Gut 3,20 Meter hoch ist der Binsdorfer Strohbär mit seiner aufwändigen Kopfbedeckung. Foto: Archivfotos: Andreas Schreijäg/Bettina Bitzer

Gruppe gibt es seit 30 Jahren. Bewahrt wird mindestens 170 Jahre alte Tradition.

Geislingen-Binsdorf -  Schon mindestens seit dem Jahr 1850 gehört die Figur des Strohbärs zur Binsdorfer Fasnet. In diesem Jahr ist wird er erstmals außerhalb seines Heimatorts unterwegs sein.

Auf Einladung der dortigen Narrenzunft nimmt die Alte Beisdorfer Fasnet am ersten Strohbärentag am Samstag, 2. Februar, in Wellendingen teil. "Es ist eine große Ehre, dass wir da eingeladen wurden", freut sich Hans-Peter Jäger darauf, einer der Köpfe der Gruppe. Dies zudem auf Empfehlung von Werner Baiker aus Empfingen, des "Strohbären-Gurus" der schwäbisch-alemannischen Fasnet, der das Binsdorfer Brauchtum gut kennt. Dieser hält in Wellendingen auch einen Vortrag.

Neben dem Binsdorfer Strohbären werden bei dem um 16.30 Uhr beginnenden Umzug die der Zünfte aus Bubsheim, Böttingen, Empfingen, Kiebingen, Singen und Wellendingen zu sehen sein. Wer einmal miterleben wollte, wie ein Strohbär entsteht, kann beim öffentlichen Binden ab 13.30 Uhr zuschauen.

"Das ist eigentlich ein Arme-Leute-Häs", erklärt Hans-Peter Jäger. "Denn Stroh hat man ja früher genug gehabt."

Da lag es nahe, dass die Binsdorfer – wie auch anderswo im Raum der Schwäbisch-Alemannischen Fasnet – mit diesem ohnehin vorhandenen Material eine solche Figur schufen. Pate stand dabei der mittelalterliche Volksglaube an den "Wilden Mann".

Andernorts ist dieser Fasnets-Brauch infolge des Bedeutungsverlusts der Landwirtschaft oft erloschen. Nicht so auf dem Kleinen Heuberg: Nach einer längeren Pause in den 1970er- und 1980er-Jahren läuft der Strohbär seit 1989 wieder jedes Jahr an der Spitze des Binsdorfer Umzugs – und auch nur dort: "Wenn einer den sehen will, soll er gen Beisdorf kommen", lädt Jäger ein.

Naturmaterial wird mit Sense geerntet

Das Naturmaterial für den Strohbär pflanzt übrigens seit zehn Jahren ein befreundeter Landwirt aus Weildorf an und erntet es mit der Sense. Denn moderne Erntemaschinen schneiden die Halme zu kurz, sodass sie für das Strohbärenhäs unbrauchbar werden. Deswegen haben die Beisdorfer früher altes, muffiges Stroh von Dachböden verwendet.

Gut anderthalb Stunden vor dem Umzug – in diesem Jahr am Sonntag, 24. Februar, ab 13.30 Uhr – beginnt das Einkleiden: Acht Männer binden mit kräftigen Hanfschnüren das langhalmige Weizenstroh um den Träger. Erst werden dessen Beine bis zur Hüfte eingebunden, dann der Körper bis unter die Achseln, schließlich die Arme.

Danach kommt ein Alu-Gestell auf die Schultern, das das Gewicht des 1,50 Meter hohen, spitzen Strohhuts verteilt. Hinzu kommen Ketten über die Schultern. So eingepackt stapft der Träger aus der Scheune zum Gasthaus Löwen, dem Startpunkt: "Wenn der Strohbär da ist, geht der Umzug los", sagt Jäger.

Rund 3,20 Meter misst der Strohbär, und der Mann darin muss 50 bis 60 Kilogramm Gewicht bewegen. Am Anfang, erzählt Jäger, könne man kaum laufen. Nicht so sehr wegen der Last, sondern vor allem weil das Stroh so straff gebunden ist. Erst wenn sich nach dem ersten halben Kilometer die Halme etwas lockern, könne man ein wenig die Knie beugen.

Etwa eine Stunde dauert der Marsch

Wer unter dem Strohbären steckt wechselt übrigens jedes Jahr: "Die meisten machen das nur einmal, weil es so anstrengend ist", berichtet Jäger, der seit einigen Jahren meist als "Treiber" den Strohbären an der Kette hält. Aber es sei ja auch eine Ehre, den Strohbären zu machen, findet er.

2019 wird diese Ehre Ludwig Englert zuteil. In Begleitung des Treibers mit Frack, Zylinder und Geißel, eines Akkeordonspielers (David Neher aus Rosenfeld) und einem "Täfelesbua" vorneweg, gibt er das Tempo des Umzugs vor. Hinter diesem Grüppchen laufen die Masken- und Hästräger der Alten Beisdorfer Fasnet und dann alle anderen Gruppen und Zünfte.

Etwa eine Stunde dauert der Marsch vom "Löwen" bis an den Ortsausgang Richtung Erlaheim. Dort werden die Hanfschnüre aufgeschnitten, das Stroh aufgeschüttet und bis auf den Hut verbrannt. Dazu singen die Beisdorfer noch einmal das "Strohbärenlied".

Nach mindestens 170 Jahren, die es ihn schon gibt, wird der Strohbär in diesem Jahr also erstmals auswärts zu sehen sein. Im Binsdorfer Häs wird in Wellendingen Andreas Beuter stecken.

Ausnahmsweise dürfen übrigens auch einmal Ehefrauen und Freundinnen mit der Alten Beisdorfer Fasnet im Bus zum Umzug nach Wellendingen fahren. Denn das Fasnetstreiben der Gruppe ist normalerweise eine reine Männersache.