Ihr Leben meistert Edith Kupfernagel stoisch und zufrieden – und wurde so nun 100 Jahre alt.
100 Jahre alt zu werden – damit habe sie bislang noch keine Erfahrung, scherzte Edith Kupfernagel fröhlich lächelnd am Montag im Bürgerheim.
Dafür allerdings machte sie es überaus gelassen und gut gelaunt mit, wie sie in den vergangenen Tagen nicht nur von ihrer Familie, sondern auch von ihren Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern und dem Pflegeteam ausgiebig gefeiert wurde.
Das Leben der Jubilarin war früh durch den Krieg und seine Auswirkungen geprägt – exemplarisch ja für diese Generation. Und gleichzeitig war Edith Kupfernagel immer eine, die sich auch von Schicksalsschlägen nicht entmutigen ließ.
Im Betrieb mitgeholfen
Geboren wurde sie am 21. September 1924 in Stettin in Pommern. Dort besuchte sie die Volksschule – mit sämtlichen acht Klassen in einem Raum und einem Lehrer für alle Fächer, wie sie heute noch weiß. Ihr großer Wunsch, Schneiderin zu werden, erfüllte sich nicht, weil sie zuhause im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb mit angeschlossener Schmiede mithelfen musste.
Dann – sie war gerade 14 Jahre alt– kam der Krieg und mit ihm im kalten Januar 1945, als die Front immer näher rückte, die Flucht der Familie. Gemeinsam mit ihren Eltern und den fünf Geschwistern verließ sie ihre Heimat als junge Frau Hals über Kopf, mitnehmen konnten sie allesamt damals so gut wie gar nichts.
Zusammen erreichten sie schließlich Karolinenkoog in Schleswig-Holstein. Dort kam die Familie in einer Flakstellung unter. Dass diese Zeiten hart und prägend waren, versteht sich von selbst. Aber sich entmutigen lassen? Das kam für die junge Edith nicht in Frage und das hat sie sich ihr ganzes Leben lang bis zum heutigen Tag beibehalten.
Hochzeit nach vier Wochen
Beim Tanz im Norden lernte sie dann den ebenfalls noch jungen Gerhard Kupfernagel kennen und lieben. Sehr kurzentschlossen wurde nach nur vier Wochen bereits geheiratet und später kamen die beiden Töchter auf die Welt.
1954 erfolgte der Umzug nach Schwenningen, wo es Arbeit für Edith Kupfernagel als Fabrikarbeiterin in der Uhrenfabrik Emes und für ihren Mann, einen ausgebildeten Musiker, bei der Firma Waldemar Wagner, genannt „Gong-Wagner“. Er spielte zudem in der Stadtmusik als erster Klarinettist und wurde dann auch noch Dirigent bei der „Harmonie“ in Schwenningen. Er starb im Jahr 2008. 2013 fand die jetzige Jubilarin eine neue Heimat im Bürgerheim, weil sie körperlich stark eingeschränkt und unter anderem auf den Rollstuhl angewiesen ist. Dass sie nunmehr in der Einrichtung lebt, sei aber das Beste gewesen, was ihr passieren konnte, das habe ihre Mutter stets betont, sagt ihre Tochter Marlies Delaye.
„Wenn ich nicht ins Bürgerheim gekommen wäre, wäre ich nicht so alt geworden“, habe sie immer gesagt. In dem Pflegeheim werde sie einfach bestens versorgt. Hier macht sie bei vielen Aktivitäten gerne mit, wenn zum Beispiel Lieder gesungen werden. In den Spielrunden in der Einrichtung ist die geistig noch sehr agile Seniorin ebenfalls stets mit Eifer dabei. Leidenschaftlich gerne spielt sie übrigens Halma, gerne auch mit ihrer Tochter und mit ihrer Enkelin Annette.
Die legendären Flinsen
Diese wiederum freut sich riesig, dass ihre Großmutter noch so lebensfroh ist und stets viel von früheren Zeiten erzählt hat. „Omas Geschichten waren immer spannend“, sagt sie. Und die leckeren Eierflinsen – die Pfannkuchenvariante aus Pommern – , die sie für die Enkel immer gerne gebacken hat, wenn die sie darum baten, sind ebenfalls unvergessen.
Zu ihrer Familie gehören fünf Enkel, sieben Urenkel und zwei Ururenkel. Gefeiert wurde der 100. Geburtstag bereits am Samstag zunächst im Kreise der Familie. Am Montag dann folgte auf ihrer Station eine weitere heitere Runde mit Sekt, Glückwünschen und Liedern, bei der auch Oberbürgermeister Jürgen Roth vorbeischaute, ihr herzlich gratulierte und die Glückwunschurkunde des Ministerpräsidenten vorbeibrachte.