Franz Groll ist mit 70 Jahren noch einmal in den Wahlkampf gezogen und hier mit Plakatieren beschäftigt. "Zurückhaltung fällt mir schwer", sagt der Gechinger, der sich weiter für mehr soziale Gerechtigkeit einsetzen will. Foto: Selent-Witowski

Franz Groll aus Gechingen hat ein bewegtes politisches Leben und startet mit 70 Jahren als Bundestagskandidat für Die Linke durch.

Gechingen - Plakate kleben, Infostände auf- und natürlich auch wieder abbauen, Diskussionsrunden in weit auseinanderliegenden Gemeinden des Wahlkreises besuchen – warum tut man sich das im Alter von 70 Jahren noch an? "Ich bin Überzeugungstäter", sagt Franz Groll. Der Gechinger ist Bundestagskandidat für Die Linke.

Wenn Franz Groll sich ein Ziel gesteckt hat, egal, ob beruflich, privat oder als politischer Mensch, setzt er sich mit seiner ganzen Kraft dafür ein. Das hieß und heißt für ihn aber auch, nicht immer den bequemsten Weg zu gehen. Anders lässt sich sein politischer Werdegang wohl auch nicht erklären, der 1963 als CDU-Mitglied begann und ihn 2004 über die Grünen zur WASG führte, die sich bekanntlich 2007 mit der Linkspartei PDS zur neuen Partei Die Linke vereinte.

Arbeitskreis Energie der Jungen Union geleitet

Groll wurde in Raderach, dem kleinsten Ortsteil von Friedrichshafen, geboren. Sein Vater war Landwirt und nebenberuflich als Bürgermeister der kleinen Gemeinde tätig. Schon früh wurde das politische Interesse des Sprösslings geweckt.

"Ich war in der Jungen Union engagiert und habe den Arbeitskreis Energiepolitik geleitet", erinnert sich Franz Groll. "Schon damals habe ich mich in Kontakt mit Professoren der Universität Stuttgart mit Kernenergie, Windkraft sowie Solarenergie befasst und mich zu unseren Ressourcen kundig gemacht." Er habe im September 1977 einen von den Mitstreitern befürworteten Antrag gestellt, in diesem Zusammenhang künftig die verbrauchten Rohstoffe und nicht die Arbeitskräfte zu besteuern. Außer ein paar netten Zuschriften zu dem Thema sei aber nichts passiert.

"Schon damals war ich dafür, die Renten- sowie Familienpolitik umzustellen und zudem nicht nur voll auf Wachstum zu setzen", so Groll. Ihm sei die Staatsverschuldungspolitik ein Dorn im Auge gewesen. "Als bei der Steuerreform 1988 maßgeblich Investoren und die kleinen Leute nur mit einem Prozent entlastet werden sollten, habe ich gemerkt, dass die CDU nicht mehr meine Heimat ist, bin ausgetreten und habe meinen CDU-Vorsitz in Gechingen abgegeben", erinnert er sich. Das habe ihm auf menschlicher Ebene auch weh getan, weil er in seinen Mitstreitern gute Freunde gefunden habe.

1994 gab der Ingenieur für Computerhardware seinen gut bezahlten Posten als Hauptabteilungsleiter bei IBM auf und baute bis 1999 ein Ausbildungszentrum auf Haiti auf. Nach der Rückkehr aus dem Karibikstaat begann Groll als 55-Jähriger ein Volkswirtschaftsstudium.

"Das System des Kapitalismus und des Neoliberalismus geben keine Antworten auf die sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Gesellschaft, auch nicht, was einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen der Welt betrifft", ist der Gechinger nach wie vor überzeugt. Deshalb engagierte er sich 2004 bei der WASG und danach bis heute bei der Linken. Nach dem verheerenden Erdbeben auf Haiti 2010 machte sich der erfahrene Planer von Entwicklungshilfeprojekten erneut in das Land auf, um beim Wiederaufbau zu helfen.

Inzwischen hat Groll zwei Bücher veröffentlicht, die Wege in eine nachhaltige und soziale Wirtschaft aufzeigen. Das dritte soll in wenigen Monaten erscheinen. Im April 2009 kam "Wie das Kapital die Wirtschaft ruiniert – Der Weg zu einer ökologisch-sozialen Gesellschaft" heraus. Vieles von dem, was als Grundwahrheit der Volkswirtschaftslehre verkauft wird, ist in den Augen Grolls schlichtweg falsch.

Seine These: Kapital ist kein Produktionsfaktor. Nicht das Kapital bildet die Grundlage des Wohlstandes, sondern die Kreativität und Arbeitskraft der Menschen in Verbindung mit der Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen. Optimale Ausbildung, die Nutzung der angebotenen Arbeitskraft, der Abbau der Staatsschulden, Umweltschutz und Investitionen in neue Technologien sind nach Ansicht des Autors Maßnahmen, um die Zukunft zu sichern.

Am Wahlabend ganz entspannt im Konzert in der Aureliuskirche

Auch die in jungen Jahren aufgegriffene Theorie taucht in dem Buch wieder auf, nämlich eine grundlegende Änderung der Steuerpolitik, also Abgaben auf die Verschwendung von Ressourcen, nicht auf Arbeitskraft.

Einen vorderen Listenplatz hat Franz Groll, wie schon bei der Bundestagswahl 2009, auch dieses Mal nicht, und auf ein Direktmandat darf er wohl kaum hoffen. "Ich kandidiere, um Die Linke zu unterstützen. Dass wir zehn Prozent erreichen, ist gar nicht unwahrscheinlich", sagt er. Den Wahlabend wird Groll ganz entspannt bei einem Konzert in der Hirsauer Aureliuskirche verbringen – und auf dem Rückweg nach Gechingen auch schon wieder die ersten Plakate abhängen. Dann wird er rund 3000 Kilometer Wahlkampftour hinter sich haben.