Nach dem Gazakrieg beginne im Nahen Osten ein dauerhafter Frieden, sagt der US-Präsident. Schon bei der Friedenskonferenz zeichneten sich Probleme ab.
Die türkische Präsidentenmaschine war bereits im Landeanflug auf den Flughafen Scharm el-Scheich in Ägypten, als der Airbus 330 mit Staatschef Recep Tayyip Erdogan an Bord wieder hochzog. Erdogan hatte erfahren, dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an der Gaza-Friedenskonferenz mit US-Präsident Donald Trump in Scharm el-Scheich teilnehmen wollte. Der türkische Präsident lehnte es ab, sich mit Netanjahu an einen Tisch zu setzen, und drohte Trump und den ägyptischen Gastgebern damit, die Konferenz zu boykottieren und in die Türkei zurück zu fliegen, wie aus türkischen Regierungskreisen verlautete. Trump wies Netanjahu an, in Israel zu bleiben – und Erdogan landete.
Der US-Präsident präsentierte bei dem Treffen ein neues Bündnis für den Nahen Osten, konkrete Ergebnisse gab es jedoch nicht. Erdogans Boykottdrohung war in Scharm el-Scheich eines von mehreren Zeichen für Spannungen hinter den Kulissen.
In Scharm el-Scheich unterzeichnete Trump mit Erdogan und den Staatschefs von Katar und Ägypten ein Abkommen über die Bildung eines Quartetts der Garantiemächte für Gaza. Die vier Staaten verpflichteten sich in dem Text, sich für Frieden und Ausgleich im Nahen Osten einzusetzen. Probleme sollten künftig mit Diplomatie statt mit Waffengewalt gelöst werden. Palästinenser wie Israelis sollten in Frieden, Sicherheit und Stabilität leben können.
Schon vor der Konferenz in Ägypten hatte Trump im israelischen Parlament große Worte gewählt. Nach dem Gazakrieg beginne im Nahen Osten ein dauerhafter Frieden, sagte er. In Gaza sei nicht nur ein Krieg zu Ende gegangen, sondern „das Zeitalter von Terror und Tod“. Der Nahe Osten erlebe einen historischen Neuanfang.
Doch in der Praxis erlebte Donald Trumps Nahost-Koalition einen holprigen Start. Weder Israel noch die Hamas haben die von Trump vorgesehene Führungsrolle des Gaza-Quartetts bisher offiziell anerkannt. Das feindselige Verhältnis zwischen der Garantiemacht Türkei und Israel dürfte Vereinbarungen für die Zukunft von Gaza und der Hamas erschweren.
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan vergleicht Netanjahu mit Adolf Hitler und sieht die Hamas nicht als Terrorgruppe, sondern als Befreiungsorganisation. Ankara ist zur Entsendung von Soldaten für die geplante Gaza-Friedenstruppe bereit, doch Netanjahu will laut Medienberichten dort keine türkischen Truppen sehen.
Konferenz-Gastgeber Ägypten dringt auf eine Zwei-Staaten-Lösung, also die Gründung eines Palästinenser-Staates, der mit Israel friedlich koexistieren soll. Das sei der einzige Weg zu einem dauerhaften Frieden, sagte Staatschef Abdel Fattal el-Sisi bei dem Treffen in Scharm el-Scheich. Israel lehnt dieses Lösungsmodell jedoch strikt ab. Trump wich auf dem Heimflug nach Washington den Fragen von Reportern nach diesen Differenzen aus. „Wir werden sehen“, sagte er.
Das Treffen von Scharm el-Scheich brachte keine Fortschritte bei den schwierigen Problemen, die nach dem Inkrafttreten der Feuerpause in Gaza, der Freilassung der Geiseln und dem Beginn des israelischen Rückzuges gelöst werden müssen. Die Hamas werde entwaffnet, sagte Trump – aber er sagte nicht, wer das durchsetzen soll. Die Terrororganisation will ihre Waffen behalten.
Unbeantwortet blieb auch die Frage, wer nach dem Gazakrieg die öffentliche Ordnung in Gaza sichern soll. Die Hamas ist bereit, ihre Regierungsgewalt über die Enklave abzugeben, und Trumps Gaza-Quartett sagte in seiner gemeinsamen Erklärung zu, den 20-Punkte-Plan des US-Präsidenten umzusetzen. Der Plan sieht eine palästinensische Technokraten-Regierung unter Aufsicht eines „Friedensrats“ mit Trump und dem britischen Ex-Premier Tony Blair an der Spitze vor. Doch die vier Gaza-Garantiemächte sagten in Scharm el-Scheich nichts darüber, wann die neue Regierung stehen und wer ihr angehören soll. Auch Umfang und Mandat der Gaza-Friedenstruppe sind offen.
Ohne rasche Entscheidungen darüber wächst das Risiko, dass der Frieden in Gaza bröckelt. Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz drohte mit Konsequenzen, weil die Hamas bisher nur vier tote Geiseln übergeben habe – vereinbart ist die Rückgabe von 28. Die Hamas rief Trump auf, er solle weiter Druck auf Israel machen und Netanjahu an einer neuen „Aggression gegen unser Volk“ hindern.
In Gaza ist von einer Entmachtung der Hamas nichts zu sehen. Die Terrorgruppe schickt seit dem Beginn des israelischen Rückzuges ihre Kämpfer wieder auf die Straßen und liefert sich blutige Kämpfe mit anderen Milizen. In Israel wollen rechtsgerichtete Mitglieder von Netanjahus Regierung die Koalition stürzen, falls die Hamas weiterhin den Gazastreifen beherrscht und ihre Waffen behält. Für Trump und sein Quartett bleibt noch viel zu tun.