Arbeiten an einer Erdgas-Fernleitung (hier in Niedersachsen). Durch ähnliche Leitungen strömt Gas aus Sibirien bis nach Baden-Württemberg. Foto: dapd

Pläne der Bundesnetzagentur zur Energiesicherheit könnten für Kunden teuer werden.

Vergangenen Winter bewegte sich die Strom- und Gasversorgung in Baden-Württemberg nahe am Kollaps. Nächsten Winter soll es besser werden, sagt der Gasmanager Thomas Gößmann vom Netzbetreiber Terranets.

Herr Gößmann, das deutsche Gasnetz ist weltweit eines der zuverlässigsten. Dennoch stand es mit der Gasversorgung im Winter Spitz auf Knopf. Im Februar war so wenig Gas da, dass sogar Kraftwerke abgeschaltet werden mussten. Was lief falsch?
Das war eine absolute Ausnahmesituation. Die Aussage, dass zu wenig Gas da war, muss man allerdings relativieren. Die Gasnachfrage war im vergangenen Februar extrem. Damals haben wir als größter Gasnetzbetreiber in Baden-Württemberg so viel Gas an Kunden abgegeben wie noch nie. Wir waren mit unseren Kapazitäten wirklich am Limit. Von daher muss man sagen, dass der Bedarf damals einfach sehr hoch war.

Was waren die Gründe für die Ausnahmesituation?
Wir hatten über mehr als zwei Wochen eine extreme Kältewelle, wie wir sie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen haben. Und die Wettersituation bestand nicht nur in Baden-Württemberg und Deutschland, sondern mit Italien und seinen Nachbarländern war auch Südeuropa betroffen. Das hat den Gasverbrauch stark angeheizt.

Aber aus Russland kam auch zu wenig Gas!
Weil die Kältewelle auch Osteuropa erfasst hatte, stiegen auch dort die Verbräuche, und an dem für die Versorgung Süddeutschlands zentralen Knotenpunkt Waidhaus kam weniger Gas als normal an. Letztendlich hat die Gaswirtschaft es aber geschafft, das Gas in ausreichenden Mengen zu den Kunden zu bekommen.

Sie machen Witze? In Baden-Württemberg wurde die Versorgung von Firmenkunden gedrosselt, um das System zu stabilisieren. Stadtwerke riefen die Bürger auf, die Raumtemperatur zu senken.
Die Terranets BW als Verantwortliche für das baden-württembergische Gasfernleitungsnetz – also quasi die Autobahnen des Gastransports – hat in der Zeit alle Verträge eingehalten und ihre Kunden voll beliefert. Das Problem tauchte dann in den nachgelagerten Netzgebieten, also in den engmaschigeren Gas-Verteilnetzen, auf. Das betrifft demnach Stadtwerke, die eigene Netze betreiben, an denen auch kleinere Firmen und Haushalte angeschlossen sind. Hier wurden die vereinbarten Bestellungen zum Teil drastisch um über 30 Prozent überzogen. Und wir haben technisch keine Möglichkeiten, den Gasbezug auf die festgelegten Mengen zu begrenzen. Insofern ist das für uns ein Stück weit nicht kalkulierbar. Die Mengen, die wir benötigten, kannten wir schlicht nicht genau.

Der Schwarze Peter liegt also bei den Stadtwerken. Sie müssen ihre Hausaufgaben besser machen und klar prognostizieren, wie viel Energie sie tatsächlich brauchen?
So würde ich das nicht sagen. Auch die Stadtwerke haben mit einer absoluten Ausnahmesituation gekämpft. Aber insgesamt muss das Management der Mengen hier sicher besser werden, zum Beispiel durch verstärkten Abschluss von unterbrechbaren Verträgen oder die (Wieder-)Inbetriebnahme von Speicheranlagen.

Verschärft wurde die Lage, weil zu wenige Speicher zur Verfügung standen. Sicherheitspuffer waren also nicht vorhanden?
Die Speicherkapazitäten sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Früher hatten die meisten Stadtwerke eigene Gasspeicher, in denen sie Brennstoff für extreme Wetterlagen zwischenlagern konnten. Seit die Bundesnetzagentur den Unternehmen die Kosten zum Betrieb der Speicher aber nicht mehr erstattet, werden die Anlagen im ganzen Land nach und nach demontiert. Neubau findet nicht statt. Das lohnt sich schlicht nicht mehr. Dadurch sinken zwar die Kosten für den Netzbetrieb, aber für Extremsituationen fehlen dann die entsprechenden Kapazitäten. Das Gassystem wird insofern einfacher, aber auch anfälliger.

„Die Lage im Februar war für die gesamte Energiebranche ein Weckruf“


Der nächste Winter kommt sicher, und vielleicht wird er auch wieder extrem kalt. Wie sorgen Sie vor?
Die Lage im Februar war für die gesamte Energiebranche ein Weckruf. Seit Monaten laufen Gespräche in den verschiedensten Richtungen. Beim Speicherthema läuft eine intensive Diskussion mit der Landesregierung, die hier unter Umständen Mittel zuschießen muss. Außerdem soll sichergestellt werden, dass Gaskraftwerke, die für die Produktion von Strom in Deutschland eine Schlüsselfunktion haben, nicht einfach abgestellt werden können, wenn zu wenig Gas da ist. Bisher war das so vorgesehen und im letzten Winter auch geschehen. Das hat dann die Stromversorgung zusätzlich belastet.

Muss nicht einfach mehr Gas da sein?
Wir sind gerade dabei, über zusätzliche Gastransportkapazitäten zu verhandeln. Da sieht es im Moment gut aus. Parallel treiben wir den Netzausbau voran. Über eine Leitung durch den Nordschwarzwald soll in Zukunft mehr Gas aus der Karlsruher Region nach Württemberg und in den Großraum Stuttgart fließen. Ab 2015 könnte diese Leitung betriebsbereit sein.

Ist Deutschland zu abhängig von Russland?
Russland hat seine Verpflichtungen im Grunde immer eingehalten. Selbst während der Ukrainekrise 2009 ist es gelungen, die Lage stabil zu halten. Auch diesen Winter standen die georderten Mengen eigentlich zur Verfügung, nur eben nicht bei uns im Süden.

In der Februarkrise 2012 wussten die Stromnetzbetreiber nicht, dass sich beim Gas eine brenzlige Situation anbahnte und umgekehrt. Das führte zu Problemen. Wie wird die Kommunikation in Zukunft verbessert?
Früher war es schlicht nicht nötig, Strom und Gas zusammenzudenken. Aus Atom- und Kohlekraftwerken war dauerhaft genügend Strom verfügbar. Heute müssen Gaskraftwerke aushelfen. Die hohe Bedeutung, die Gaskraftwerke heute für die Stabilität des gesamten Energiesystems besitzen, ist insofern etwas Neues. Und deswegen ist es besonders wichtig, beim Bau neuer Gaskraftwerke weiterzukommen. Vor allem hier im Südwesten.

Im Moment werden aber keine neuen Meiler gebaut, sondern die Energieversorger wollen die Kraftwerke eher einmotten, oder?
Da haben wir in der Tat einen Konflikt. Im Moment erwägt die Bundesnetzagentur, den Weiterbetrieb von systemrelevanten Kraftwerken zu bezahlen. Im Gegenzug würden sich die Betreiber verpflichten, die Kraftwerke am Netz zu lassen, auch wenn sie nicht mehr kostendeckend arbeiten. Damit wäre Versorgungssicherheit garantiert.

Auf die Stromverbraucher kämen dann aber Kosten zu, weil dann ja der Bund für den Betrieb eigentlich unwirtschaftlicher Kraftwerke bezahlt?
Davon gehe ich aus. Kosten für die Systemstabilität zahlt der Verbraucher mit.

Wie beurteilen Sie abschließend die Sicherheit der Gasversorgung im nächsten Winter?
Es ist wenig wahrscheinlich, dass eine ähnlich harte europaweite Kälteperiode wie im Februar 2012 noch einmal kommt. Wenn sie doch eintritt, sind wir besser vorbereitet. Die Situation wäre im kommenden Winter deutlich besser beherrschbar.