Lesung: Alte Märchen ins Leben gerufen / Auf Melancholie folgt Gelächter
Gechingen. In die zauberhafte Welt der Märchen zog es die Besucher des Buch-Cafés "Coffee Tales" in Gechingen. Der 1951 in Algerien geborene und im Nomadenstamm aufgewachsene Erzähler Naceur Charles Aceval rief am Freitagabend alte Geschichten und Weisheiten ins Leben und begeisterte die Zuhörer.
"Menschen kommen, Menschen gehen. Allein das Wort bleibt, reist und erreicht immer und überall sein Ziel", so begrüßte Aceval die zahlreich erschienenen Gäste. "Hört! Damit die Geschichten weiterreisen. Hört! Damit das Wort nicht stirbt", fuhr er fort. Alte Märchen, Legenden und arabische Sprichwörter, die er selbst als Kind zu hören bekommen hat, trägt er durch Erzählungen weiter.
In harten Zeiten, nachdem sein französischer Vater während des Algerienkrieges im Jahre 1959 verstarb, ließen Märchen, die die Mutter ihren sechs Kindern erzählte, Hunger und Angst vergessen.
Mit seiner warmen, ruhigen Stimme und dem exotischen Akzent zog Aceval die Zuhörer sofort in seinen Bann.
So erzählte er von "Habra", der Tochter des Löwen. Ein Nomadenmärchen, das die Zuhörer zum Nachdenken anregte. Es besagt, dass Verletzungen, die mit Worten zugefügt werden, nie verheilen.
Es bleibt auch Spielraum für eigene Interpretation
Bei der Geschichte der Sternenfrau gab es ebenfalls ein offenes Ende mit Spielraum für eigene Interpretation. "Was die Geschichte uns sagt, darf jeder für sich herausfinden", sagte Aceval mit einem breiten Lächeln.
Auf melancholische Märchen folgten auch lustige Geschichten, bei denen die Besucher in Gelächter ausbrachen. Vor allem als der arme Schuhputzer, fast ungewollt, einen wortlosen Disput gegen den Papst gewann, und ein Held seiner jüdischen Gemeinde wurde.
Aceval gestaltete einen abwechslungsreichen und interessanten Abend. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit werden nun einige dieser Geschichten auch weitererzählt. Damit das Wort nicht stirbt.
