Von Liebe zum Detail zeugt der gemütlich gedeckte Tisch in der "Backstub’".  Foto: Günther

Früher diente das spätmittelalterliche Spital als Armenhaus, Waisenhaus und als Herberge für Durchreisende. Heute ist es das Domizil von Dieter und Susanne Stahl, die das Gebäude aufwendig restauriert haben. Neben Ferienwohnungen gibt es dort nun eine gemütliche "Backstub’", wo im großen Holzbackofen gebacken oder mit mehr als 20 Personen gefeiert werden kann.

Dornstetten - Das Hauptgebäude des spätmittelalterlichen Dornstetter Spitals befand sich – gebaut auf die Stadtmauer – in der Silbergasse 38. Früher diente das große Gebäude als Armenhaus, Altersheim, Waisenhaus und vor allem auch als Herberge für Durchreisende. Letzteren Zweck erfüllt der Nachfolgebau auch heute wieder: Das mit enormem Aufwand und viel Liebe renovierte Gebäude ist nicht nur der neue Wohnsitz von Familie Stahl, sondern zugleich auch eine geschmackvolle und luxuriöse Herberge für Urlauber und Geschäftsreisende.

Alte Holztische aus dem "Engel" und die Bank vom ehemaligen Canapé

Ganz bewusst hat sich das Ehepaar Stahl vor einigen Jahren dazu entschlossen, seinen Altersruhesitz wieder ins "Unterstädtle" zu verlagern. Dort hatten die Eheleute einige Jahre im Haus am Marktplatz 3 gelebt, bevor sie neben ihrer Zimmerei in der Freudenstädter Straße 47 ein Eigenheim bezogen. Ein Glücksfall war es für sie, dass zeitgleich das leerstehende und renovierungsbedürftige alte Gebäude in der Silbergasse 38 von einer Erbengemeinschaft zum Verkauf angeboten wurde. Was hinzu kam: Dieter Stahl verfügte als Zimmermeister und ausgebildeter Restaurator über die notwendigen Fachkenntnisse, um die umfangreichen Renovierungsarbeiten anzugehen. Tatkräftig unterstützt wurde er bei dem ehrgeizigen Unterfangen von seiner Frau. Unter diesen positiven Vorzeichen gelang es den beiden vortrefflich, den Umbau behutsam an die schwierigen Gegebenheiten anzupassen. Das Resultat ist ein rundum renoviertes modernes Altstadthaus.

Aus dem ehemaligen Viehstall im Erdgeschoss entstand die gemütliche "Backstub’" – ein Ort, an dem sowohl im großen Holzbackofen gebacken als auch mit mehr als 20 Personen gefeiert werden kann. Auch die Einrichtung der heimeligen "Backstub’" ist bemerkenswert. Die alten Holztische etwa kommen aus dem Gasthaus Engel. "Dort standen sie auf der Bühne herum", verrät Susanne Stahl. Die große Bank befand sich zuvor im ehemaligen Bistro Canapé, eine zweite beheizbare Steinbank diente im ehemaligen Stall als Futtertrog, und die Stühle stammen noch aus der Aussteuer von Susanne Stahl. Sehenswert ist auch die weitere Ausstattung der "Backstub’", angefangen von Sammeltassen aus den 1960er-Jahren bis zur alten Waage vom ehemaligen Lombacher Dorfbäcker.

Liebe zum Detail

Liebe zum Detail und eine gekonnte Mischung aus altem und neuem Design zeichnen auch die vier Ferienwohnungen aus, die mit dem Fahrstuhl erreicht werden können. Sie sind allesamt im gehobenen Standard eingerichtet und verfügen neben Bad und Küche auch jeweils über einen eigenen Balkon mit schönem Ausblick Richtung Grabengärten. Bewusst wurde auch hier bei der Ausstattung Altes und Neues kombiniert. Die Lombacher Gastwirtstochter Susanne Stahl ist mit den Ferienwohnungen ganz in ihrem Element. Industriedesign paart sie gerne mit Nostalgie, wie zahlreiche Einrichtungsgegenstände belegen. Die Betten sind handgeschmiedet, im Gang lädt ein Bücherturm zum Schmökern ein, alte Öfen schaffen eine heimelige Atmosphäre.

Dieter Stahl gelang es, die strengen Bauauflagen am gesamten denkmalgeschützten Ensemble zu erfüllen. Sei es durch stilechte Holzfenster, durch die neue Fassade mit Schindeln aus heimischem Holz oder durch neu eingebaute alte Balken. Die an einigen Stellen offengelegten, teilweise 50 Zentimeter dicken alten Mauerwerke runden das Gesamtbild ab. Eine Konzeption, die viel Arbeit erforderte, wie Dieter Stahl berichtet: "Wir haben von Anfang einen ökologischen, biologischen Ausbau verwirklicht, ob bei der Heizung, die mit Strahlungswärme funktioniert, oder beim Ersetzen morscher durch neu zugekaufte alte Balken. Wichtig war uns zudem, die Einteilung der neuen Räume den vorhandenen Wänden anzupassen, lediglich das Treppenhaus mit dem großen Aufzug ist komplett neu." Das Ergebnis kann sich auf allen fünf Stockwerken sehen lassen.

Seit der Fertigstellung im Frühjahr 2019 war es aber aus bekannten Gründen nur wenige Wochen möglich, im Haus Feriengäste willkommen zu heißen. Für Susanne und Dieter Stahl hat die Pandemie – wegen fehlender Coronahilfen – nicht nur geschäftlich unliebsame Folgen. Denn privat hatten sich die beiden vorgenommen, endlich einmal zu reisen und Deutschland mit dem Camper zu erkunden.

Armenhaus, Altersheim, Waisenhaus und Herberge

Fast alle mittelalterlichen Städte besaßen ein Spital. Es war Armenhaus, Altersheim, Waisenhaus und Herberge zugleich. Früher führte die Lage Dornstettens an der viel genutzten Straße nach Tübingen sowie "als letzter Ort vor dem Walde" an der Verbindungsstraße Straßburg – Stuttgart dazu, dass viele Durchreisende in der alten Oberamtsstadt Unterkunft suchten.

Einigkeit herrscht heute unter den Historikern, dass sich im Jahr 1519 in Dornstetten in der damaligen Spitalgasse – heute etwa auf Höhe Silbergasse 24 – das Dornstetter Spital befand, das der heiligen Anna gewidmet war. Ein neues Spital wurde später in der Silbergasse 38 gebaut und fiel dem verheerenden Stadtbrand 1676 zum Opfer, ein drittes Spital befand sich etwas außerhalb der Stadtmauern auf Höhe des ehemaligen Gasthauses Krone.

Die lange Scheuer des Spitals stand bis 1832 im Viehgarten, am Ort der heutigen Turnhalle. Das früher kirchliche Spital ging 1534 in die bürgerliche Gemeinde über, die Zweckbestimmung für Vermögen und Einrichtung – Fürsorge und Herberge für arme Menschen und Kranke – blieb aber dieselbe.

Das Gebäude Silbergasse 38 wurde nach dem Stadtbrand als Doppelhaus aufgebaut, wobei die beiden Haushälften der Firstrichtung entlang geteilt waren. Links wurde eine Landwirtschaft betrieben, in der rechten Hälfte wohnte und wirkte bis vor wenigen Jahrzehnten der Dornstetter "Schiedenmacher".