Aus diesen indischen Kindern könnten die IT-Experten von morgen werden. Foto: Privat

Reinhold Klass aus Gechingen leitet Projekt "Wissen schafft Zukunft" für indische Kinder.

Gechingen - "Entweder hasst man das Leben dort oder man liebt es" – das sagt Reinhold Klass, der drei Jahre lang im Technik- und IT-Bereich in Indien gearbeitet hat. Nun ist er von Gechingen aus Triebfeder für nachhaltig angelegte Projekte, die jungen indischen Menschen zugute kommen.

Klass war für die Mercedes-Benz Research and Development India Private Limited, kurz MBRDI, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Daimler AG, tätig. Mit dem Forschungs- und Entwicklungszentrum in Bangalore 1996 eröffnete Mercedes-Benz das größte dieser Art außerhalb Deutschlands.

"Ich war drei Jahre lang in Bangalore, quasi der IT-Hauptstadt des Landes tätig", berichtet der Gechinger. Er habe eine Abteilung mit aufgebaut, die Software für Daimler entwickle. "Am Anfang waren es 50 Mitarbeiter, zum Schluss etwa 200." Er sei während seiner Zeit in Indien sehr freundlichen und hilfsbereiten Menschen begegnet. "Man kann bedenkenlos durch jeden Slum gehen", sagt der 65-Jährige. Wer als Europäer länger dort lebe, müsse sich aber auf einiges einlassen können: "Es ist sehr quirlig, chaotisch und dreckig".

Klass hatte nicht nur beruflich in dem Land zu tun, sondern ist gemeinsam mit Ehefrau Margret auch dem Verein "Kinderheim Nethanja Narsapur Christliche Mission Indien" verbunden. Schon mehrfach hat das Gechinger Ehepaar Kultur- und Besuchsreisen nach Indien organisiert und geleitet, zuletzt im vergangenen November. Die nächste im Februar ist bereits ausgebucht.

Unvergleichlich vielfältig

Angefangen hatte alles in den 1970er-Jahren mit einem Kinderheim im Küstenstädtchen Narsapur im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh. Seit 1973 ist der Verein mit seinen indischen Partnern in Indien tätig, "einem Land, das unvergleichlich vielfältig, oft sogar extrem widersprüchlich ist". In der größten Demokratie der Welt würden mehr als 1,3 Milliarden Menschen leben – in extrem unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Wirtschaftlich und technologisch sei Indien auf der Überholspur, aber mehr als 40 Prozent der Inder seien immer noch Analphabeten. Einer wachsenden Ober- und Mittelschicht stünden noch immer hunderte von Millionen Menschen gegenüber, die von unter einem Dollar am Tag leben. Das Kastenwesen sei offiziell längst abgeschafft, aber "teilt faktisch die Menschen immer noch in Gruppen sehr unterschiedlicher gesellschaftlicher Geltung". Immer noch seien Frauen und Mädchen Menschen zweiter Klasse.

80 Prozent der Menschen seien Hindus, die Christen würden eine kleine Minderheit von circa drei Prozent der Bevölkerung ausmachen und hätten immer wieder mit Benachteiligungen und Verfolgungen zu kämpfen. "In diesem so faszinierenden und gegensätzlichen Land arbeitet die Nethanja-Kirche mit den beiden großen Hauptanliegen, den Ärmsten der Armen zu helfen und die frohe Botschaft von Jesus Christus zu verkündigen", so der Verein.

Seine Erfahrungen mit dem indischen Bildungswesen und sein Wissen um die Abläufe in der dortigen IT-Branche waren es, die Klass auf die Idee für ein neues Projekt brachten. Den ärmsten der armen Kinder und Waisen wollen Klass und seine Mitstreiter helfen. "Wissen schafft Zukunft" – so wurde das Projekt getauft. "Wir wollen Jungen und Mädchen in Indien durch Bildung eine echte Zukunftschance geben", betont der Gechinger. Begabten Kindern solle die Möglichkeit gegeben werden, in Indien oder im Ausland zu studieren. "Die Talente unter den Nethanja-Kindern wollen wir fordern und fördern." Indem die schulische Bildung gezielt optimiert werde, könne den Kindern eine Chance zur Ausbildung als IT-Experte gegeben werden.

Feuer und Flamme für das Vorhaben gemeinsam mit dem Verein "Kinderheim Nethanja Narsapur Christliche Mission" als Projektträger der Schulen war von Anfang an Werner Dürr von der IPO.Plan GmbH, Leonberg. Das Unternehmen bietet Software und Lösungen für die Fabrikplanung an. "Der Firmenchef hat letztes Jahr an einer unserer Reisen nach Nethanja teilgenommen und ist nun unser Projektpartner", berichtet Klass. Das Unternehmen suche dringend Entwickler, und dort könne man sich vorstellen, einige aus Indien nach Abschluss ihrer Ausbildung einzustellen.

Es gebe viele motivierte, fröhliche Kinder, die weg vom Slum gekommen seien und eine gute christliche Erziehung genießen. Schulausbildung und Lehrer-Qualifikation seien aber auf einem sehr niedrigen Level. Die Kinder hätten kaum Chancen nach Klasse 10. Der Projektleiter aus Gechingen hat genau durchgerechnet, wie groß das Spendenbudget sein muss, um das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Bei den Plänen handelt es sich keineswegs um ein Luftschloss – wegen Klass’ Wissen und Erfahrung und seinen Kontakten vor Ort. Das Vorhaben werde dort für gut befunden und sei machbar –freilich in Abhängigkeit vom Budget der verfügbaren Spenden. Mit 30 Euro pro Monat könnten einem Kind Schule und Unterkunft ermöglicht, für ein monatliches Gehalt von 500 Euro ein sehr guter Lehrer beschäftigt werden. Klass und Dürr hoffen, dass sich möglicht auch viele deutsche Firmen an dem Projekt beteiligen werden.

Weitere Informationen unter www.nethanja-indien.de

Info: Die drei Projektphasen

Phase 1 (Förderung in der 6. bis 10. Klasse): Erhöhung der Ausbildungsqualität an allen Schulen; Lehrer-Qualifikation optimieren; Optimierung Unterricht an den Schulen, insbesondere um naturwissenschaftlich/technisch begabten Schüler zu fördern; zusätzlicher Unterricht in IT- Technologien sowie Englisch und Deutsch Schule ist offen für die ärmsten der Kinder, die heute in der Regel keine Chance auf Ausbildung haben; motivierende Workshops, in denen computerbegeisterte Kinder IT-Grundlagen erlernen können

Phase 2 (IT-College und Abitur Klasse 11-12/13, IT Fachinformatik /Politech/Diploma): Die besten/geeignetsten Schüler haben die Möglichkeit, nach der 10. Klasse in ein Studienhaus aufgenommen zu werden. Dort erhalten sie weitere spezifische Förderung und gehen auf ein privates College für Computertechnik bis zum Abitur. Die deutschen Unternehmen entsenden zum Beispiel duale Studenten, um in der Ausbildung fachspezifisch zu unterstützen. Gleichzeitig erhalten sie eine fundierte und von christlichen Werten geprägte Begleitung in Familienstrukturen sowie interkulturelles Training und intensiven Sprachunterricht in Deutsch; erste Praxiserfahrung und Programmiertätigkeiten.

Phase 3 (Ausbildung in Deutschland, drei Jahre, nicht zu "Wissen schafft Zukunft" gehörig und nicht unter Verantwortung des Vereins "Kinderheim Nethanja Narsapur Christliche Mission Indien"): Studium an der DHBW (Dualen Hochschule Baden- Württemberg) in technischer Informatik Zugang zu einer Hochschule in Indien oder weltweit. Auch in Deutschland werden die Studenten dann in einem Studienhaus betreut und kulturell in familienähnlichen Strukturen begleitet Unterstützung durch das BW Wirtschaftsministerium ist in Prüfung.