In Handschellen wurde der 23-jährige Angeklagte in Begleitung seiner Verteidiger am Freitagmorgen in den Gerichtssaal geführt. Der junge Mann befindet sich in der JVA Offenburg in Haft. Foto: Armbruster

Ein 23-Jähriger steht seit Freitag vor dem Landgericht: Ihm wird vorgeworfen, eine junge Berlinerin unter Androhung von Gewalt ins Kinzigtal verschleppt, festgehalten und vergewaltigt zu haben. Es wird kein einfacher Prozess – Aussage steht gegen Aussage.

Am Anfang stand offenbar eine Urlaubsliebe: Der damals 22-Jährige und die 18-jährige Berlinerin lernten sich im Spätsommer 2023 auf Mallorca kennen. Aus der Bekanntschaft entwickelte sich eine Freundschaft, schließlich eine Beziehung.

 

So stellte die Staatsanwaltschaft beim Prozessauftakt am Freitag die Vorgeschichte der mutmaßlichen Geiselnahme dar. Ende des Jahres folgte der Kontaktabbruch, der jungen Berlinerin sei die Beziehung zu eng geworden.

„Der Angeklagte wollte die Trennung nicht hinnehmen“, so Staatsanwältin Christina Baumann. Bis Ende Januar habe der heute 23-Jährige dann den Plan gefasst, die junge Berlinerin in den Schwarzwald zu entführen. Er soll in Vorbereitung der Tat im Bad seiner Dachgeschosswohnung im Haus seiner Großmutter in Steinach „einen gefängnisartigen Raum“ eingerichtet haben, um sein mutmaßliches Opfer dort festzuhalten.

„Gefängnisartiger Raum“ in Wohnung vorbereitet

Anfang Februar habe er das mutmaßliche Opfer in ihrer frisch bezogenen Wohnung besucht. Vereinbart sei gewesen, dass er dort übernachten dürfe, so die Staatsanwältin. In den frühen Morgenstunde habe der Angeklagte die 18-Jährige schließlich geweckt und sie mit einer Schreckschusswaffe dazu gebracht, ihn zu begleiten. Die „schlaftrunkene Geschädigte“ habe die Waffe für echt gehalten und sich gefügt.

Mit der jungen Berlinerin sei der Angeklagte quer durch die Bundesrepublik nach Steinach gefahren. Dort sei es in den folgenden zwei Tagen mehrfach gegen den Willen der jungen Frau zum Sex gekommen. „Der Angeklagte nahm zumindest billigend in Kauf, dass sie sich nur wegen der von ihm aufgebauten Drohkulisse nicht zur Wehr setzte“, erläuterte Baumann.

Schließlich hatte die von Angehörigen alarmierte Polizei die Spur der jungen Berlinerin bis nach Steinach verfolgt. Beamte trafen den Angeklagten und sein mutmaßliches Opfer dort an – seither sitzt der 23-Jährige in U-Haft. Der Vorwurf der Anklage lautet auf Geiselnahme und mehrfache schwere Vergewaltigung.

Keine unmittelbaren Tatzeugen zum „Kerngeschehen“

„Es ist kein leichtes Verfahren“, konstatierte Richter Matthias Eckelt nach der Anklageverlesung. Es handele sich um eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation. „Zum Kerngeschehen gibt es keine unmittelbaren Tatzeugen, nur Indizienbeweise“, so der Vorsitzende. Drum seien zahlreiche Umfeldzeugen geladen, zudem würden sowohl der Angeklagte als auch das mutmaßliche Opfer viel Raum für ihre Aussagen erhalten. Insgesamt zwölf Verhandlungstage sind bislang angesetzt.

Auch zwei Sachverständige sind beteiligt: Zum einen eine Psychologin, die die Schuldfähigkeit des Angeklagten beurteilen soll. Zum anderen eine sogenannte Glaubhaftigkeitsgutachterin, die die Aussagen des mutmaßlichen Opfers bewerten wird.

Der Angeklagte äußerte sich zu seinem Lebenslauf – der sich größtenteils in der Region abgespielt hatte –, schwieg aber zunächst zum Tatvorwurf. Einer der Verteidiger des gelernten Landwirts, der Freiburger Rechtsanwalt Patrick Hinderer, machte deutlich, dass er einen Freispruch anstrebt: Der Angeklagte habe die Frau aus Berlin nicht entführt und auch nicht sexuell genötigt. Eine Schreckschusspistole habe er beim Berlin-Besuch im Februar auch nicht dabeigehabt.

Videoaufnahme soll Angeklagten entlasten

Zudem gebe es ein Video aus einem Ladengeschäft, das seinen Mandanten und das mutmaßliche Opfer im Tatzeitraum beim Einkauf in Offenburg zeige – händchenhaltend. Sie seien gemeinsam Essen gewesen, hätten in Steinach gar einen Fastnachtsumzug angeschaut. Das habe die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage nicht gewürdigt, so Hinderer.

Sein Mandant werde sich erst beim Verhandlungstermin am Montag, 5. August, zur Sache einlassen. Hinderer begründete das unter anderem damit, dass die Glaubwürdigkeitsgutachterin kurz vor Prozessbeginn ein 155 Seiten umfassendes Gutachten eingereicht habe, dem in weiten Teilen Aussagen des mutmaßlichen Opfers zugrunde liegen. Mit diesem habe sich sein Mandant noch nicht ausreichend befassen können. Nun gelte es zunächst, „prozessuale Waffengleichheit“ herzustellen.

Anhängige Verfahren

Sollte es zu einem Schuldspruch kommen, drohen dem 23-Jährigen zwischen fünf und 15 Jahre Haft. Beim Prozessauftakt war am Rande noch Thema, dass zwei weitere separate Verfahren wegen Vergewaltigung beziehungsweise sexueller Nötigung gegen den jungen Mann anhängig sind. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt allen Fällen die Unschuldsvermutung.