Antikriegstag: Die Gewerkschaften im Kreis erinnern am 1. September an die "Geislinger Weiberschlacht"
Am 1. September begehen die Gewerkschaften den Antikriegstag – auch im Zollernalbkreis. In diesem Jahr findet die Gedenkveranstaltung in Geislingen statt, in Erinnerung an die "Weiberschlacht" von 1941.
Geislingen. Im Jahr 1903 wurde in der Brückenstraße 37 der Geislinger Kindergarten gegründet. Grund war die Zunahme der Textilindustrie im Ort, in der immer mehr Frauen zu arbeiten begannen. Betrieben wurde er vom Orden der Vinzentinerinnen von Untermarchtal, die für diese Arbeit extra als Kindergartenschwestern ausgebildet wurden. Von der traditionell katholischen Bevölkerung sehr geschätzt, verrichteten sie fortan über Jahrzehnte ihren Dienst.
Eine Zäsur erfolgte am 1. Dezember 1941: Für die Geislinger völlig überraschend, wurden die Vinzentinerinnen abgesetzt und stattdessen vier Schwestern der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) eingesetzt. Das Ziel war klar: Die Geislinger Kinder sollten künftig getreu der Nationalsozialistischen Ideologie erzogen werden.
Die Geislinger Frauen fanden das nicht gut. Noch am selben Morgen versammelten sich rund 50 Geislingerinnen an der Kinderschule und zogen von dort aus zum Rathaus, um Aufklärung zu erhalten, wurden jedoch vertröstet. Daraufhin fuhr ein Teil von ihnen mit dem Bus nach Balingen, um beim Landrat und beim Kreisleiter vorstellig zu werden.
Am nächsten Morgen stellten die Geislingerinnen ihren Bürgermeister erneut zur Rede. Dem wurde angesichts der protestierenden Frauen immer mulmiger, so dass er schließlich den Landrat anrief. Zwischen zehn und elf Uhr an jenem Morgen fuhren dann plötzlich Autos mit einem Überfallkommando des Landjägerkorps aus Balingen sowie Gestapoleuten aus Oberndorf vor. Sie trieben die Frauen auseinander, traten sie, schlugen ihnen ins Gesicht, dass sie bluteten. Auch Knüppel kamen dabei zum Einsatz. Der Landrat vermerkte später in seinem Bericht lapidar, dass "es naturgemäss nicht ganz ohne Gewalt abging".
In der Haft gab es Schläge
Mehrere Frauen wurden verhaftet und in Oberndorf eingesperrt. Drei von ihnen acht Tage lang. 17 weitere sollen nach Balingen gebracht worden sein. Dort wurde sie verhört und geschlagen. Unter den protestierenden Geislingerinnen waren auch solche, die keine Kindergartenkinder hatten, sich mit den Müttern jedoch solidarisierten.
Der Aufstand nützte jedoch nichts, die NSV-Schwestern blieben. Da wechselten die Geislingerinnen ihre Strategie: Sie boykottierten den Kindergarten. Besuchten zuvor 140 Jungen und Mädchen die Einrichtung, waren es Ende 1941 gerade einmal acht.
Obwohl die Familien unter Druck gesetzt wurden, Kinderbeihilfe und Vergünstigungen gestrichen wurden, ließen sie sich für den Rest des Kriegs nicht beirren: Die Zahl der Kinder stagnierte auf unterstem Niveau, die Hälfte der braunen Schwestern wurde abgezogen. Am 21. Mai 1945 wurde der NSV-Kindergarten offiziell aufgelöst. Die Ereignisse gingen als die "Geislinger Weiberschlacht" in die Geschichte ein.
An diese mutigen Frauen möchten die Gewerkschaften im Zollernalbkreis nun am Antikriegstag erinnern. Er wird jährlich anlässlich des Jahrestags des Beginns des Zweiten Weltkriegs begangen. In einem Pressegespräch stellten Gewerkschaftsvertreter die Idee und das Programm vor.
Als einen "Leuchtturm für den Widerstand im Zollernalbkreis", bezeichnete der Vorsitzende der Verdi-Senioren Zollernalb, Salvatore Bertolino, die Geschehnisse. "Mein Wunsch ist, dass die Geislinger mutig bleiben", sagte Pater Augusty Kollamkunnel. Antikriegstag im Zollernalbkreis: Sonntag, 1. S eptember, Geislingen – 9.15 Uhr Friedensgottesdienst in der St. Ulrichkirche; 10.30 Uhr Gedenkveranstaltung im Foyer der Schlossparkhalle, unter anderem mit einem Vortrag von Hubert Gulde. Musikalische Umrahmung: Juandalynn Abernathy, Sopran, und Giuseppe Pisciotta, Piano.