Zu dem Zeitpunkt, zu dem dieses Foto von Frida Straub und ihrer Tochter gemacht wurde, kämpfte Anneroses Vater bereits in dem Krieg, aus dem er nicht mehr zurückkehren sollte. Foto: Stadtarchiv Foto: Schwarzwälder Bote

"Weiberschlacht": Im Bildungszentrum "Haus auf der Alb" wird ein Raum nach der Geislinger Witwe benannt werden

Erst seit 2011 ist der Name Frida Straub ortsgeschichtlich interessierten Geislingern ein Begriff. Im kommenden Jahr soll die bereits 1986 Gestorbene auch überregional bekannt werden.

Geislingen. Die Landeszentrale für politische Bildung betreibt das Bildungszentrum "Haus auf der Alb" bei Bad Urach. Dieses hat zehn Tagungsräume und 55 Gästezimmer und wird bis Oktober 2021 renoviert. Jeder Raum soll danach einen Namenspaten bekommen – und einer davon den Namen der Geislingerin Frida Straub (1914 bis 1986) tragen.

"Darauf bin ich stolz", sagt Annerose Gulde, ihre Tochter, die heute in der Lindenstraße wohnt. 80 Jahre nach den Geschehnissen, die Straub zu einem Absatz in der Geislinger Ortsgeschichte werden ließen, erhält diese eine späte Ehrung.

Annerose Straub wurde am 29. Februar 1940 geboren. Nur einmal, als sie acht Wochen alt war, hat ihr Vater Wilhelm sie gesehen, dann musste er wieder in den Krieg. Am 12. September 1941 fiel er an der Ostfront. Seine Witwe musste von da an allein für die gemeinsame Tochter sorgen und war in Heimarbeit als Näherin tätig.

Nur wenige Wochen später kam es in Geislingen zu der sogenannten "Weiberschlacht": Bis zu 200 einheimsche Frauen protestierten gegen die Übernahme des katholischen Kindergartens durch die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV).

Diesen "Aufstand" schlugen Gestapo, Landjäger und Polizei am 2. Dezember 1941 buchstäblich nieder. Geislinger Frauen wurden verletzt und inhaftiert, Frida Straub getreten.

Über die brutale Gewalt gegen sie und ihre Mitbürgerinnen sowie die Gleichschaltung des bis dahin katholischen Kindergartens war Straub so empört, dass sie am 6. Januar 1942 einen Brief an den damaligen württembergischen Ministerpräsidenten Christian Mergenthaler schrieb (den sie als Innenminister titulierte): "Die Beamten (...) haben die Geislinger Frauen in der schändlichsten Weise behandelt", schilderte sie. Die im Kampf stehenden Männer aus der Stadt würden darüber "wahrscheinlich nicht erbaut sein", schrieb Straub weiter und forderte abschließend im Namen "aller Frauen, in Geislingen, deren Männer im Felde stehen und zum Teil schon ihr Leben oder ihre Gesundheit geopfert haben", den Kindergarten unter Leitung der katholischen Schwestern wieder zu öffnen.

Sie tat dies ungeachtet möglicher Konsequenzen, die wegen dieser Beschwerde und des unterschwellig "wehrkraftzersetzenden" Hinweises auf die Moral der Soldaten hätten drohen können. "Da muss man sich echt wundern", staunt Annerose Gulde noch heute über Mut und Wut ihrer Mutter. Mergenthaler war als kirchenfeindlich bekannt – trotzdem schrieb Straub den NSDAP-Politiker direkt an.

Der Originalbrief liegt im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart. Dort hat ihn Geislingens Stadtarchivar Alfons Koch bei seinen Recherchen zur "Weiberschlacht" gefunden.

Folgen hatte dieser anscheinend weder im Positiven noch im Negativen: Weder wurde die Witwe Straub drangsaliert, noch der katholische Kindergarten wieder geöffnet. Dieser blieb bis zum Kriegsende unter NSV-Leitung und wurde von den allermeisten Geislinger Familien boykottiert.

In den "brauen Kindergarten" hat auch Frida Straub ihre Tochter nie geschickt. Dafür erzog sie diese umso strenger: "Bei dir wird nie jemand sagen ›da fehlt der Vater‹", unterstrich die Alleinerziehende gegenüber der Halbwaisin. Geheiratet hat Frida Straub nie wieder.

Von ihrem Brief wussten vermutlich nur ihre engsten Freundinnen etwas: "Vermutlich hat sie das nicht publik gemacht, eventuell auch, um andere zu schützen", schätzt Stadtarchivar Koch.

Ihrer Tochter Annerose aber hat Straub oft von den Hintergründen der "Weiberschlacht" erzählt. Umso mehr freut sich die heute 80-Jährige über die bevorstehende Ehrung. Sie und Alfons Koch wollen den Frida-Straub-Raum gemeinsam besuchen, sobald dieser eingeweiht ist.

Eine Arbeitsgruppe hat Straub als eine der 65 Namenspatinnen ausgewählt, berichtet der Geschichtswissenschaftler Reinhold Weber, Leiter der Abteilung "Haus auf der Alb" in der Landeszentrale für politische Bildung, dem Schwarzwälder Boten. Sie reihe sich damit in eine große Bandbreite bekannter und weniger bekannter Persönlichkeiten der baden-württembergischen Landesgeschichte ein.

Erst im kommenden Jahr werde aber festgelegt, welcher Raum genau den Namen der Geislingerin tragen soll. Ein Foto, das Frida mit ihrer Tochter auf dem Arm zeigt, wird dann neben der Türe angebracht. Ein Text der Bisinger Historikerin Ines Mayer wird die Besucher des Tagungszentrums über Straub und ihre mutige Stellungnahme informieren.

Straubs Geschichte kenne noch nicht jeder, weiß Reinhold Weber. Er hofft, die mutige, junge Witwe aus Geislingen werde ein jüngeres Publikum ansprechen. Vergessen wird Frida Straub in jedem Fall nicht mehr werden.