Dieses Foto ist dem Buch "Heimat Gechingen" entnommen und ist eins der ältesten aus dem Ort, das erhalten geblieben ist. Es zeigt Sophie Heinrike Maier geborene Süßer (1828-1906) und ihren Ehemann Jakob Friedrich Maier (1830-1902) gemeinsam mit den Enkeln Maier.Foto: AK Heimatgeschichte Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Begriff "Schäppele" sorgt für teilweise wilde Spekulationen

Gechingen. Es gibt in Gechingen, wie wohl in jedem Dorf, alte Bezeichnungen, deren Bedeutung man nicht mehr so recht weiß. Dazu gehört auch der Gechinger Übername "Schäppele". "Noch als Schulkind in Althengstett riefen mir die Kamerädle oft nach: ›Du Gechinger Schäppele!‹", berichtet Erika Albert-Eßig vom Gechinger Arbeitskreis (AK) Heimatgeschichte.

"Ich fragte unseren Vater, den Heimatforscher Karl Friedrich Eßig, was das heißen sollte und er erklärte mir, das käme von der "Schappel", der Frauenhaube, wie sie alle Frauen früher hatten – wie zum Beispiel die Witwe Bolte bei Max und Moritz. Die Gechinger Frauen hätten sie wohl länger getragen, als es überall der Brauch war und daher käme vermutlich der Gechinger Spitzname".

Seither ist viel Zeit vergangen, und als man sich auf die alten Zeiten wieder besonnen hat, tauchte auch die Frage nach dem "Schäppele" wieder auf, es gab teilweise wilde Spekulationen darüber. Zum Glück existiert laut Albert-Eßig für den schwäbischen Dialekt eine unanfechtbare Autorität, das "Schwäbische Wörterbuch", der "Fischer". Hermann Fischer (1851- 1920) hat 1901 den ersten Band herausgebracht, 1936 folgte der letzte. Es waren also noch andere Wissenschaftler beteiligt, der Name "Fischer" steht aber für sie alle. Man ahnt, dass es ein monumentales Werk ist. "Als wir uns mit der Gechinger Chronik befassten, habe ich einige der Bände in der Landesbibliothek in Stuttgart zu Rate gezogen. Es sind insgesamt sieben und sie sind derart groß und schwer und standen zudem weit oben, dass ich jedes Mal bei der Benutzung Angst hatte, so ein schweres Teil fiele mir auf die Füße oder gar auf den Kopf". Dieses Wörterbuch umfasst den schwäbischen Wortschatz, wie er Jahrzehnte vor und nach der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert gesprochen wurde mit allen regionalen Verschiedenheiten sowie die historische Sprache aus schriftlichen Zeugnissen wie Urkunden und Chroniken.

Material liegt heute auch digital vor

Heute ist auch der "Fischer" digitalisiert, AK-Vorsitzender Norbert Jensen hat herausgefunden, dass die Bände 1, 2, 3 und 5 in der Online-Bibliothek der University of Michigan in den USA verfügbar sind. Er hat sich in deren System eingearbeitet, die Suchmaschine bemüht, und ist fündig geworden. Das Ergebnis ist laut Albert-Eßig nicht überraschend, das Wort "Schappel" sei ja heute noch im Gebrauch. "Schappel" ist der Kopfputz, zumeist von Frauen, und in allen möglichen Formen Bestandteil der bäuerlichen Trachten, manchmal nur getragen von den ledigen Mädchen, manchmal hat es auch die Funktion einer Brautkrone. Es stammt vom französischen "chapeau". "Schäppele" ist die Verkleinerungsform.

"Für uns interessant ist der Abschnitt über die ›Schappelhaube‹. Da heißt es im Fischer: ›Kleine, über dem Scheitel spitz hervorstehende, hinten mit Glasperlen gestickte, unter dem Kinn mit breiten Seidenbändern gebundene Haube, schwarz‹. Als ich das las, habe ich mich sofort an ein Foto im Buch ›Heimat Gechingen‹ und die Erzählungen meiner Gechinger Großmutter Marie geborene Maier erinnert. Sie sprach viel von ihrer Ahne väterlicherseits, die immer so ein kleines, spitzes, schwarzes Häuble auf dem Kopf gehabt habe. Sie habe einen ›Knipfel" auf dem Kopf gehabt und ihn immer mit dem Häuble bedeckt. Ohne diese Information könnte man das Häuble übersehen oder für einen Teil der Frisur halten". Wahrscheinlich war das das letzte "Schäppele", das in Gechingen getragen worden ist.

Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes "Schäppele" ist in neuerer Zeit verloren gegangen. Eine Ähnlichkeit im Wortklang mit scheppern, kleppern, schättern, Worte, die alle in lautmalerischer Weise das Geräusch des Klapperns und Klirrens widergeben, hat offenbar zu der Deutung Gechinger "Klepperle" geführt.

Mohnkapseln nennt man "Klepperle"

"Im Dialekt heißen Mohnkapseln ›Klepperle‹ nach dem Geräusch, das sie machen. So nannte man sie allerdings eher in Althengstett, in Gechingen sagte man ›Magsome‹ oder ›Ölmage‹.  Einen besonderen Bezug zu Gechingen haben Mohnkapseln nicht, man hat überall Mohn angebaut. Dagegen hat mir eine über 80-jährige Verwandte erzählt, dass sie als ganz junges Mädchen zusammen mit ihren Gefährtinnen, als sie in Deufringen im Wald arbeiteten, von einem Deufringer als "Gechinger Klepperle" beschimpft worden sei. Dabei sei deutlich geworden, dass der Mann meinte, in Gechingen "kleppere" es, sobald man  den Boden dort bearbeite, weil er so steinig sei. Da ist was dran", erklärt Albert-Eßig.

Neuerdings werde der Name auch mit besonderer Geschwätzigkeit in Verbindung gebracht. Die Gechinger Frauen würden, sobald einige beieinander sind, lauthals zusammen schättern, sie seien rechte "Schätterle". Die Autorin selbst kenne nur "Schätterbasen", und es sei dahingestellt, ob sie in Gechingen mehr schättern als anderswo. Mit den Spottnamen tat man ja einander nach Möglichkeit schandlich, und es war sowohl logisch, die Gechinger ihrer rückständigen Hauben als auch ihrer steinigen Äcker wegen zu verspotten. Heute, wo es kaum mehr Bauern in Gechingen gebe, habe man mit "geschwätzig" wieder eine neue Deutung gefunden, Sprache ändere sich ja immerfort.

"Jedenfalls ist es schön, dass man auf dem Umweg über Amerika am Schreibtisch etwas über die Besonderheiten unseres Dialekts erfahren und Entdeckungen machen kann. In Corona-Zeiten wird uns so recht bewusst, was für spannende Ausflüge möglich sind, auch wenn man ans Haus gefesselt ist", so die Heimatforscherin.