Geburtstag: Der Nordstetter Leonhard Pratscher ist 80 / "Die Arbeit macht mich zufrieden"
Eine Nordstetter Institution wird am heutigen Samstag 80 Jahre alt: Leonhard Pratscher. Er macht seinem Namen (Bedeutung: der Löwenstarke, der fest Entschlossene) alle Ehre und ist fit wie ein Turnschuh. Und als blinder Physio arbeitet er bis heute.
Horb-Nordstetten. Er steht aufrecht da am Empfang. Schlank, sportlich. Sagt: "Heute muss ich bis um 20 Uhr arbeiten. Massage ist körperliche Schwerstarbeit – und ich wünsche mir, dass ich noch lange gesund und fit bleibe!"
Mit achtzig schlank wie ein Junger – wie schafft man das? Pratscher: "Früher habe ich Fußball gespielt und war Trainer in Nordstetten, Horb und Betra. Kein Nikotin und kaum Alkohol – höchstens mal ein Radler alle vier Wochen. Wenn man innerlich zufrieden ist, braucht man keine Leckerli!"
Und damit das so bleibt, macht sein Sohn Frank täglich mit ihm zwei Runden. Mittags und abends – dreieinhalb Kilometer. Nach dem Tod von Leonhards Frau vor elf Jahren ist Frank Pratscher – der weltweit Abenteuerurlaube anbietet – seine große Stütze. Frank: "Von wegen große Stütze – 95 Prozent macht mein Vater allein! Meine Freundin Anja und ich erledigen nur das, was er als Blinder nicht kann. Essen kochen oder ihm sagen, dass seine Arbeitskleidung einen Fleck hat."
Dass er ein "mutiger Löwe" ist, hat die Institution von Nordstetten seit fast 50 Jahren bewiesen. Leonhard Pratscher erzählt: "Es passierte am 10. Oktober 1976. Meine Frau und ich kamen nachts von Empfingen zurück. Vor der letzten Kuppe fuhr ein Betrunkener zu schnell. Die Glassplitter der Frontscheibe sind mir ins Gesicht geflogen. Wenn es damals schon Verbundgläser gegeben hätte…"
Doch der mutige Löwe steckte nicht auf. Leonhard: "Vor diesem Unfall war ich Statiker. Danach wurden mir drei Alternativen als Beruf angeboten: Korbflechter, Telefonist oder Masseur. Damals wollte ich schon Krankengymnastik machen – doch das hat man uns Blinden nicht zugetraut."
Die richtige Wahl. Denn: Sein Beruf und die Arbeit macht den Masseur – gerade als Blinden – so zufrieden: "Wenn Sehende in Rente sind, können sie aus dem Fenster gucken, sich viele Sachen anschauen und Leute beobachten. Das kann ich nicht. Ich habe den Kontakt zu meinen Patienten. Und nicht nur zu denen, sondern auch zu den Ärzten. Und das Selbstständigsein macht mir Spaß und Freude."
Ein Mann, der als Blinder noch mit 80 Jahren seinen Mann steht. Und was kann man Leonhard Pratscher zum Ehrentag schenken? Sohn Frank: "Ehrlich gesagt, er hat alles." Wäre vielleicht ein Geschenk, wenn die Patienten weiter dem blinden Masseur die Treue halten. Denn Leonhard Pratschers Arbeit ist seine Kommunikation mit den Menschen.