Und los geht’s: Seit Montagmorgen rollen am "Roten Löwen" die Bagger.
Und los geht’s: Seit Montagmorgen rollen am "Roten Löwen" die Bagger. Nach viel Planung und Diskussion ist damit die praktische Umsetzung der Sanierung eingeläutet. Ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte des Gebäudes ist aufgeschlagen.
St. Georgen. Absperrbaken, Bauarbeiter und Baustellenfahrzeuge sieht man in den vergangenen Monaten und Jahren häufig rund um den "Roten Löwen". Auch der Kran, der seit vergangenen Freitag am Gebäude auf seinen Einsatz wartet, und das emsige Treiben rund um den "Roten Löwen" am Montag zeigen: Die Sanierung des geschichtsträchtigen Gebäudes hat begonnen. Hier wird die Zukunft des "Roten Löwen" gestaltet. Doch emsiges Treiben herrscht rund um das ehemalige Gasthaus nicht erst, seit dessen Sanierung angeregt, diskutiert, beschlossen und wieder diskutiert wurde. Denn die Spuren, die der "Rote Löwen" in der Geschichte St. Georgens hinterlassen hat, reichen weit zurück.
Die Geschichte des "Roten Löwen" ist viele hundert Jahre lang. 1533, schildert Heimatforscher Wolfdieter Gramlich, in einer kurzen Aufstellung der Geschichte des "Roten Löwen", ließ Johannes Kern, der damalige Abt des Benediktinerklosters St. Georgen, das Gasthaus bauen. 500 Gulden wurden dafür fällig, 150 weitere für eine Tanzlaube und eine Scheune neben dem "Würtzhaus zu Sant Jörgen im frongarten", das später als "Roter Löwen" die Jahrhunderte überdauern sollte. Erster Wirt wurde Gramlichs Nachforschungen zufolge ein Mann namens Simon Engelhör. Dessen Nachfolger, Hans Engelhör, beantragte im Jahr 1572, einen Keller bauen zu dürfen. So wollte er verhindern, dass an kalten Wintertagen der Wein gefriert.
Vorläufer des Rathauses
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts prägt vor allem der Status als Klosterbannwirtschaft die Geschichte des "Roten Löwen": Damit verbunden waren gewisse Vorrechte, welche die Gaststätte genoss. So mussten etwa alle Bewohner St. Georgens und der Umlandgemeinden jede Hochzeitsfeier, Taufe und weitere kirchlich bedeutsame Zeremonien im "Roten Löwen" abhalten. Zudem durften die Einheimischen ihr Fleisch ausschließlich in der Metzgerei der Bannwirtschaft kaufen. Wer sich nicht an diese Vorgabe hielt, dem winkten nicht nur Geld, sondern auch Gefängnisstrafen.
Doch nicht nur zu jedem feierlichen Anlass suchte man ehemals den "Roten Löwen" auf, wie aus Gramlichs historischer Zusammenstellung hervorgeht: "Der ›Rote Löwen‹ war über Jahrhunderte hinweg für die Bevölkerung eine wichtige Anlaufstelle und Treffpunkt, eine Art Vorläufer des Rathauses. So war es selbstverständlich alter Brauch, dass im alten Klostergasthaus ›Zum Roten Löwen‹ auch alle Veranstaltungen und Sitzungen der Zünfte des St. Georgener Klosteramtes stattfanden. So tagten die Weber- und Seilerzunft, die Bäckerzunft, die Schuhmacherzunft und die Schneiderzunft regelmäßig im ›Roten Löwen‹."
Mit den Jahren lockerte sich zwar die Gesetzeslage, was den Status des "Roten Löwens" als Bannwirtschaft anging. Doch immer wieder mussten St. Georgener Entschädigungen an den aktuellen Löwenwirt zahlen. Und der war in aller Regel bedacht darauf, seine althergebrachten Privilegien zu erhalten, wie eine Handschrift aus dem Jahr 1795 zeigt: Zwölf Jahre zuvor hatte man versucht, den Brauch, dass Fuhrleute, die den Zehnten bei der Klosterverwaltung ablieferten, den pro Wagen erhaltenen "Zehrpfenning" – dieser betrug damals 48 Kreuzer – lediglich im "Roten Löwen" einlösen konnten, abzuschaffen. Ohne Erfolg: Der damalige Wirt Joseph Baumann beharrte bei den Klosterverwaltern darauf, diese sogenannte "Zehrung" beizubehalten.
Gaststätte schließt 1921
Aufgehoben wurde das Bannrecht erst 1848. Mit ihm verschwanden auch die jahrhundertelangen Privilegien der Gastwirte des "Roten Löwen". Fortan konnten die St. Georgener selbst entscheiden, in welchem der mittlerweile sieben Gasthäuser sie ihre Feste feiern wollten. Für den damaligen Löwenwirt ein schwerer Schlag, denn die Veranstaltungen, die vorher allesamt im "Roten Löwen" stattfinden mussten, verteilten sich nun auf alle Wirtshäuser – mit entsprechenden finanziellen Folgen: "Nach der Aufhebung des Bannrechts ging des mit den ›Roten Löwen‹ bergab", berichtet Gramlich daher.
1865 folgte ein weiterer historischer Einschnitt: Bei einem großen Feuer brannten zahlreiche Gebäude im Ortskern bis auf die Grundmauern ab. Auch der "Rote Löwen" war unter ihnen. Zwar wurde das Gebäude nach dem Brand wieder errichtet, 1921 folgte aber die Schließung der traditionsreichen Gaststätte. Die mittlerweile seit geraumer Zeit herrschende Konkurrenzsituation hatte ihre Spuren hinterlassen.
Feuerwehr-Quartier
Seitdem erfuhr das Gebäude verschiedene Nutzungen: Von 1933 bis 1964 war in dem Gebäude etwa die St. Georgener Feuerwehr untergebracht, bevor diese in den 1960er-Jahren an den Spittelberg umzog. Danach gab es verschiedene Idee für die Nutzung, die aber mehrheitlich im Sande verliefen. Unter Alt-Bürgermeister Günther Lauffer wurde der "Rote Löwen" schließlich zum Treffpunkt verschiedener kultureller Gruppierungen.
Los geht’s am Anbau
Und in Zukunft? Soll der "Rote Löwen" ebenfalls zum Begegnungszentrum werden – nachdem er grundlegend saniert worden ist. Am Montag fiel eben dafür nun der Startschuss, wie Benjamin Hengstler, Leiter des städtischen Hochbauamts, im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet. Bereits im Verlauf der vergangenen Wochen waren eine Straßensperrung ausgeschildert und die Baustelle eingerichtet worden; seit Freitag steht ein Kran bereit.
Zunächst einmal, informiert Hengstler, rückt nun der geplante Anbau in den Fokus der Arbeiter. Für diesen wird derzeit die Baugrube ausgehoben, danach folgt das Fundament. Mit Ausnahme einiger kleinerer Arbeiten kann die Sanierung im Innern des "Roten Löwen" nämlich erst dann starten, wenn zumindest ein Teil des Anbaus steht, um das Bestandsgebäude zu stabilisieren, wenn etwa Zwischenwände und Decken entfernt werden. Der grobe Plan für den Ablauf der Arbeiten steht Hengstler zufolge. Die Feinabstimmung, in der auch geklärt wird, ob einige Arbeiten unter Umständen vorgezogen werden können oder sich verzögern, folgt nun parallel zur Umsetzung der Sanierung.
Gebäude bleibt ein Thema
Rund 5,2 Millionen Euro wird die Sanierung des "Roten Löwen" aktuellen Schätzungen zufolge in etwa kosten; etwa die Hälfte der Summe kann über Fördergelder finanziert werden. Nun haben die Arbeiten begonnen, für die auch ein Teil der Hermann-Papst-Straße, wo der Anbau des "Roten Löwen" entstehen soll, gesperrt ist. Bis März 2023 – so der Plan – bleibt diese bestehen. Und so wird der "Rote Löwen" inklusive seiner Sanierung die St. Georgener sicherlich auch in den kommenden Jahren noch beschäftigen.