Am Commerzbank-Gebäude wurde die Gedenktafel des jüdischen Arztes Carl Beer enthüllt. Ruth Dörschel (von links), Bürgermeisterin Stephanie Hentschel und Christa John freuen sich.
In den 30er-Jahren stand am selben Ort das Café Rebstock. Dort führte Carl Beer in der oberen Etage eine Praxis als Hausarzt und Lungenspezialist. Ab 1933 verfolgten die Nationalsozialisten den Arzt aufgrund seiner jüdischen Abstammung.
„1938 wurde ihm die Approbation aberkannt, und er wurde für einen Monat im KZ Dachau inhaftiert“, schilderte Bürgermeisterin Stephanie Hentschel den Lebensweg von Beer. Sie betonte, dass die Stadt die private Initiative der Freudenstädterinnen Christa John und Ruth Dörschel sowie von Pfarrer Ulrich Müller aus Baiersbronn unterstütze.
Dörschel schilderte den Lebensweg von Beer, der am 19. Februar 1885 in Liptò-Szent-Miklòs, im ungarischen Teil der kaiserlichen und königlichen (k. u. k.) Monarchie geboren wurde. 1989 zog seine Familie nach Berlin. Nach dem Abitur studierte er dort und in Freiburg Medizin. Im Südschwarzwald promovierte Beer 1910 und erhielt die Approbation. Im selben Jahr trat er aus der jüdischen Gemeinde aus und ließ sich in der evangelischen St. Nikolaikirche in Berlin taufen.
Praxis im Schutze der Dunkelheit aufgesucht
Bei einem dreimonatigen Aufenthalt in Freudenstadt lernte der an Lungenkatarrh erkrankte Beer seine Ehefrau Fanny Reichert kennen. Am 12. November 1918 gab er der Freudenstädter Kaufmannstochter das Jawort. Im Juni 1920 ließ sich Beer in Freudenstadt als Facharzt für Innere Medizin nieder.
Ab April 1933 verfügte eine Verordnung, dass jüdische Ärzte ihre Patienten nur noch auf Privatrezept behandeln durften. Mit dem Verlust der Approbation fielen nahezu alle Einnahmen weg. Dies hielt viele Freudenstädter jedoch nicht davon ab, im Schutze der Dunkelheit die Praxis von Beer aufzusuchen. In dieser Zeit wurde er von manchen mit Naturalien versorgt. Nach dem KZ in Dachau konnte Beer ab 1940 als „Krankenbehandler“ in Nürnberg für jüdische Patienten arbeiten. Mit seiner Frau überlebte er die Deportation der jüdischen Patienten und Luftangriffe auf Nürnberg. 1945 kehrte Beer nach Freudenstadt zurück, eröffnete wieder eine Arztpraxis und wurde 1946 in den Freudenstädter Gemeinderat gewählt. Neben seiner Praxis übernahm er die Betreuung des damaligen katholischen Krankenhauses St. Elisabeth für innere Krankheiten, besonders für Herz- und Lungenkrankheiten. Ab 1948 hatte er dort die ärztliche Leitung, bis St. Elisabeth wieder als Kurhaus geführt wurde. 1958 legte Beer seine kassenärztliche Tätigkeit nieder.
Ehefrau Fanny stand unerschrocken an seiner Seite
Christa John hatte den Arzt nach dem Krieg noch persönlich erlebt, teilte sie bei der Einweihung der Gedenktafel mit. Viel Kraft habe Ehefrau Fanny ihrem Mann verschafft, da sie stets unerschrocken an seiner Seite gestanden habe. Auch erinnerte sich John daran, dass Beer vielen Patienten helfen konnte, und diese teilweise kostenlos behandelt habe. Auch hätten sich damals etliche Freudenstädter mutig zum jüdischen Arzt bekannt.
Und so soll die Tafel nun an einem historischen Platz an den am 20. Juli 1969 in Freudenstadt verstorbenen Beer erinnern. Das ganze Wirken des jüdischen Arztes ist in den Freudenstädter Heimatblättern vom 7. Juli und 8. August 2022 aufgezeichnet worden. Herausgeber ist der Heimat- und Museumsverein für Stadt und Kreis Freudenstadt.