Umstrittene Technik zur Gasförderung aus der Erdkruste Foto: dpa

Mit Erklär-Grafik zu Fracking - Am heutigen Donnerstag treffen sich Kanzleramtsminister Altmaier und Umweltministerin Hendricks zu einem klärenden Gespräch. CDU-Wirtschaftspolitiker sind gegen ein Fracking-Totalverbot auf alle Zeit.

Berlin/Stuttgart - Eigentlich schien doch längst alles klar. Schon Anfang Juli hatten sich Umweltministerin Barbara Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) auf Eckpunkte eines Gesetzes zum sogenannten Fracking verständigt.

 

Fracking – das ist eine Methode zur Erdgasförderung, bei der im Boden gebundenes Erdgas mittels einer Mischung aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck herausgepresst wird. Das konventionelle Fracking in sehr tiefen Gesteinsschichten wird in Deutschland schon lange eingesetzt – vor allem in Niedersachsen. Die Förderzinsabgabe bringt dem Land allein in diesem Jahr 450 Millionen Euro ein, von denen nach Länderfinanzausgleich immerhin 54 Millionen im Landesetat verbleiben. Hoch umstritten ist eine moderne Variante des Frackings, die mittels Querbohrungen relativ dicht unter der Erdoberfläche zur Förderung von Schiefergas betrieben wird, wobei bislang toxische Chemikalien zum Einsatz kommen.

Das Eckpunkte-Papier der Ministerien schrieb im Prinzip drei Grundsätze fest. Erstens: Das unkonventionelle Fracking aus Schiefer- und Kohleflözgestein oberhalb von 3000 Metern wird verboten. Unter strengen Voraussetzungen sind aber Erprobungen zur Erforschung von Umweltauswirkungen möglich. Die Angemessenheit des Verbots soll 2021 auf der Grundlage des bis dahin erlangten Stands von Wissenschaft und Technik vom Gesetzgeber überprüft werden. Zweitens: Das konventionelle Fracking bleibt erlaubt. Drittens: Jede Form von Fracking in Wasserschutzgebieten, Einzugsbereichen von Talsperren und Seen, die der Trinkwassergewinnung dienen, werden untersagt. Das gilt auch für Naturschutzgebiete. Das Verbot kann auch auf Trinkwasser-Gewinnungsgebiete ausgeweitet werden.

Eigentlich schien damit ein langer Streit beendet, denn bereits die Vorgängerregierung hatte sich vergeblich um eine Regelung bemüht. Nun, da die Eckpunkte als Referentenentwurf in Gesetzesform gebracht worden sind und in die Ressortabstimmung gehen sollten, kommt aber Sand ins Getriebe. „Der Vorgang liegt im Kanzleramt“, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums unserer Zeitung. Zur Verblüffung der beiden in der Sache federführenden Ministerien hat Kanzleramtsminister Peter Altmaier Gesprächsbedarf angemeldet. „Uns ist nicht bekannt, warum“, heißt es lakonisch im Umweltministerium.

Der Vorgang hat in den Regierungsfraktionen für viel Bewegung gesorgt. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Vogt schrieb einen empörten Brief an Altmaier. Die Ex-Chefin der Südwest-SPD fürchtet, Altmaier könnte sich für „Aufweichungen“ einsetzen. Vogt appelliert in ihrem Schreiben an Altmaier: „Setzen Sie – analog zur Atomkraft – nicht auf die falsche Technologie!“ Fracking sei „keine Zukunftsoption“, die Gefahren wögen „schwerer als die möglichen Chancen“.

Tatsächlich sind auch manchem in der Union die Motive für die Grätsche Altmaiers unklar. Man darf vermuten, dass sich das Kanzleramt von den beiden SPD-Ressorts in der Meinungsbildung nicht eingebunden fühlt. Nach dieser Variante wäre Altmaier vor allem wegen Formfragen verärgert. Allerdings scheinen auch sachliche Gründe plötzlich wieder strittig zu sein. Vogt mutmaßt in ihrem Brief, dass es „um die Befristung des Gesetzes, die 3000-Meter-Grenze und den Umfang der erlaubten Forschungsarbeiten geht“.

Tatsächlich sind das genau die Vorhaben, die bei den Wirtschaftspolitikern der Unionsfraktion auf Kritik stoßen. So hält Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, die 3000-Meter-Grenze für „fachlich nicht nachvollziehbar“. Sollte ein Verbot des Frackings bis 3000 Meter, gar unbefristet, festgeschrieben werden, fürchtet er, „dass sich die Unternehmen aus Deutschland zurückziehen, weil ihnen dann die wirtschaftliche Perspektive fehlt“. Er möchte auch, dass das Gesetz nicht nur Probebohrungen für das unkonventionelle Fracking unter strenger wissenschaftlicher Aufsicht ermöglicht, diese müssten auch für die gezielte Aufsuchung von Schiefergasvorkommen möglich sein. Im Übrigen sind ihm auch die Ausschlussgebiete für das längst betriebene konventionelle Fracking zu weit gefasst.

Aber die politische Gemengelage ist in der Union nicht einheitlich. Die Südwest-CDU hatte sich intensiv dafür eingesetzt, die Ausschlussgebiete so weit zu fassen, dass etwa der gesamte Bodensee-Raum ausgenommen bleibt. Deshalb können die meisten Unionsabgeordneten aus dem Südwesten auch mit den Eckpunkten gut leben.

„Wir haben den Schutz der Einzugsgebiete von Trinkwasser-Seen durchgesetzt, und darauf bestehen wir“, sagte Thomas Strobl, Chef der Südwest-CDU, unserer Zeitung. Die Forschung solle „nicht verboten werden“, aber Risiken müssten ausgeschlossen werden. „Deshalb kommt Fracking mit toxischen Substanzen nicht infrage“, sagte Strobl. Die Sache ist also doch wieder unübersichtlicher geworden. Nach Informationen unserer Zeitung treffen sich heute Kanzleramtsminister Peter Altmaier und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zu einem klärenden Gespräch.