Wegen des Mangels an Hebammen erhöht das städtische Klinikum seine Ausbildungskapazität. Foto: Archiv

Viele Geburtskliniken suchen händeringend nach Hebammen. Wegen des Mangels musste das Klinikum der Stadt Stuttgart innerhalb eines Jahres 300 Schwangere abweisen. Nun erhöht man die Ausbildungskapazität – wie auch einige andere Krankenhäuser im Land.

Stuttgart - Landauf, landab herrscht ein Mangel an Hebammen. Und dies in einer Zeit, in der – anders als vor Jahren prognostiziert – die Geburtenzahlen wieder merklich steigen. Wie im Brennglas lässt sich diese Entwicklung am Beispiel des Klinikums der Stadt Stuttgart zeigen, einer der großen Geburtskliniken der Republik, die zusammen mit dem Kinderhospital Olgäle ein Perinatalzentrum der höchsten Stufe bildet.

 

Auf eine Anfrage der Union befasste sich am Freitag der Krankenhausausschuss des Gemeinderats mit der Lage. Jan Steffen Jürgensen, der geschäftsführende Ärztliche Direktor, machte deutlich, dass man in der Frauenklinik seit Mai 2016 innerhalb eines Jahres insgesamt 300 schwangere Frauen an andere Häuser habe verweisen müssen. Es habe sich aber durchweg um „unkomplizierte Geburten“ gehandelt. Dadurch sei die Zahl der Geburten 2016 um 354 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen.

Fluktuation stark gestiegen

Dies sei auf einen Mangel an Hebammen zurückzuführen, so Jürgensen. „Etwa 30“ Hebammen seien in den Kreißsälen tätig, sagte der Ärztliche Direktor mit Blick auf die hohe Fluktuation, derzeit seien vier Stellen vakant. Jürgensen betonte, dass es auch im Klinikum viele Geburten in hebammengeführten Kreißsälen gebe oder etwa Stillberatung. In einem Perinaltalzentrum mit einem überproportionalen Anteil an Risikoschwangerschaften durch viele Mehrlingsgeburten und extreme Frühchen sei die Arbeit oft auch durch „interprofessionelle“ Einsätze geprägt. Bei Gesprächen aber habe er festgestellt, dass viel Schülerinnen „die autonome Hebamme als Ideal haben“.

Man werde deshalb versuchen, die Attraktivität der Tätigkeit im Klinikum durch Weiterbildungsangebote, Wohnmöglichkeiten und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu erhöhen. Ähnlich gehen auch andere Frauenkliniken in der Stadt wie das Robert-Bosch-Krankenhaus und das Marienhospital vor, die von den Problemen in der städtischen Geburtsklinik zum Teil deutlich profitiert haben. So hat das Marienhospital erst in diesem Jahr die Zahl der Hebammenstellen von 17 auf 20 erhöht.

Nur wenige bleiben nach der Ausbildung am Ort

Gesetzlich nicht zulässig ist, dass das Klinikum die Schülerinnen der eigenen Hebammenschule durch eine sogenannte Bindungsklausel an sich bindet. Zum Erstaunen der Ausschussmitglieder bleiben von den jährlich 18 Schülerinnen nur zwei bis vier pro Jahrgang in der städtischen Frauenklinik, der Rest wechselt in andere Häuser oder arbeitet freiberuflich.

Jan Steffen Jürgensen geht davon aus, dass dieses Mal wohl fünf Schülerinnen nach der Ausbildung bleiben werden, was einen Beitrag zur Entspannung der Lage bedeute. Grundsätzlich wird an der Hebammenschule am Katharinenhospital nicht nur für den Eigenbedarf ausgebildet, sondern auch zum Nutzen anderer. Die Hebammenschulen im Land werden mittels einer landesweiten Ausbildungsumlage finanziert. Es sei aber „legitim“, sagte Krankenhausbürgermeister Michael Föll (CDU), „dass der, der ausbildet, auch den eigenen Personalbedarf befriedigen will“. Auch wenn innerhalb der Landeshauptstadt sichergestellt sei, dass werdende Eltern ein Krankenhaus zur Geburt ihres Kindes fänden, müssten diese doch die Sicherheit haben, dass dies in der Klinik ihrer Wahl gewährleistet sei. Föll: „Hier besteht Handlungsbedarf.“

Kapazitäten wurden vor Jahren reduziert

Föll und der Personalratsvorsitzende Jürgen Lux erinnerten daran, dass das Klinikum seit Jahren seinen Ausbildungsbeitrag unverändert erbringe. „Um die Jahrtausendwende haben viele Schulen im Land ihre Kapazitäten zurückgefahren oder ganz zugemacht“, erklärte Lux. Der Stuttgarter Gemeinderat habe für den Erhalt der Schule vortiert, obwohl es damals noch keine Umlagefinanzierung gab wie heute. Zur angespannten Lage in der Geburtshilfe des Klinikums merkte der Personalvertreter kritisch an, vor 2015 habe man gar nicht viele Hebammenschülerinnen übernehmen können, weil keine Stellen frei waren. Die hohe Fluktuation sei erst aufgetreten, als mit der wachsenden Zahl der Geburten auch die Belastung der Mitarbeiter enorm gestiegen sei.

Als Beitrag zur Verbesserung der Lage will das Klinikum nun die Zahl der Ausbildungsplätze pro Jahrgang von bisher 18 auf 26 erhöhen, was bei der dreijährigen Hebammenausbildung ein Zuwachs von insgesamt 54 auf dann 78 Plätze bedeutet. Im Oktober soll es losgehen, dies soll beim Regierungspräsidium beantragt werden.

Eine neue Schule in Heilbronn eröffnet

Auch andernorts gehen Krankenhäuser diesen Weg. Es gebe seit dem Frühjahr neun statt bisher acht Hebammenschulen im Land, erklärt der Sprecher des Landessozialministeriums, Markus Jox. „Die SLK-Kliniken Heilbronn haben zum 2. Mai neu mit der Ausbildung von Hebammen begonnen.“ Die neue Schule hat 20 Plätze. Zwei bestehende Hebammenschulen, die am städtischen Klinikum Karlsruhe und am Universitätsklinikum Ulm, hätten schon im Vorjahr beziehungsweise dieses Jahr „begonnen, ihre Ausbildungsplatzkapazitäten zu erweitern“. Die Genehmigungen der zuständigen Regierungspräsidien lägen vor, so Jox.