Beim „Marsch des Lebens“ gedenken die Teilnehmer der Opfer des Nationalsozialismus. Foto: Danner

Der „Marsch des Lebens“ zieht am Mittwoch, 24. Mai, wieder durch Oberndorf. Die Teilnehmer werden dabei an historisch bedeutsamen Orten Halt einlegen, die das dunkelste Kapitel der Stadtgeschichte offenbaren.

 
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Das Buch der Erinnerung, das Arbeitserziehungslager im Aistaiger Lautenbachtal, der Bahnhof, an dem tausende Zwangsarbeiter in Oberndorf ankamen: Bereits bei den vergangenen Gedenkmärschen wurden Orte aufgesucht, die den Schrecken des NS-Regimes offenbaren und die Schicksale der Opfer erzählen.

Einen dieser Orte findet man auf dem Lindenhof. Hier befand sich einst das Lager „Birke“, in dem polnische Zwangsarbeiter untergebracht waren – etwa 700 waren es im Mai 1944. Am Mittwoch startet hier der „Marsch des Lebens“.

Aussöhnung unter Nachkommen

Die Organisatoren wollen mit dem Gedenkmarsch nicht nur ein Zeichen gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben setzen. Es gehe darum aller Opfer des NS-Regimes zu gedenken und zu einer Aussöhnung unter den Nachkommen beizutragen, so der Schiltacher Jürgen Nähr vom Schwarzwald-Team der Initiative „Marsch des Lebens“. Die Initiative hat weltweit bereits Märsche in mehr als 20 Nationen und 400 Ortschaften organisiert.

Der Oberndorfer Gedenkmarsch zieht am Mittwoch vom Lindenhof in die Oberstadt. Ziel ist das Alte Rathaus. Direkt daneben betrieb die jüdische Familie Eppstein einst ein Schuhgeschäft. 1920 zogen die Eppsteins in die Bahnhofstraße. Die antisemitische Schikane des NS-Regimes fand in den Novemberpogromen 1938 ihren vorläufigen Höhepunkt, als das Geschäft und die Wohnung der Familie verwüstet wurden. Zwei Familienmitglieder flohen später nach Nordamerika. Die in Oberndorf verbliebenen Angehörigen wurden deportiert und in Konzentrationslagern ermordet. Eine Gedenktafel am ehemaligen Wohnhaus in der Bahnhofstraße erinnert an ihr Schicksal.

Sitz der Gestapo

Zuvor hält der Gedenkmarsch in der Kameralstraße an. Hier befand sich ein Sitz des Gestapo. Die Aufgabe der Geheimen Staatspolizei war es, Gegner des NS-Regimes einzuschüchtern und auszuschalten.

An jeder Station des Marschs werden jüdische Musikstücke gespielt, in Redebeiträgen wird die historische Bedeutung des jeweiligen Orts erläutert und die Geschichte der Opfer erzählt. Bei der Abschlusskundgebung wird auch Bürgermeister Hermann Acker eine Rede halten.

Die Organisatoren haben sich für den „Marsch des Lebens“ in die Geschichte Oberndorfs eingearbeitet. Neben einigen Besuchen im Archiv griff man dabei unter anderem auf Veröffentlichungen des Schramberger Stadtarchivars Carsten Kohlmann und des ehemaligen Oberndorfer Bürgermeisters Klaus Laufer zurück, erklärt Nähr. Beide haben bei der Aufarbeitung des NS-Vergangenheit Oberndorfs wichtige Arbeit geleistet, wofür man dankbar sei, so der Schiltacher.

Schweigen in den Familien

Das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte sei für viele Menschen immer noch ein empfindliches Thema – ein Thema, zu dem in vielen Familien geschwiegen werde. „Wir hoffen, dass wir bei den Teilnehmern auch einen Anreiz setzen können, die NS-Vergangenheit in der eigenen Familie aufzuarbeiten und das Schweigen aufzubrechen“, so Nähr.

Die Teilnehmer des „Marsch des Lebens“ versammeln sich um 17.45 Uhr am Lindenhofplatz. Um 18 Uhr beginnt der Marsch. Die Schlusskundgebung wird gegen 19.15 Uhr am Alten Rathaus sein.