Albert Kunze (links) gab als Völkerkundler einen Blick auf die Jahrtausende Jahre alte Geschichte Syriens. Foto: Stopper

Mit Assad ist in Syrien ein blutrünstiges Regime gestürzt worden. In die Freude der Syrer im Refugio mischt sich aber längst Schmerz und Angst, wie am Montag deutlich wurde. Aber es gibt auch Hoffnung.

Informationen über die Lage in Syrien direkt von Betroffenen, das stand am Montag im Refugio auf dem Programm. Es kamen dann aber nur sechs davon. „Einige der Bewohner hier haben gestern erfahren, dass ihre Angehörigen tot sind, im Gefängnis gestorben“, erklärte Almut Petersen, die Leiterin des Hechinger Refugio, warum die jungen Männer lieber in ihren Zimmern blieben.

 

Beklemmende Momente, auch jener, als ein Nachrichtenfilm über die Zustände in einem Gefängnis gezeigt wurde. „Das ist das Gefängnis, in dem ich eingesperrt wurde“, schrieb dazu einer der Männer, der an diesem Abend anwesend war. Das ist dann doch etwas anderes, als solche Berichte nur in den Medien mitzubekommen.

Die Nachrichten sind aktuell voll von Schilderungen der unfassbaren Brutalität des nun gestürzten Assad-Regimes, aber auch von der großen Unsicherheit, wie es in Syrien nun weitergeht. Der Informationsabend im Refugio aber schaffte es dennoch, hier neue Aspekte zu vermitteln.

Blick auf Situation unfassbarer Brutalität

Das fing schon mit dem Bericht an, in dem der Völkerkundler Albert Kunze zum Einstieg einen sehr weiten historischen Bogen schlug. Das heutige Syrien war vor Tausenden von Jahren eine jener Regionen, in denen zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte Städte Schrift und Kultur entstanden, berichtete er. Syrien ist mehr als eine Stätte fortgesetzten Bürgerkriegs, machte er damit deutlich.

Und das heutige Syrien? Im Lauf jahrzehntelanger Bürgerkriege und brutaler Unterdrückung sind etwa 20 Millionen Einwohner dieses Landes geflüchtet. Die meisten übrigens nicht nach Nordeuropa sondern in angrenzende Länder, in denen oft auch große Armut herrscht und die mit dieser Situation weitaus mehr überlastet sind als Deutschland, machte Kunze deutlich.

Viele Verwandte der Geflüchteten sind gestorben

Können die nach Deutschland geflüchteten Syrer also bald in ihre Heimat zurückkehren? Ziemlich skeptisch sieht das die Gruppe Syrer, die als Geflüchtete im Refugio Zuflucht gefunden hat, das wurde in den Texten deutlich, die sie an diesem Abend vorlasen und die anschließend übersetzt wurden.

Demnach sind ganze Familienstrukturen zerstört, Eltern und Geschwister gestorben. Es fehlt damit ein wichtiger Anknüpfungspunkt, in Syrien überhaupt wieder Fuß fassen zu können. Dazu die wirtschaftliche Lage, die schon vor dem Assad-Sturz desaströs war. Er habe ein völlig zerstörtes Land verlassen, in dem nichts mehr funktioniert habe.

Angst vor neuen Kämpfen in Syrien

Wiederaufbau? Darauf habe man keine Hoffnung mehr. „In Syrien weiß man nicht wie man leben kann und wie man sterben wird“, zitierte einer ein häufiges Sprichwort in seinem Land.

Einhellig haben alle Syrer im Refugio große Angst, dass bald neue Kämpfe in ihrem Land aufflammen. Es gibt noch Gebiete, wo der IS herrscht, die Kurden-Frage ist ungelöst, die Türkei verfolgt eigene Interessen. Was wird außerdem mit den Christen und den Angehörigen anderer Minderheiten in einem Land, das nur wieder durch ein islamistisches System dominiert sein wird?

Syrier im Refugio: „Wir sind Brüder“

Ein tröstender Aspekt an diesem Montagabend im Refugio: Auch wenn unter den Syrern hier Kurden, Muslime und andere Gruppen eng zusammenleben, kommen sie friedlich miteinander aus. „Wir sind alle Brüder“, erklärte einer der syrischen Bewohner. Es wäre schön, wenn das künftig alle Syrer voneinander sagen könnten.