Gechingen - "Unterschiedliche Ausländerbehörden handhaben bestimmte Dinge unterschiedlich" – so äußert sich der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg zu einer Anfrage des Gechinger Freundeskreises Asyl" zur Dauer der Bearbeitung von Anträgen.

Die meisten der vom Freundeskreis betreuten Flüchtlinge hätten seit drei Jahren ihre Flüchtlingsanerkennung, die ersten eine Verlängerung derselben angefragt, so Freundeskreis-Vorsitzende Bettina Schöttmer. "Zu meinem Erstaunen dauern diese Verlängerungsverfahren über mehrere Monate. Es ist mir nicht klar, wie das plötzlich so sein kann". Die Behörden würden auf Nachfrage antworten, dass das BAMF auf ihre Anfrage noch nicht geantwortet habe, und man darauf warte. Das BAMF wiederum schreibe auf seiner Homepage, dass es das Ergebnis dieser Prüfung der zuständigen Ausländerbehörde nur dann mitteile, "wenn die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme des Schutzstatus vorliegen". Die Vorsitzende erkundigte sich beim Flüchtlingsrat nach dessen Erfahrungswerten und danach, wie lange die Ausländerbehörde tatsächlich auf die Antwort des BAMF warten muss.

Nichts zu prüfen

"Dieses Vorgehen ist aus meiner Sicht eindeutig rechtswidrig. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für Personen mit Flüchtlingsanerkennung darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Prüfung eines Widerrufsverfahrens gerade läuft", antwortet Sean McGinley, Leiter der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrats. Selbst wenn ein Widerrufsverfahren eingeleitet werde, sei die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, und zwar so lange, bis ein eventueller Widerruf rechtskräftig werde. Es gebe also nichts zu prüfen, was sich auf die Frage der Verlängerung auswirken könnte. Die Person habe den Schutzstatus, bis zu dem Moment, wo dieser rechtskräftig widerrufen worden sei. "Und so lange er oder sie den Schutzstatus hat, besteht ein Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis."

Das BAMF müsse nach den aktuellen Gesetzesänderungen am Ende des vierten Kalenderjahres nach der Zuerkennung des Schutzstatus (also für Entscheidungen im Jahr 2015 spätestens bis zum 31. Dezember 2019, für Entscheidungen im Jahr 2016 bis zum 31. Dezember 2020 und so weiter) entscheiden, ob ein Widerrufsverfahren durchgeführt wird oder nicht, und diese Entscheidung spätestens einen Monat später (bis 31. Januar des Folgejahres) der Ausländerbehörde mitteilen. Wenn sich das Bundesamt gegen ein Widerrufsverfahren entscheide, sei es nicht verpflichtet, eine gesonderte Mitteilung zu machen. Das sei aber nicht entscheidend, weil die Person eh einen Anspruch auf Verlängerung habe.

"Da wir Anfragen aus ganz Baden-Württemberg bekommen, haben wir auch ein gewisses Gefühl dafür, wie unterschiedliche Ausländerbehörden bestimmte Sachen unterschiedlich handhaben. Manche sind ein bisschen restriktiver, manche sind ein bisschen entgegenkommender. Wenn ich gefragt werde, ob es einen Landkreis gibt, der besonders negativ auffällt, dann nenne ich immer den Landkreis Calw, wenn ich mich auf einen beschränken muss. Dort ist man bei einigen Punkten sehr kreativ wenn es darum geht, sich Regelungen zu überlegen, die zu Lasten der Geflüchteten gehen", äußert sich McGinley.

Info: Der Flüchtlingsrat

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg bildet ein unabhängiges und überregionales Netzwerk lokaler Initiativen, die sich ehrenamtlich mit Flüchtlingen und für Flüchtlinge engagieren. Er koordiniert und vernetzt die Arbeit der örtlichen Asylkreise und das Engagement für die Rechte von Flüchtlingen in Baden-Württemberg. Der Flüchtlingsrat ist Mitglied in der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Pro Asyl und wird gefördert durch das Land Baden-Württemberg, den Europäischen Sozialfonds, den europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, die Evangelische Kirche Baden, das Diakonische Werk Württemberg, die Diözese Rottenburg-Stuttgart, die UNO-Flüchtlingshilfe und Pro Asyl.

Info: Rechtsbegriffe aus dem Asylrecht

Anhörung beim BAMF

Die persönliche Anhörung ist für die Antragsteller der wichtigste Termin innerhalb ihres Asylverfahrens. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind die sogenannten Entscheider für die Umsetzung derselben zuständig. Sie laden die Antragsteller zum Termin ein, an dem ein Dolmetscher anwesend ist. Das Ziel der Anhörungen ist es, die Fluchtgründe zu erfahren, tiefere Erkenntnisse zu erhalten sowie gegebenenfalls Widersprüche aufzuklären. Während der Anhörung erhalten die Antragsteller ausreichend Zeit, um ihre Fluchtgründe zu schildern. Sie stellen ihren Lebenslauf und ihre Lebensumstände dar, schildern den Reiseweg und ihr Verfolgungsschicksal.

Außerdem äußern sie ihre Einschätzung der Umstände, die sie bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland erwarten. Sie sind verpflichtet, wahrheitsgemäße Angaben zu machen und Beweismittel vorzulegen, sofern sie diese beschaffen können. Asylberechtigte erhalten dann von ihrer Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Dasselbe gilt, wenn die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist. Das Zuwanderungsgesetz reduziert die Zahl der Aufenthaltstitel auf zwei: Aufenthaltserlaubnis und Niederlassungserlaubnis. Die Aufenthaltserlaubnis wird befristet erteilt. Die Niederlassungserlaubnis ist zeitlich sowie räumlich unbeschränkt und berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

 Widerrufsverfahren

Nach frühestens drei Jahren kann unter bestimmten Voraussetzungen, wie etwa die Sicherung des Lebensunterhalts und ausreichende deutsche Sprachkenntnisse, eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn das BAMF kein Widerrufsverfahren einleitet. Das Amt ist gesetzlich verpflichtet, die Anerkennung der Asylberechtigung und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich die Verfolgungssituation dauerhaft geändert hat beziehungsweise diese nicht mehr besteht und den Betroffenen bei einer Rückkehr keine Gefahren mehr drohen. Eine Rücknahme des Schutzstatus erfolgt, wenn unrichtige Angaben oder das Verschweigen entscheidender Tatsachen zur Erteilung des Schutzstatus geführt haben. Außerdem muss die Möglichkeit einer Rücknahme geprüft werden, wenn Ausschlussgründe vorliegen, beispielsweise ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen, welches rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe geführt hat.

 Fiktionsbescheinigung

Mit einer Fiktionsbescheinigung weisen Ausländer das Bestehen eines vorläufigen Aufenthaltsrechts nach, das mit dem bei der Ausländerbehörde gestellten Antrag auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis häufig entsteht. Die Bescheinigung wird regelmäßig für den Zeitraum erteilt, in dem die Ausländerbehörde den gestellten Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis prüft. Die Bezeichnung bezieht sich auf die juristische Fiktion des Fortbestands des bisherigen Aufenthaltsrechts, solange der Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis geprüft wird und noch nicht beschieden ist. In dieser Phase ist der Aufenthalt nach Ablauf der bisherigen Aufenthaltserlaubnis oder des bisher erlaubnisfreien Aufenthalts weiterhin rechtmäßig. Das Aufenthaltsrecht ist von nun an aber nur noch ein vorläufiges und damit kein gesichertes mehr.