Kultusministerin Theresa Schopper Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Die Schulreformen kommen zu langsam voran. Bei der Grundschulempfehlung muss Ministerin Schopper den Turbo zünden, sonst droht eine Klagewelle, kommentiert Autorin Bärbel Krauß.

Immer wieder verweist Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf den Begriff, den er bei einem seiner jüngsten Schulbesuche gelernt hat: Rechtsanwaltseltern. Damit sind diejenigen Väter und Mütter gemeint, die den Noten ihrer Sprösslinge notfalls per Klage auf die Sprünge helfen wollen oder in der Schule jedenfalls immer öfter damit drohen. Der Umgang mit ihnen ist für Lehrkräfte und Rektoren ohnehin schwierig. Umso unverständlicher ist, dass das Kultusministerium sich am sensibelsten Punkt der grün-schwarzen Schulgesetzreform eine offene juristische Flanke leistet: bei der bald wieder verbindlichen Grundschulempfehlung für angehende Gymnasiasten, die den Elternwillen bei der Schullaufbahnentscheidung ihrer Kinder im Konfliktfall aushebelt.

 

Dabei geht es nicht nur um die Schulgesetznovelle, die auf den allerletzten Drücker erst beschlossen wird. Wohlwollende mögen da vielleicht noch ein Auge zudrücken, weil das Projekt eine Mammutreform mit vielen Einzelteilen ist, das von der Koalition schnell auf den Weg gebracht wurde. Aber an die zehn begleitende Rechtsverordnungen liegen bisher noch nicht einmal auf dem Tisch. Dass das vorgeschriebene Anhörungsverfahren noch nicht einmal gestartet ist, ist ein Makel im politischen Prozess; dass Schulen und Eltern noch nicht wissen, was im Detail auf sie zukommt, ein enormes Risiko. Vor allem bei den Grundschulempfehlungen, die ab Januar/Februar von den Grundschulen sauber für alle Viertklässler formuliert werden müssen, muss die Verordnung schleunigst vorgelegt werden, um eine rechtssichere Umsetzung zu gewährleisten – sonst droht eine Klagewelle, die die Akzeptanz der neuen Grundschulempfehlung untergräbt, gefährdet und die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium belastet. Es ist schwer fassbar, dass das Kultusministerium dieses Risiko in Kauf nimmt.