Pikant: Am Tag nach den Kompensationsforderungen der Industrie für die Gäubahn-Abbindung treffen sich IHK-Präsidentin Claudia Gläser, Bundesschienenbeauftragter Michael Theurer und IG Gäubahn-Vize Rosenberger in Horb
Alle träumen von der künstlichen Intelligenz. Das Gäubahn-Chaos scheint zu zeigen: Die natürliche Intelligenz schafft es wohl nicht, das Problem zu lösen, oder?
Freitag, 9 Uhr. KI-Unternehmerfrühstück im Digital Hub. Einen Tag, nachdem die Wirtschaft aus der Schweiz und dem Ländle (250 000 Unternehmen, 1 Mio. Beschäftigte) Gegenleistungen für die Abbindung der Gäubahn gefordert haben. Klar, dass Claudia Gläser, IHK-Präsidentin Nordschwarzwald, eifrig mit Michael Theurer (FDP), Bundesbeauftragter Schienen, und Peter Rosenberger, Vize-Vorstand der IG Gäubahn, diskutiert.
Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Funktioniert der Güterverkehr trotz Stuttgart 21?
Theurer: Der Güterverkehr auf der Gäubahn ist durch das Projekt Stuttgart 21 meiner Kenntnis nach nicht gefährdet, da die Güterverkehr-Umleitungen über die Renkbachbah bis Kornwestheim oder mit Diesel-Vorspann über Tübingen realisiert werden können. Insofern kann ich diesen Vorwurf des Wirtschaftsbündnisses nicht nachvollziehen.Die jetzigen Sperrungen sind nur kurzfristig.
Das Wirtschaftsbündnis beklagt, dass durch die Kappung der Gäubahn auch seine Beschäftigten abgehängt werden.
Theurer: Ich kann darauf verweisen, dass S 21 von den Projektpartnern, also Land, Region, Stadt Stuttgart, Flughafen und der Bahn, getragen wird. Die mit der Abbindung zusammenhängenden Fragen sind Gegenstand eines Gerichtsverfahrens. Das richtet sich gegen die Projektpartner und muss abgewartet werden.
Die Schweiz traut – so das Wirtschaftsbündnis – der deutschen Bahnpolitik nichts mehr zu. Stimmt das?
Theurer: Der Eindruck, der da in der Öffentlichkeit entsteht, ist falsch. Die Schweizer Bundesregierung und die SBB führen ähnliche Sanierungsmaßnahmen durch wie wir. Die Schweizer sind in engem Austausch mit uns. Wir haben die Korridorsanierung auf den Hochleistungsstrecken eng mit der Schweiz abgestimmt.
Inzwischen wird befürchtet, dass die Abbindung der Gäubahn sogar 20 Jahre dauert, weil der Pfaffensteigtunnel nicht fertig wird.
Theurer: Er ist Modellprojekt für beschleunigtes Bauen. Ich rechne damit, dass Ende des Jahres die Planungsstufen 1 und 2 abgeschlossen werden können. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass der Pfaffensteigtunnel nicht in 20 Jahren realisiert werden kann, sondern in der Hälfte der Zeit.
Ist überhaupt Geld da, wo Finanzminister Lindner jetzt Einsparungen umsetzen will?
Theurer: Wir brauchen immense Finanzmittel und Baukapazitäten für die Generalsanierung der Bahnstrecken, die im Moment nicht zur Verfügung stehen. Ich bin zuversichtlich, dass es trotz der jetzt anstehenden Haushaltskonsolidierungs-Maßnahmen gelingt, die Mittel für die Bahn in den nächsten Jahren signifikant und stufenweise zu erhöhen.
Ist es gut für die IG Gäubahn, dass das Wirtschaftsbündnis jetzt Alarm schlägt?
Peter Rosenberger, Vize-Vorstand der IG Gäubahn: Dass die Industrie sich jetzt auch verbal äußert, begrüßen wir. Das sind Argumente, die unsere unterstützen. Es ist gut, wenn das Thema Gäubahn so breit diskutiert wird – dann ist es in den Köpfen. Das zeigt, das gerade hier viele gerade sehr sensibel sind!
Ende des Monats will die IG Gäubahn die Gutachten zum Check des „Fakten-Schummels“ vorstellen. Wie ist die Tendenz?
Rosenberger: Die Gutachten sind noch nicht fertig, deshalb gibt es auch noch keine Tendenz. Wir glauben auch nicht, dass wir es schaffen, noch vor der Sommerpause die Verbandsversammlung mit der Vorstellung der Gutachten durchzuführen. Das wird wohl eher nach der Sommerpause werden.
Wie steht es um die S-Bahn Verlängerung bis Horb oder weiter?
Rosenberger: Mein Ziel ist, die Verlängerung der S-Bahn on Top bis Horb oder Rottweil zu erreichen, sofern es bis Singen nicht möglich sein sollte. Das könnte sich auch für die Region Stuttgart lohnen – davon bin ich überzeugt. Auch deshalb warte ich gespannt auf das entsprechende Gutachten.
Das sagt VCD-Landeschef Matthias Lieb
Gegenleistung für Kappung
Matthias Lieb, Landeschef des VCD: „Die Kappung der Gäubahn ist illegal. Das sagen alle juristischen Gutachten. Deshalb sollte man sich auf eine Kompensation, wie sie die Wirtschaft fordert, nicht einlassen. Die Stadt Stuttgart sollte endlich umdenken. Ihr städtebauliches Projekt dauert ohnehin Jahrzehnte – und es dürfte nicht groß stören, wenn man da an einer Stelle nachgibt. Die einfachste Lösung ist die bessere!“