Freuen sich über das Stadtgemüse, das am Balinger Bahnhof wächst (von links):Peter Seifert, Jörg Brobeil und Annette Stoll-Zeitler. Foto: Bossenmaier

Am Balinger Bahnhof heißt das Stadtgemüse die (Gartenschau-)Gäste willkommen.

Wer in Balingen aus dem Zug steigt, käme nicht auf die Idee, dass neben dem Bahnhofsgebäude einst eine Ruine stand: Nichts erinnert mehr an die ehemalige zerfallene Gaststätte, die vor gut einem halben Jahr abgerissen wurde. Stattdessen: üppiges Grün unter strahlend blauem Himmel.

 

Mit der Gartenschau hielt das „Stadtgemüse“ Einzug, seitdem begrüßen Rucola, To-maten, Zwiebeln und Co. die Besucher. Ein ungewöhnlicher Anblick, der nicht nur die Gartenschaugäste begeistert. „Wo ist denn der Mangold …?“ Suchend umrundet Annette Stoll-Zeitler, Leiterin des Fachbereichs Ausstellung und Betrieb bei der Gartenschau, eines der Hochbeete. In allen wächst und gedeiht es inzwischen prächtig – höchste Zeit, die kleinen Täfelchen mit den Bezeichnungen der Gemüsesorten in die Erde zu stecken.

Lauch und Zucchini

Einen ganzen Strauß davon hat Stoll-Zeitler mitgebracht, für Lauch und Zucchini, Brokkoli, Sellerie, Weißkohl, Snackpaprika und Kräuter … und eben für den Mangold, eine Gemüsesorte, die nicht jeder Passant auf Anhieb erkennen dürfte. Auch das ist ein Grund dafür, dass am Bahnhof und damit mitten in der Stadt jetzt Nutzpflanzen wachsen: Das Stadtgemüse soll nicht nur Geschmack auf mehr geben, sondern auch gute Ernährung zum Thema machen und zeigen: Wie wächst Gemüse eigentlich?

Das Konzept geht auf. „Leute laufen mit leuchtenden Augen vorbei, gucken, was es gibt, zupfen mal ein Blättchen ab und probieren.“ Immer wieder kämen Familien vorbei, und die Eltern zeigten und erklärten den Kindern die verschiedenen Sorten.

Interessant für Familien

Für Annette Stoll-Zeitler, unter deren Federführung der Ausstellungsbeitrag entstand, ist das Projekt eine Herzensangelegenheit, ihre Familie führt in der siebten Generation einen Gärtnerbetrieb in Frankfurt. Für das Stadtgemüse hat sie Unterstützung aus der Region ins Boot geholt: Entwickelt und gestaltet hat den Garten am Bahnhof die Geislinger Gärtnerei Brobeil mit ihren Auszubildenden. Auch für die Profis war das Gärtnern im städtischen Raum – Urban Gardening genannt – eine neue Erfahrung. „Dieses Projekt war sehr interessant“, schildert Inhaber Jörg Brobeil. „Welche Sorten wählen wir aus? Was kommt wohin? Das war schon spannend, bis alles seinen Platz gefunden hatte.“ Auch die Frage, ob der stark frequentierte Standort am Bahnhof funktionieren würde, trieb den Kreisgärtnermeister zunächst um.

Alles wächst und gedeiht

Wie sich zeigte, war die Sorge unbegründet: „Alles wächst und gedeiht wunderbar und unbeschadet, nur der erste Hagel hat ein paar Spuren hinterlassen.“ Dass sich das Stadtgemüse so gut entwickelt, ist auch dem Einsatz von Peter Seifert zu verdanken. Der Hotelier und Gastronom, der im Bahnhof das Café La Gare betreibt, setzt auf nachhaltiges Wirtschaften und bezieht einen Teil seines Gemüses aus dem nächsten Umfeld. Vor der Cafétür erntet er nicht nur das Stadtgemüse, um es seinen Gästen unter dem Motto „Vom Beet auf den Teller“ zu servieren, er unterstützt das Gärtnerteam auch bei der Pflege der Beete, etwa bei der Bewässerung. Geduldig zeigt und erklärt Seifert die Sorten, gerne auch per Pflanzen-App. Und weil das eine noch gedeiht, während anderes schon geerntet wurde, ist regelmäßig Neues zu entdecken.

Bohnenpflanzen ranken sich in die Höhe

Interessant ist nicht nur, was aus der Erde sprießt. Hinter der Gestaltung des Garten-schaubeitrags steckt Geschichte, denn die Anordnung der Hochbeete, zur Verfügung gestellt vom Gartenbauverband Baden-Württemberg-Hessen, ist keineswegs zufällig. Die rechteckige Form lehnt sich an das Gebäude an, das hier stand, und das Gerüst aus Bohnenstangen – entworfen und geschweißt hat es Jörg Brobeil – bildet die Hauswände der ehemaligen Bahnhofsgaststätte nach. Die Bohnenpflanzen ranken daran empor; in wenigen Wochen werden die Metallstreben überwachsen sein und ein schattiges Dach bilden. Als grüner Raum wird das Areal die Aufenthaltsqualität dann noch einmal erhöhen – bereits jetzt stehen pinke Stühle zwischen den Beeten bereit. Platz nehmen und genießen kann jeder, der möchte: Das Stadtgemüse ist zwar ein Ausstellungsbeitrag der Gartenschau, befindet sich aber außerhalb des Geländes und ist damit frei zugänglich.