Bundespräsident Joachim Gauck spricht am 07.11.2013 in Mannheim (Baden-Württemberg) vor der Neckarschule mit der baden-württembergischen Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD). Foto: dpa

Bei seinem Besuch in Mannheim hat Bundespräsident Joachim Gauck dazu aufgerufen, Schwierigkeiten mit der Zuwanderung aus Südosteuropa klar zu benennen. Er wünscht sich "mehr Sensibilität"  für das Thema von der Bundesregierung.

Hoher Besuch in Mannheim. Bundespräsident Joachim Gauck hat der baden-würrtembergischen Stadt am Donnerstag einen Besuch abgestattet, um sich selbst ein Bild über die Zuwanderung von Menschen aus Bulgarien und Rumänien und über die Situation von Sinti und Roma zu machen.

Mannheim - Bundespräsident Joachim Gauck hat zu einer differenzierten Debatte über Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien aufgerufen. Dabei gehe es auch um die Frage, ob Deutschland wieder in Zeiten alter Vorurteile zurückfalle, sagte er am Donnerstag beim Besuch einer Schule mit hohem Migrantenanteil in Mannheim.

Gauck rief zugleich dazu auf, Schwierigkeiten mit der Zuwanderung aus Südosteuropa klar zu benennen. „Wir helfen uns nicht, wenn wir so tun, als gäbe es keine Probleme“, sagte er. „Nur wenn wir so offen und klar sprechen, können wir auch mit denen hadern, kämpfen, sprechen und argumentieren, die Vorurteile befördern.“ Deutschland habe sich der Toleranz verschrieben. Der Bundespräsident betonte, er wolle einer neuen Bundesregierung keine Ratschläge geben, rechne aber mit einer neuen Sensibilität für das Thema im Parlament.

Gauck: Arbeitsverhältnisse von Zuwanderern oft ausbeuterisch

Gauck hatte die Reise nach Mannheim angetreten, um sich selbst ein Bild über die Zuwanderung von Menschen aus Bulgarien und Rumänien und über die Situation von Sinti und Roma zu machen. Mannheim ist eine der Städte, in die besonders viele Menschen aus Südosteuropa kommen. Nach aktuellen Angaben der Stadtverwaltung lebten zuletzt 6816 Menschen aus den beiden östlichen EU-Staaten hier - plus Dunkelziffer. Bundesweit waren es im vergangenen Jahr rund 324.000, ein Zuwachs um mehr als ein Viertel innerhalb eines Jahres. Oft fliehen die Menschen vor bitterer Armut in ihren Heimatländern. „Ich bin hierhergekommen, weil Sie mit Zuwanderung aus Südosteuropa, und hier speziell von Roma-Familien, ein ganz besonderes Problem haben“, sagte Gauck zu Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD).

In Mannheim lerne er die Schwierigkeiten als gestaltbare Probleme kennen - „nicht als Probleme, die uns überwältigen“. Vertreter der Stadtteilarbeit kritisierten, dass Gauck keine direkten Gespräche mit Neuzuwanderern geführt habe. Der Stadt zufolge kommen die Migrantenkinder aus Südosteuropa häufig mitten im Schuljahr, sprechen kaum Deutsch und liegen mit ihrem Wissensstand um Jahre zurück. Auch fehle den Familien das Geld für Schulmaterialien. Teilweise seien für die Verständigung mit den Eltern Dolmetscher nötig. Die Stadt zahle stark betroffenen Schulen daher pro bulgarischem oder rumänischem Kind pauschal 300 Euro. Rumänen und Bulgaren sind zwar EU-Bürger, für sie gilt aber bis zum 1. Januar 2014 noch die eingeschränkte Freizügigkeit. Deshalb müssen sie eine Genehmigung beantragen, bevor sie eine Arbeit aufnehmen. Ausnahmen bilden Hochschulabsolventen und Auszubildende.

Zum Teil landeten die Zuwanderer in Arbeitsverhältnissen, „die wir schlicht und einfach nur als Ausbeutung bezeichnen dürfen“, kritisierte Gauck. Einige Menschen machten mit der Not der Zuwanderer große Geschäfte. Als Beispiel nannte Gauck Vermieter, „die sich nicht scheuen, in einen kleinen Raum ein Dutzend oder mehr Matratzen zu legen und dann kräftig abzukassieren“. „Und das passiert inmitten eines Landes, das klare rechtliche Strukturen und eine wache Zivilgesellschaft hat.“