Hannes Haas wird in wenigen Wochen zu seinem nächsten Einsatz im Mittelmeer aufbrechen. Foto: Selent-Witowski Foto: Schwarzwälder Bote

Seenotrettung: Gechinger Hannes Haas berichtet von Arbeit auf Sea-Watch 2

Gechingen. Angefangen hat es mit einer Anzeige in Facebook. Das Seenotrettungs-Schiff Sea-Watch 2 hatte Mitarbeiter an Bord gesucht. "Da habe ich mich einfach beworben", berichtet Hannes Haas. Doch für die meisten Jobs wurden Kenntnisse in der Seefahrt oder in Medizin verlangt. "Der einzige Job für mich war die Stelle des Kochs." Das war im Jahr 2017 – der Gechinger war damals gerade 26 Jahre alt. Noch im selben Jahr legte der junge Mann zu seinem ersten Einsatz im Mittelmeer ab. Ein Abenteuer, das ihn prägen sollte. Heute steht Haas im voll besetzten Sportheim in seinem Heimatort und berichtet dem Stammtisch des SPD-Ortsvereins von seinen Erfahrungen sowie Erlebnissen.

Viel gereist

Haas ist ein hochgewachsener junger Mann mit braunen Locken, der Englisch sowie Politik studiert und Lehrer werden will. Wohl kaum jemand würde auf den ersten Blick in ihm den Lebensretter auf hoher See erkennen. Wie es kam, dass er damals spontan auf die Facebook-Anzeige reagiert habe, will man wissen? Haas erzählt kurz, dass er damals viel gereist sei "und überall auf der Welt willkommen war. Warum sollten wir uns als reiche Europäer gegenüber den Flüchtlingen anders verhalten? Ich jedenfalls möchte nicht in einem Staat leben, der Mitschuld ist, dass Menschen sterben müssen, die zu uns kommen wollen." Auf seinem Laptop hat Haas zwei englische Slogans geklebt: "Love Sea-Watch", heißt der eine, "Hate Facism" der andere.

Die Grenze zwischen Europa und Afrika, die unsichtbare Grenze auf dem Meer also, "ist die gefährlichste Grenze der Welt", beginnt Haas seinen Vortrag. "An keiner Grenze sterben mehr Menschen." Haas spricht leise und besonnen. Natürlich könne die Sea-Watch nicht ewig ihre Einsätze fahren. Im Gegenteil: "Wir wollen, dass unsere Arbeit überflüssig wird". Sein Fernziel: "Niemand soll an der Grenze sterben, weil es keine Möglichkeiten zur legalen Einreise gibt". Von diesem Ziel allerdings ist die Realität noch weit entfernt – noch immer begeben sich verzweifelte Afrikaner in die Hände von Schleppern, steigen in völlig überfüllte und seeuntüchtige Schlauchboote, um das vermeintliche Paradies Europa zu erreichen.

Irritierend und grausig

Die Bilder, die Haas zeigt, sind für viele im Saal nicht ganz unbekannt. Man kennt sie aus dem Fernsehen. Doch irritierend und grausig anzusehen sind sie immer wieder. Die jungen Afrikaner, die zusammengepfercht und mit vor Angst verzerrten Gesichtern in einem Schlauchboot sitzen, die verzweifelt ins Wasser springen – um die Sea-Watch 2 zu erreichen.

Doch das Rettungsschiff hat bereits 400 Flüchtlinge aus Westafrika an Bord genommen, die Kapazitäten sind ausgeschöpft. "Bitte helft mir, bitte helft mir", bettelt eine im Meer treibende Frau in Schwimmweste. Es sind Bilder, die man nicht vergisst. Er sei damals auf einer seiner ersten Einsätze gewesen, berichtet Haas.

Früher hätten in solchen Situationen noch oftmals andere Schiffe, die in der Nähe fuhren, beigedreht und Flüchtlinge übernommen, um diese zum nächstgelegenen Hafen zu bringen. Doch eine solcherart Solidarität ist immer seltener geworden, so Haas. "Wir sind oft alleingelassen worden."

Die Menschen in Kriegs- und Bürgerkriegsregionen hätten ein "Recht auf Flucht und ein Recht auf Asyl", referiert Haas. Und Seenotrettung "ist völkerrechtliche und moralische Pflicht", fügt er hinzu. In einem anderen Videobeitrag berichtet ein junger Afrikaner von grausigen Foltermethoden in libyschen Lagern: "Wir ertrinken lieber im Meer als zurückzukehren." Im März will Haas zu seinem nächsten Einsatz im Mittelmeer aufbrechen.