Sie freuen sich, dass der einstige Betsaal der jüdischen Gemeinde wieder genutzt wird (von links): OB Ralf Broß, Gisela Roming vom Verein der Ehemaligen Synagoge, Pfarrerin Esther Kuhn-Luz und Yosyp Svobodin sowie Rabbi Aaron Israel Bachkala von der israelitischen Kultusgemeinde. Foto: Siegmeier

Auf dem Fenstersims der ehemaligen Synagoge in der Kameralamtsgasse brennen Kerzen, bringen ein wenig Licht ins Dunkel dieses Dienstagabends und leuchten gegen das Vergessen. 

Rottweil - Gut 60 Leute – auch viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde – haben sich versammelt – im alljährlichen Gedenken an die Reichspogromnacht im Jahr 1938 – vor 83 Jahren.

Damals wurden in ganz Deutschland Synagogen zerstört und geschändet, Juden tätlich angegriffen, jüdische Einrichtungen zerstört sowie Geschäfte und Wohnhäuser von Juden geplündert. "Die gewalttätigen Ausschreitungen stellten einen traurigen Höhepunkt der systematischen Verfolgung und Entrechtung der Juden durch die Nationalsozialisten dar", sagte Oberbürgermeister Ralf Broß.

"Es ist wichtig, dass wir uns mit diesem Teil unserer Geschichte auseinandersetzen, dass wir in Gesprächen mit Zeitzeugen oder Nachfahren die damit verbundenen Schicksale kennenlernen. Es sei auch wichtig die Jugend mit der Geschichte vertraut zu machen, "damit derartige Ereignisse, Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung jüdischer und anderer religiöser Minderheiten endgültig der Vergangenheit angehören", forderte OB Broß auf.

Neue Nutzung "schönes Zeichen"

Auch Gisela Roming vom Verein ehemalige Synagoge ging auf die schrecklichen Ereignisse im Jahr 1938 ein, hob aber erfreut hervor, dass Teile der ehemaligen Synagoge, unter anderem der restaurierte Betsaal, seit Kurzem wieder für Veranstaltungen genutzt werden – vom Verein, aber auch von der Volkshochschule. Das sei ein schönes Zeichen. Der Raum wird also wieder mit Leben erfüllt.

Auch eine Mesusa wurde auf Anregung von Tatjana Malafy kürzlich am Gebetsraum angebracht. "Allerdings ist sie leer. Sie enthält keinen Pergamentstreifen mit Versen aus dem 5. Buch Mose", bedauerte Roming und erklärte, dass Mesusot an Häusern angebracht werden, in denen Juden wohnen, als mahnendes Zeichen an die Gegenwart und Gebote Gottes und die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk. "Die leere Mesusa ist der Auftrag, diese ehemalige Synagoge wieder mit Leben zu füllen und mit Erinnerungen an die früheren jüdischen Gemeinden in Rottweil, aber sie auch als Ort der Begegnung und der Bildung zu nutzen", so Roming. Im Anschluss sprach Yosyp Svobodin von der Israelitischen Kultusgemeinde das Kaddisch-Gebet, auch Rabbi Aaron Israel Bachkala und die evangelische Pfarrerin Esther Kuhn-Luz sprachen Gebete. Die Feier wurde von Tabea Schneider am Cello und Valentin Schneider am Kontrabass musikalisch umrahmt. Im Anschluss nutzten die Teilnehmer die Möglichkeit, sich im restaurierten Betsaal umzuschauen und miteinander ins Gespräch zu kommen.