Erzieherinnen für die Ganztagesbetreuung zu finden, wird zunehmend schwierig. Foto: gpointstudio – stock.adobe.com

Die Kindertageseinrichtungen in Calw haben ein Problem: Personalmangel. Das wurde auch in der Sitzung des Kultur- und Bildungsausschuss (KBA) deutlich. Aus diesem Grund bleibt die Ganztagesbetreuung bis auf Weiteres bei 45 statt 50 Stunden. Ein Hilfeschrei, wie es Thomas Seifert, Leiter der Abteilung Bildung bei der Stadt Calw, ausdrückte.

Calw - Neu ist es nicht, besser geworden aber auch nicht – das "dauerhafte Personalproblem" (Zitat Oberbürgermeister Florian Kling) bei der Ganztagesbetreuung in den Kindertagesstätten in Calw. Dabei gebe sich die Stadtverwaltung laut eigenen Aussagen größte Mühe, neue Mitarbeiter zu finden. Beispielsweise durch eine Stellenoffensive, also neu gestaltete Ausschreibungen, Nachwuchswerbung und "intensive Betreuung der Bewerberinnen", wie es in der Sitzungsvorlage heißt.

Flammende Rede des Abteilungsleiters

Außerdem wurde eine Umfrage unter den Erzieherinnen gestartet, um Verbesserungsbedarf aufzudecken. Das Ergebnis: Prinzipiell scheinen die vorhandenen Mitarbeiter der Kindertageseinrichtungen zufrieden zu sein. Lediglich räumliche Verbesserungen sowie die Personalausstattung wurden teils angemahnt, ist der Vorlage weiter zu entnehmen.

Ersteres soll durch laufende Sanierungsarbeiten gelöst werden. Beispielsweise im Kindergarten im Zwinger, der derzeit saniert wird.

Für das Personalthema allerdings sieht die Verwaltung nur noch einen Lösungsweg: Die Ganztagesebetreuungszeit muss bis auf Weiteres auf 45 Wochenstunden begrenzt bleiben, statt der eigentlich veranschlagten 50 Wochenstunden. Das soll zum einen das vorhandene Personal entlasten und zum anderen für mehr Verlässlichkeit bei den Eltern sorgen. 50 Stunden könne man derzeit nicht aufrechterhalten, betonte Isabel Götz, Fachbereichsleiterin Bildung, Kultur und Tourismus in der KBA-Sitzung. Dann lieber 45 Stunden und die zuverlässig. Auch dem Personal zuliebe, das zunehmend an seine Grenzen gerät, wie Seifert später in einer flammenden Rede darstellen sollte.

Dabei haben 14 von 19 Einrichtungen keine Probleme, zeigte Marion Buck, Fachbereichsleiterin Steuerung und Service auf. Die verbliebenden fünf dafür aber umso mehr. So seien beispielsweise im Kinderhaus Stammheim im Umfang von etwa 2,4 Vollzeitstellen, im Kinderhaus Heumaden von gar 3,75 Vollzeitstellen. Grundsätzlich sei vor allem die Krankheitsvertretung ein Problem, meinte sie. Verschärft noch durch die Pandemie, da die Erzieherinnen nicht mehr so einfach von einer Gruppe in die nächste wechseln konnten.

Kurzum: Bei allen Bemühungen sei es eine "Herkulesaufgabe", die Ganztagesbetreuung zu stemmen. "Wir bleiben dran", versprach Buck. Derzeit sei es aber nicht möglich, eine 50-Stunden-Betreuung anzubieten.

Stellenoffensive nicht wahrnehmbar?

Siegrid Bantel (Freie Wähler) stieß das bitter auf. Gerade Eltern, die im Krankenhaus arbeiten oder in einer der vielen Seniorenpflegeeinrichtungen seien aufgrund ihrer Arbeitszeiten unter Umständen auf die 50-Stunden-Betreuung angewiesen. OB Kling hingegen befand es als arbeitnehmerfreundlicher, Stabilität bei 45 Stunden zu schaffen, anstatt bei einer 50-Stunden-Betreuung ständig Ausfälle vermelden zu müssen.

Der Bedarf von Eltern für die 50 Stunden sei jedenfalls da, hielten die Verantwortlichen fest, nachdem dies einige Räte nachgefragt hatten. Was wiederum Sabine Ekenja (FW) kritisch sieht – mit Blick auf das Wohl der Kinder. Ihrer Ansicht nach seien 45 Stunden ausreichend. Zur Überbrückung könne man zur Not Tagesmütter einsetzen oder sich mit anderen Eltern zusammentun, schlug sie vor. Dafür erntete sie Zustimmung von Teilen des Gremiums.

Oliver Höfle (Gemeinsam für Calw) äußerte Kritik an der Stellenoffensive. "Ich nehme sie nicht richtig wahr", bemängelte er. Vor allem im Bereich Social Media müsse mehr gemacht werden, betonte er.

Durch die aufbrandende Diskussion fühlte sich Seifert dazu bewogen, sich von seinem Zuschauerplatz zu erheben, um seine Sicht der Dinge zu schildern. Schließlich ist er der Hauptverantwortliche in Sachen Kinderbetreuung. Seit einem Jahr unternehme man Gedankenspiele, plane und tue, um Lösungen für das Personalproblem zu finden. Ohne nennenswerten Erfolg. "Die Kollegen können nicht mehr", so seine bittere Erkenntnis. Entsprechend sei die Reduzierung auf 45 Stunden ein Puffer, damit die Kollegen am Ball bleiben. Das nämlich sei mindestens genauso wichtig, wie neue Mitarbeiter zu gewinnen.

"Das kriegen wir alles hin, wenn wir miteinander reden."

Dass dies so schwierig ist, sei aber keineswegs ein "Calw-Problem", unterstrich Seifert. Vielmehr wollen viele in Teilzeit arbeiten oder – gerade junge Frauen – Leitungspositionen übernehmen. Die seien aber schnell besetzt.

Seifert sprach beim Thema Ganztagesbetreuung von einer regelrechten "Zerrissenheit". "Wir versuchen permanent, dem Bedarf gerecht zu werden", meinte er. "Aber irgendwann ist’s halt aus und dann gehts nicht mehr weiter", brachte er es auf den Punkt.

Die leidenschaftlich vorgetragenen Ausführungen Seiferts schienen die Räte derart beeindruckt zu haben, dass im Anschluss alle einlenkten. Während Irmhild Mannsfeld bei dem 45-Stunden-Modell von einer "guten Kompromisslösung" sprach, stellte Ekenja fest: "Wenns keine Leute hat, hats halt keine Leute. Dann geht es nicht anders." Auch Höfle, der zuvor Kritik geäußert hatte, zeigte sich versöhnlich: "Das kriegen wir alles hin, wenn wir miteinander reden."