Am 14. September haben junge Binsdorfer den Meisterbaum aufgestellt. Doch die Platzierung in einem Abflussschacht an einer öffentlichen Straße ist aus Behördensicht unzulässig. Foto: Schweizer

Geislinger Ordnungsamt fordert Entfernung von öffentlicher Fläche. Binsdorfer äußern Unverständnis.

Geislingen-Binsdorf - Vor dem Haus der Familie Schweizer steht ein Meisterbaum, den Kameraden für Fabian aufgestellt haben, den jüngsten Sohn. Die geschmückte Fichte muss weg, sagt nun das Geislinger Ordnungsamt.

"Ich fordere Sie auf, den Meisterbaum sofort zu entfernen", steht in einem Einschreiben. Adressiert ist dieses an Guido Schweizer, Fabians Vater und Eigentümer des Grundstücks. Die Frist lautete bis vergangenen Dienstag

Die Begründung dieser Anordnung ist stichworthaft dem Betreff zu entnehmen: Die geschmückte Fichte, mit der Freunde aus dem Ort dem 26-Jährigen zu seinem Abschluss als Metall-Industriemeister gratulierten, steht auf einer öffentlichen Fläche. Der entrindete Stamm wurde in einen Einlaufschacht (Gully) am Bordstein gesetzt und verkeilt. An dieser Stelle mündet ein Feldweg in die Turmstraße.

Er ist einer von derzeit vier solcher Bäume in Binsdorf: Neben Schweizer haben auch Patrice Jäger, Florian Joos und Alexander Pfeffer den Meister gemacht. Gemeinsam mit fast 300 Gästen haben sie das am 14. September gefeiert. Jeder von ihnen hat an dem Tag einen Meisterbaum vor sein Wohnhaus bekommen – wie es Tradition ist.

Ein paar Tage später standen vor dem Exemplar in der Turmstraße zwei Warnbaken. Und am Dienstag flatterte den Schweizers das Behördenschreiben in den Briefkasten.

Dessen Adressat Guido Schweizer sagt, er sei verwundert: "Eigentlich geht’s mich gar nichts an. Ich hab den Baum ja nicht aufgestellt." Wenn er spitzfindig wäre, könne er das Einschreiben der Verwaltung als Arbeitsauftrag verstehen. Das Entfernen der Fichte würde er dann der Stadt in Rechnung stellen.

Das werde er aber nicht machen, genauso wenig den Baum entfernen: Das wäre aus seiner Sicht "gegen Logik, Anstand und alten Brauch".

"Der Baum bleibt", sagt der 55-jährige Binsdorfer deshalb. Mindestens so lange wie die anderen drei auch. Als er vor 29 Jahren den Maschinenbaumechanikermeister machte, sei sein Baum mehrere Monate lang stehen geblieben.

Den Schweizers ist zudem unklar, weshalb nur Fabians Meistergruß weg soll. Das sei nicht der einzige, der auf öffentlichem Grund und in einem Gully stehe. Aber an dem anderen fahre man wohl nicht zufällig mal vorbei. "Wenn man einen angeht, geht man alle an. Das ist ein Sabotageakt gegen die Kameradschaft", findet Guido Schweizer.

Die vier Jungmeister und viele ihrer Freunde äußern Unverständnis: "Das ist Humbug, das ist Stuss", waren sie sich einig, als die Nachricht in ihrer WhatsApp-Gruppe die Runde machte.

Fabian Schweizer erreichte die Information von seinem Vater in der Frühschicht. Er sei erst mal bedrückt dagesessen und habe gedacht: "Na toll. Jetzt darf ich den Baum wegmachen." In der Gruppe sind auch all jene, die beim Vorbereiten der Meisterbäume geholfen haben: Aussuchen, Fällen, Entrinden, Schmücken und Aufrichten – fast 20 Leute haben sich diesen Aufwand gemacht. "Das können wir uns nicht gefallen lassen, dass jemand die Bäume umsägt", schrieb einer der Binsdorfer.

Aus Sicht der Stadtverwaltung und des Ordnungsamts ist die Lage allerdings eindeutig: Auf einem Privatgrundstück könnte ein Meisterbaum nach Belieben stehen bleiben, "gerne bis Weihnachten".

Nicht aber an der Einmündung in die Turmstraße. Der Einlaufschacht sei eine öffentliche Einrichtung, die zweckentfremdet werde. Deshalb und wegen ihrer Verpflichtung gegenüber der öffentlichen Sicherheit dürfe die Behörde nicht einfach "stillhalten", sondern müsse zwingend eingreifen.

Bitter für die Schweizers wie auch für den Freundeskreis: Die Eltern hatten bereits eine Stelle in ihrem Garten ausgewählt, wo man ein Loch zum Aufstellen hätte ausbaggern können. Hätten seine Kameraden gewusst, welchen Ärger der stattdessen gewählte Platz am Straßenrand nun verursacht, hätten diese den Baum einfach auf die Wiese gesetzt, sagt Fabian Schweizer. Er wünsche sich, dass dieser noch drei, vier Wochen vor Ort bleiben kann.

Doch die Familie hat laut Verwaltung inzwischen eine Fristverlängerung und Bekräftigung der Anordnung per Einschreiben erhalten: Bis Montag muss Schweizer den Meisterbaum selbst umlegen. Andernfalls erledige das kostenpflichtig der Bauhof oder ein beauftragtes Unternehmen: Der Kostenvoranschlag beläuft sich laut Stadtverwaltung auf rund 700 Euro, zuzüglich der Kosten, die bisher bei der Stadt angefallen sind.