Zu den Gottesdiensten in der Gechinger Martinskirche kamen in den vergangenen Monaten weniger Gläubige als sonst. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Gechinger Pfarrer spricht über neue Wege in der Gemeindearbeit und persönlichen Umgang mit Corona

Gechingen. Weihnachten im Lockdown stellte die Kirchengemeinden vor besondere Herausforderungen. Wie diese gemeistert wurden, wie sich derzeit um Kranke und Alleinstehende gekümmert wird und was persönlich durch die Krise helfen kann, schildert Ulrich Büttner, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Gechingen, im Interview.

Wie war in den vergangenen Wochen und Monaten dank/trotz strenger Infektionsschutzverordnungen die Resonanz auf Gottesdienste in Ihrer Gemeinde?

Die Besucherzahlen waren allein schon wegen der begrenzten Zahl an Sitzplätzen in unserer Martinskirche während des Lockdowns stark rückläufig. Der erschwerte Gottesdienstbesuch (Erhebungsbogen, Desinfektion, Maske, Singverbot) tat dazu ein Übriges. Viele Menschen hatten einfach Angst, so berichteten sie mir. Glücklicherweise wurde von unserem Angebot, die Gottesdienste via Livestream mitzufeiern, sehr rege Gebrauch gemacht.

Livestreams, Outdoor-Gottesdienste, Krippenspiel als Videoprojekt – Kirchengemeinden gehen im Corona-Jahr 2020 neue Wege. Welche wurden in Ihrer Gemeinde eingeschlagen?

Zunächst waren für die Weihnachtsfeiertage abwechslungsreiche und attraktive Gottesdienste im Freien geplant. Als die Infektionszahlen im Landkreis so hoch waren, dass von einem Treffen der Gläubigen auch unter freiem Himmel nicht mehr die Rede sein konnte, wurde rasch umgeplant. Alle Festgottesdienste einschließlich mehrerer Krippenspiele mit Konfirmanden sowie Kinderkirchkindern wurden letztlich live aus der Kirche übertragen beziehungsweise im Vorfeld aufgezeichnet. Dazu gehörten auch die Musizierenden wie Bläserensembles, Mini-Chöre und Kirchenbands. Letztlich war alles eine logistische Herausforderung, die zu meistern aber trotz der strengen Regelungen dennoch Spaß gemacht hat.

Welche verschiedenen Einstellungen haben Sie bei den Menschen im Umgang mit Corona erlebt?

Innerhalb der Kirchengemeinde habe ich eine fast durchgängig verständnis- und rücksichtsvolle Einstellung zu den coronabedingten Restriktionen wahrgenommen. Ich denke, den Menschen war und ist bewusst, dass gerade in den Kirchen viele zu den (Hoch-)Risikogruppen gehören. Eine dementsprechende Rücksichtnahme versteht sich von selbst. Die Einhaltung der vielen Regeln wurde zwar als unangenehm bis lästig empfunden, wurde aber selten grundsätzlich in Frage gestellt. Der Schutz des Mitmenschen, zumal des schwachen, ist und bleibt für uns Gläubige eine Selbstverständlichkeit.

Kommen Christen mit Krisen besser klar als Menschen ohne Glauben?

Schwer zu sagen, da fehlt mir ein bisschen der Vergleich. Ich würde aber mal behaupten, dass für Christinnen und Christen der Umgang mit Krisen insofern leichter ist, als dass im Glauben das Scheitern im Leben, das Unvollkommene, das Krankwerden, Leiden und Sterben stärker als gegeben angenommen wird. Krisen werden weniger als Versagen oder Scheitern betrachtet, sondern als Chancen, daran zu wachsen und zu reifen – menschlich, aber natürlich auch im Glauben.

Wie kümmert sich Ihre Kirchengemeinde derzeit um Alleinstehende oder Kranke?

Es ist schwierig, zu den Menschen, die alleine sind oder krank, persönlich durchzudringen, zumal wir ja alle angehalten sind, die persönlichen Kontakte zu meiden. Zum Glück sind es nicht sehr viele, die allein sein müssen. Dazu ist das familiäre und soziale Netz zu eng, in das die Menschen eingebunden sind. Zum Glück gibt es das Telefon, um miteinander in Kontakt zu bleiben. Auch Briefe oder Mails. Viele, inzwischen auch immer mehr die Älteren, nutzen die sozialen Medien, um in Verbindung zu bleiben. Von den Gechingern weiß ich, dass sich gerade auch in der Kirchengemeinde sehr umeinander gekümmert wird. Hier wird christliche Verantwortung füreinander wahrgenommen. Das freut mich!

Was hilft Ihnen persönlich durch die Krise?

Zunächst einmal ganz banal die Hoffnung, dass wir – auch dank der nun angelaufenen Impfung – bald aus dem Gröbsten heraus sind. Ein "weiter so" oder "zurück zur Tagesordnung" wird es ohnehin so schnell, wenn überhaupt, nicht mehr geben. Vieles wird sich dauerhaft verändern. Die Corona-Krise nötigt uns zur geistigen Beweglichkeit. Wir müssen umdenken. Gewichte werden sich verschieben, Prioritäten neu geordnet. Das gab es in der Geschichte schon immer. Wir werden sehen, was Bestand hat und was nicht. Und wir werden das Beste daraus machen. Der Glaube gibt mir die Gewissheit, dass alles, was geschieht, letztlich für etwas gut ist, möglicherweise sogar Teil eines größeren, göttlichen Plans. Das betrifft auch diese Pandemie. Wofür sie letztlich in einem positiven Sinn gedient haben wird, werden wir sehen.

  Die Fragen stellte Marion Selent-Witowski.