an die Fellwechsel GmbH des Landesjagdverbands in Rastatt geschickt.

Gejagt werden Füchse aber nicht allein wegen ihres Fells. Wenn in einem Gebiet zu viele dieser Raubtiere vorkommen, dezimieren sie das sogenannte Niederwild. Kleingetier und Hasen, aber auch Bodenbrüter wie die seltenen Braunkehlchen gehören zu ihrer Beute. Da Füchse außer den seltenen Luchsen, Wölfen und Uhus keine natürlichen Feinde haben, muss ihr Bestand reguliert werden – durch die Jagd.

Wichtig ist das auch für private Tierhalter: Die Fuchskrankheiten Räude und Staupe können auf Haushunde übergreifen. Zum Beispiel wenn diese frei im Wald herumlaufen oder einen verlassenen Fuchsbau durchstöbern. Ein qualvoller Tod kann die Folge sein – und infizierte Füchse sollten rasch geschossen werden.

Das Binsdorfer Revier ist in jüngerer Zeit von Krankheiten verschont geblieben: Zuletzt wurde ein Fuchs mit Staupe bei Brittheim erlegt.

In den nächsten Fuchsbau läuft Whoopie eilig hinein. Einen Meter tief unter dem Erdboden kann man bald ihr Kläffen hören. Doch ihre Besitzerin schüttelt sofort wissend den Kopf: Fehlanzeige.

Gleich darauf kommt die Terrierdame wieder aus dem Loch gesprungen. Das sei klar gewesen, sagt Beck. Whoopies Bellen habe Enttäuschung ausgedrückt und gezeigt, dass der Fuchs vor kurzem noch da gewesen ist: "Wir haben ihn vielleicht um eine Viertelstunde verpasst."

Ruetz beschreibt das Gefühl, wenn klar wird, dass ein Rotpelz im Bau ist: "Wenn der Hund anschlägt, geht der Puls hoch." Dann heißt es, das Gewehr schussbereit zu halten, und sich zu konzentrieren: "Das ist wie ein kleiner Schreck, wenn der Hund bellt und man weiß: In ein paar Sekunden ist es soweit." Doch soweit kommt es auch nach dem nächsten Ortswechsel nicht: Ein weiterer Bau, am Waldrand unweit des Sportheims im Gewann Reutewasen, ist so verdreckt oder vielleicht mit Wurzeln zugewachsen, dass der Erdhund nicht hindurchpasst und rückwärts aus der Röhre gekrochen kommt. Hunde und Jäger haben wieder kein Glück.

Ruetz ist 38 Jahre alt und im Hauptberuf Jurist. In seiner Familie ist er bereits die vierte Generation, die jagt. Die künstlichen Baue rund um Binsdorf hat einst sein Vater Bernhard angelegt.

Wenn der menschliche Geruch darin nach einer gewissen Zeit verflogen ist, nehmen die Füchse die unterirdisch in Ypsilon-Form verlegten Rohre und den runden Kessel an deren Ende als Wohnstätte an. Durch ihre Bauweise haben sie nur einen einzigen Fluchtweg, wenn Jagdhunde sie darin aufspüren – direkt vor die Mündungen der Jagdgewehre.

Doch an diesem Tag finden Tyson und Whoopie keinen Fuchs. Nicht am nächsten Bau und auch an keinem der folgenden fällt ein Schuss. Gewehre und Patronen verstauen die Jäger wieder sicher und vorschriftsmäßig.

Die Füchse sind offensichtlich ausgeschwärmt, verstecken sich vielleicht im Unterholz des nahen Waldes. Doch das hatte Ruetz bereits geahnt: In der "Ranz" verließen die Rüden ihren Bau, sobald es draußen nicht mehr zu feucht ist, um eine Partnerin zu suchen, sagt er.

Der stellvertretende Leiter des Hegerings Geislingen ist an diesem Sonntag ein wenig enttäuscht: Natürlich gehe es beim Jagen nicht nur ums Schießen, betont er auf dem Rückweg. Aber ganz ohne Beute heimzukehren, das sei auch nicht das Wahre.

Die Binsdorfer Füchse bleiben zumindest an diesem Vormittag unbehelligt. Achim Ruetz wird bei anderer Gelegenheit Sabine Beck und ihre Parson Russell Terrier wieder zur Jagd einladen. Doch vom 1. März bis 31. Juli ist erst mal Schonzeit für die Füchse.