Neun Hundeangriffe gab es im vergangenen Jahr in Lahr. Ein sogenannter Listenhund war allerdings nicht beteiligt. Das Tierheim hält diese Klassifizierung für überholt – und fordert allgemeine Prüfungen.
Fletschende Zähne, aggressives Knurren und bereit zum Angriff auf Artgenossen und Menschen: So stellt man sich stereotypisch einen Listenhund vor. Zuletzt ist die Debatte über deren Haltung wieder hochgekocht. Entspricht das Vorurteil der Realität in Lahr? Dieser Frage ist unsere Redaktion nachgegangen und hat sich beim Tierheim Lahr sowie bei der Stadt erkundigt.
Was ist ein Listenhund?
Listenhunde, oft auch Kampfhunde genannt, sind Hunde, bei denen aufgrund rassespezifischer Merkmale von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren auszugehen ist. Per Definition sind das die Rassen American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Pit Bull Terrier, darüber hinaus gibt es Rassen, die erst bei einem Vorfall als Listenhund eingestuft werden.
Außerdem gibt es „gefährliche Hunde“, also normale Hunde, die durch aggressives Verhalten und Beißattacken als gefährlich gelten. Sowohl für Listenhunde als auch für „gefährliche Hunde“ gilt eine höhere Hundesteuer.
Was war der Auslöser der Debatte ?
Eine Entscheidung in der Schweiz hat für Diskussionen gesorgt: Nach zwei schweren Beißattacken von Rottweilern, die Kinder schwer verletzt haben, wurde die Rasse im Kanton Zürich verboten. Seit dem 1. Januar 2025 dürfen dort keine Rottweiler mehr neu angeschafft werden, auch die Zucht ist verboten. Rottweiler gelten vielerorts als Listenhunde.
Auch in Deutschland ist die Diskussion präsent: Bei Augsburg wurde ein 13-jähriges Mädchen vor etwa zwei Wochen von einem Dobermann gebissen und hat nur durch Glück leichte Verletzungen davongetragen. Der Dobermann gilt lediglich in Brandenburg als Listenhund.
Wie ist die Lage in Lahr?
„In Lahr leben 2043 Hunde, davon 33 Kampfhunde und vier gefährliche Hunde“, bilanziert Marion Haid von der Pressestelle der Stadt. Listenhunde machen demnach rund 1,6 Prozent der Hunde in Lahr aus.
Wie viele Vorfälle gab es im vergangenen Jahr?
2024 habe es neun Hundeattacken gegeben, ein Listenhund sei nicht beteiligt gewesen, äußert sich Haid auf Nachfrage.
Wenn die Attacken gar nicht von Listenhunden ausgehen, ergeben die Klassifizierungen dann noch Sinn?
Nein, sagt Katrin Exner-Grundwald, Mitarbeiterin im Lahrer Tierheim. „Allgemeine Prüfungen sollen die Rasselisten ersetzen, um zu beurteilen, ob ein Mensch über ausreichend Kenntnisse verfügt, einen Hund zu halten.“ Die Liste der häufigsten Beißvorfälle werde von Rassen wie dem deutschen Schäferhund oder Labrador angeführt, daher sei das Listensystem nicht zielführend und gerecht. Welche Rassen bei den Angriffen in Lahr beteiligt waren, ist nicht bekannt.
Welche Probleme haben Menschen mit der Haltung von Hunden?
Die Pubertät könne auch bei Hunden herausfordernd sein, erklärt Exner-Grunwald. Habe bis dahin wenig Erziehung stattgefunden, „können sich die Defizite bemerkbar machen“. Die Bedürfnisse und Ansprüche von Hunden würden oftmals unterschätzt, so dass irgendwann die Überforderung größer sei, als die Bereitschaft, mit dem Hund an einem guten, gemeinsamen Zusammenleben zu arbeiten. Dann landen die Hunde oft im Tierheim. „Es befinden sich vier Listenhunde in unserer Obhut“, so Exner-Grunwald.
Wie beliebt sind Listenhunde?
Gesellschaftliche Stigmen tragen ihrer Erfahrung nach dazu bei, dass Listenhunde nicht präferiert werden, sagt Exner-Grunwald. Außerdem kämen auf Halter wichtige Pflichten zu, die beachtet werden müssen, etwa Maulkorb- und Leinenpflicht im öffentlichen Raum – und eben die höhere Hundesteuer.
Wie sehen die Steuern aus?
Die reguläre Hundesteuer beträgt laut Satzung der Stadt Lahr 100 Euro pro Jahr. Für einen Listenhund wird mit 600 Euro das Sechsfache fällig. „Gefährliche Hunde“ werden mit 400 Euro besteuert. Die Besteuerung wird bei einem bestandenen Wesenstest nicht verändert und Listenhunde können nicht von der hohen Steuer befreit werden.