Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit und Windrichtung misst Norbert Martini mit der Wetterstation in seinem Garten. Fotos: Selent-Witowski Foto: Schwarzwälder Bote

Eigentlich wollte Norbert Martini Meteorologe werden. Doch dann kam alles anders

Eigentlich wollte Norbert Martini Meteorologe werden. Doch dann kam alles anders und er begann sein Medizinstudium. Bis heute ist der Gechinger ein begeisterter Hobbywetterforscher. Gerne gab er sein Wissen bereits auch an Schüler weiter und war deren Mentor bei "Jugend forscht".

Begonnen hat die systematische Meteorologie in Deutschland 1780. Damals gründete Kurfürst Karl Theodor in Mannheim die "Mannheimer Meteorologische Gesellschaft", die eine Pioniertat vollbringt: Sie macht Wetterbeobachtungen rund um den Globus und veröffentlicht sie. Das Wichtige dabei: Alle Messstellen waren mit den gleichen Instrumenten wie Thermometer, Barometer, Hygrometer, Wind- und Elektrometer ausgestattet und damit auch vergleichbar.

Das Problem damals: Die Daten mussten mit reitenden Boten zusammengetragen werden, was Wochen dauerte. Durch die Erfindung des Morse-Apparats konnten dann die unterschiedlichen Wettermessungen schneller zentral gesammelt und ausgewertet werden – so wurde die erste Wettervorhersage überhaupt möglich. Heute sammeln tausende von Messstellen die Wetterdaten weltweit und tauschen sie direkt über Computer aus. Dabei arbeiten die meisten Messstationen mittlerweile vollautomatisch. So ist heutzutage eine Sechs-Tage-Prognose genauso zuverlässig wie eine 24-Stunden-Vorhersage im Jahr 1968.

Wichtig für die Qualität der Vorhersagen sind die Satelliten, die Daten aus Regionen erfassen, in denen es kaum Messstationen gibt. Sie messen die reflektierte Sonnenstrahlung und liefern Informationen über die Atmosphäre, über Land- und Meeresoberflächen. Diese Daten werden mit dem "Wetterradar" kombiniert. Das sind 17 Standorte in Deutschland, die messen, was sich zwölf Kilometer über dem Erdboden abspielt. So erkennen die Meteorologen, wo sich Regengebiete aufbauen und ob sie etwa Hagel mit sich bringen. Langfristige Vorhersagen sind noch immer nur bedingt zuverlässig, weil die Meteorologen nur eingeschränkt wissen, wie der Ausgangszustand war.

Außerdem ist das Wetter an sich von so vielen Faktoren, Einflüssen und Zufallsprozessen abhängig, dass es langfristig kaum zu prognostizieren ist. Je nach Wetterlage, ob stabil oder nicht, können Wettervorhersagen nur über einen Tag oder sogar eine ganze Woche möglich sein. Doch die Versuche längerfristige Prognosen abzugeben, laufen (Quelle "BR Wissen").

Gechingen. "Meine Leistungen in Physik waren schlichtweg zu dürftig, um Meteorologe zu werden", erzählt der 71-Jährige schmunzelnd. In der Medizin seien physikalische Kenntnisse zwar auch notwendig, aber nicht in einem solchen Umfang, weshalb seine Wahl letztlich auf dieses Studienfach gefallen sei – ohne dies jemals bereut zu haben. Martini war bekanntermaßen lange Jahre Allgemeinmediziner in Gechingen. Sein Interesse an Naturwissenschaften hat er von seinem Vater geerbt. "Ich habe schon als Jugendlicher in der Stuttgarter Innenstadt, wo wir damals gewohnt haben, ein Barometer, Hygrometer und Thermometer am Fenster angebracht und täglich Daten gesammelt", erinnert sich Martini an die Anfänge seiner Leidenschaft für die Klimatologie, das Wetter und dessen Vorhersage. Wobei er sich Letzteres nur gerne im Fernsehen anschaut und sich nicht als Wetterfrosch betätigt. Aufgrund seiner großen Erfahrung und seiner Aufzeichnungen kennt sich Martini aber bestens mit meteorologischen Zusammenhängen und Phänomenen wie Sturm Lothar aus. Auch wie es am 15. Mai 2009 zum verheerenden Hochwasser in seinem Wohnort kam, kann er anschaulich erklären. Drei ehemalige Schüler des Stammheimer Maria von Linden-Gymnasiums, heute alle mitten im Studium, unterstützte der Gechinger mit seinem Wissen. Beim Wettbewerb "Jugend forscht" schafften sie es auch durch seine Hilfe auf Platz vier für ihre Arbeit über das Hochwasser in der Gäugemeinde. "Das hat mich schon sehr stolz gemacht", sagt der Gechinger.

Chaotisches System weltweit spürbar

Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit und Windrichtung werden im Hause Martini ständig aufgezeichnet. Im Garten steht eine private Wetterstation, die die Daten an den PC drinnen überträgt. So macht der Hobbyforscher sich im kleinen Rahmen an die "Untersuchung der überirdischen Dinge oder Himmelskörper", wie die Übersetzung des griechischen Wortes "meteorologia" lautet. Der Mediziner befasst sich gerne mit komplexen Zusammenhängen, die weltweit für das Wetter verantwortlich sind – ein chaotisches System, das Meteorologen unermüdlich zu verstehen und deuten suchen.

"Seit 1962 lasse ich mir die Berliner Wetterkarte, früher aus Offenbach, heute aus Berlin, auf Papier zuschicken, trotz aller neuen Medien", erzählt Martini. Herausgegeben wird diese vom gleichnamigen Verein in Zusammenarbeit mit dem Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin und dem Deutschen Wetterdienst. Die Karte erscheint fünf Mal wöchentlich und gibt Auskunft über die Wetterlage über Mitteleuropa.

Wissen selbst im Urlaub gefragt

Sein Wissen über das Wetter ist sogar während des jährlichen Urlaubs im Salzburger Land in Österreich bei den Einheimischen gefragt. Besorgniserregend sei der Klimawandel, an dem der Mensch zweifelsohne beteiligt sei und "der sich nicht abstreiten lässt", ist Martini sicher. In seinem Urlaubsort hat er sich mit dem massiven Rückgang der Gletscherzungen beschäftigt. Außerdem mit dem Goldabbau in der Region im 15. und 16. Jahrhundert in einer Höhe von 2200 Metern. Durch den Rückgang des Eises wurden die Stollen gefunden und lassen Rückschlüsse auf die einstigen klimatischen Verhältnisse zu.

Auch die globale Klimastörung 1815 hat großes Interesse bei dem Hobbymeteorologen geweckt. Damals brach in Indonesien der Vulkan Tambora aus und bescherte der Welt ein Jahr ohne Sommer. Zeitzeugen sprachen vom Jahr "Achtzehnhundertunderfroren". "Da liegt der Ursprung des Cannstatter Volksfests, das erstmals 1818 gefeiert wurde", erläutert Martini. Gase und Staub hatten nach dem Vulkanausbruch für Klimaveränderungen und damit für die Missernten sowie Hungersnöte gesorgt. Danach wurde ein landwirtschaftliches Fest und eine landwirtschaftliche Unterrichtsanstalt ins Leben gerufen, bekannt als Universität Hohenheim.

Der Sommer nimmt diese Woche noch einmal einen letzten Anlauf, und es werden Temperaturen bis mehr als 30 Grad erwartet. "Es steht jetzt schon fest, dass dieses Jahr der zweitheißeste und außerdem der trockenste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 in Deutschland ist", weiß Martini. Außerdem sei es in Lappland viel zu warm gewesen, "und in Skandinavien gab es den trockensten Sommer seit Menschengedenken."