Die Gauselfinger Kirche hat keinen Namen. Dabei hat sie so eine bedeutungsvolle Geschichte. Foto: Rapthel-Kieser

Der Frauentreff der evangelischen Gemeinde Burladingen will in Gauselfingen Freitagsandachten etablieren. In einer namenlosen Schönheit mit bedeutungsvoller Geschichte.

 
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Als der Textilfabrikant Emmerich Mayer, auch Schwanen-Mayer genannt, dem die Fabrik Jercoma gehörte beim damaligen Vikar G. Amann den Bau einer evangelischen Kirche in Gauselfingen anregte, hatten der Vikar, Mayer und die Kirchengemeinde an alles gedacht – nur nicht an einen Namen für das kleine, schöne Gotteshaus.

Die Grundsteinlegung war am 12. Juni 1958. Und der Grund für den Bau war, dass die evangelische Kirchengemeinde aufgrund der Flüchtlinge damals stark gewachsen war. „Herr Vikar, wir bauen eine Kirche!“, hatte Mayer dem Vikar verkündet, und gleich einmal den Bauplatz am Waldrand in der Schulstraße und eine fünfstellige Summe als Grundstock gestiftet.

Das Vorbild steht im Kleinwalsertal

Der Architekt machte sich ans Werk. Die ersten Entwürfe mit rechteckigem Grundriss und Dachreiter gefielen dem Förderer aber nicht wirklich. Er fand, eine richtige Kirche müsse auch einen Turm haben – und so nahm man die kleine, runde Kirche in Hirschegg im Kleinwalsertal zum Vorbild. Der Turm wurde zum Vorbau und der Grundriss wurde oval.

Hinter dem Altar ist ein einziges, aber sehr hübsches buntes Glasfenster eingebaut. Das bunte Glas taucht den Innenraum der bis heute namenlos gebliebenen Kirche zu unterschiedlichen Tageszeiten immer in sehr stimmungsvolles Licht.

Das Fenster trägt den Titel „Der gute Hirte“. Auf dem Grundstein rechts des Altars steht ein Text aus dem Lukas-Evangelium Kapitel 12, Vers 32 geschrieben: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde“.

Und hier scheint sich, 65 Jahre nach dem Bau des Gauselfinger Gotteshauses die Geschichte zu wiederholen: Der Frauentreff der evangelischen Kirche rund um Kirchengemeinderats-Vorsitzende Vera Bender und Kirchengemeinderätin Christiane Grüner hat sich ein Jahr lang in bester Manier um die Ukrainerinnen gekümmert, die der Krieg, Flucht und Vertreibung in die Fehlastadt gespült hatte. Jetzt sind – quasi neben der namenlosen evangelischen Kirche in Gauselfingen – ukrainische Familien in die Notunterkunft eingezogen.

Der Kirchengemeinderat beschloss, in seinem Gotteshaus in Gauselfingen jeden Freitagabend ab 18 Uhr Andachten zu etablieren. Die Menschen sollten nach einer Arbeitswoche im Kirchenraum durch gemeinsames Singen, Lesungen und Bibelversen entspannt und mit guten Gedanken in das Wochenende starten.

Bekanntheit fängt mit einem Namen an

Und so war die erste Andacht am vergangenen Freitag von Bender und Grüner zwar hervorragend vorbereitet und sehr anrühend gestaltet, die Teilnahme aber war eher bescheiden. Lediglich die Ortsvorsteherin Silvia Roos und Bürgermeister Davide Licht hatten sich eingefunden. Sie hatten kurz zuvor die ersten Flüchtlinge begrüßt und willkommen geheißen.

„Das kleine Gotteshaus ist vielen Burladingern auch einfach nicht bekannt“, rätselte Vera Bender und räumte ein, dass die Ankündigung sehr kurzfristig war.

Bekanntheit aber, fängt ja mit einem Namen an. Und während das Kirchengebäude im Burladinger Stadtkern „Versöhnungskirche“ heißt, ist das hübsche, kleine Gotteshaus des so großzügigen Fabrikanten Mayer bis heute namenlos geblieben. Vielleicht ist es ja 65 Jahre nach dem Bau Zeit, ihm einen Namen zu geben?