Bundestrainer Julian Nagelsmann hat Probleme mit seiner Defensive. Foto: IMAGO/osnapix

Acht Monate vor der WM ist die Defensive der DFB-Elf ein Sicherheitsrisiko. Von gesicherten Abläufen und einer Eingespieltheit ist das Team von Julian Nagelsmann weit entfernt.

Das bisher letzte Spiel ohne Gegentor ist fast ein Jahr her. Im November 2024 hieß es am Ende eines kalten Abends in Freiburg 7:0 gegen Bosnien-Herzegowina. Seither ist viel passiert rund um die DFB-Elf. Im eigenen Strafraum, wo die Gegner viel zu oft in Abschlusssituationen kamen. Bei den Kader-Nominierungen und den Aufstellungen in der Abwehr, die der Bundestrainer Julian Nagelsmann munter durchwechselte. Und auch in der Ausrichtung: Beim peinlichen 0:2 von Bratislava gegen die Slowakei vor einem Monat schickte der Coach seine Elf im 4-2-3-1-System auf den Platz. Ein paar Tage später in Köln gegen Nordirland (3:1) hieß es dann: 3-4-2-1, mit drei Innenverteidigern und zwei so genannten Schienenspielern auf den Außenbahnen: Jamie Leweling vom VfB Stuttgart über rechts und David Raum von RB Leipzig über links.

 

An diesem Freitag steigt das nächste WM-Qualifikationsspiel gegen Luxemburg in Sinsheim an (20.45 Uhr/ARD) – und man darf gespannt sein, wen Nagelsmann dieses Mal ins Rennen schicken wird. Und in welcher Ausrichtung. Eines aber lässt sich zumindest nach den Eindrücken dieses Länderspieljahres schon sagen: Auch gegen diesen kleinen Gegner besteht die große Gefahr, dass es wieder nichts wird mit einem Spiel ohne Gegentor. Zu wackelig und instabil kommt die deutsche Defensive daher. Von gesicherten Abläufen und einer Eingespieltheit ist die Nagelsmann-Elf weit entfernt. Als Sinnbild für das Chaos taugte zuletzt der Abwehrchef Antonio Rüdiger mit seinem irrlichternden Auftritt von Bratislava. In diesem Länderspielblock fehlt der Innenverteidiger von Real Madrid nun aufgrund einer Oberschenkelverletzung.

Keine Stabilität in der DFB-Abwehr

Vor der Heim-EM im vergangenen Sommer hatte der Bundestrainer Rüdiger zum Eckpfeiler in der Innenverteidigung ernannt – neben Jonathan Tah, der nun nach dem Offenbarungseid von Bratislava in der nächsten Partie gegen Nordirland plötzlich auf die Bank musste. Rüdiger in der Formkrise und verletzt, Tah degradiert: Es ist nicht mehr viel übrig vom bei der EM meist stabilen deutschen Abwehrzentrum. Immerhin liefert Tah beim FC Bayern meist konstante Leistungen ab – umso erschreckender muten da seine jüngsten Auftritte in der DFB-Elf an.

Dort kommt er unter Julian Nagelsmann auf eine Zweikampfquote von 42 Prozent, ein unterirdischer Wert für einen Innenverteidiger. Tah also verleiht der deutschen Defensive keine Stabilität, sondern wird im taumelnden Abwehrverbund der DFB-Elf selbst instabil. In München dagegen profitiert der Abwehrmann von gefestigten Abläufen und starken Nebenleuten. In der Nationalmannschaft konnte sich zuletzt ob der ständigen Wechselspiele Nagelsmanns – auch auf den Positionen weiter vorne – keine defensive Stabilität im gesamten Verbund entwickeln.

Nico Schlotterbeck kehrt in die DFB-Abwehr zurück

Immerhin: In Nico Schlotterbeck kehrt nun ein Mann zurück, der der deutschen Abwehr eine neue Stabilität verleihen könnte. Nach seiner sechsmonatigen Zwangspause aufgrund eines Meniskusrisses im linken Knie sehnt Nagelsmann das Comeback des Abwehrchefs von Borussia Dortmund herbei. „Nico gibt uns einen herausragenden Spielaufbau, einen super Siegeswillen und endlich mal wieder einen linken Fuß hinten“, sagt Nagelsmann über Schlotterbecks Qualitäten: „Wir brauchen einen Linksfüßer, der einen ordentlichen Ball ins Mittelfeld spielen kann.“ Und einen, der konsequent und resolut verteidigt.

Das macht auch der ehemalige VfB-Abwehrmann Waldemar Anton beim BVB – im Kreise der DFB-Elf hat der Ex-Stuttgarter aber den Nachweis noch nicht erbracht, den höchsten Ansprüchen zu genügen. Ebenso wenig wie Robin Koch von Eintracht Frankfurt.

Mit dem Blick auf die WM im nächsten Sommer kommt die deutsche Abwehr also als großes Fragezeichen daher – auch auf den Außenpositionen. Nagelsmanns jüngste Nominierungen zeigen dabei, dass er links wie rechts keine Ideallösung sieht. Im September war der Debütant Nnamdi Collins in der Slowakei auf Anhieb auf der rechten Seite in der Startelf, nach seinem völlig missratenen Debüt ist er dieses Mal gar nicht dabei.

Im Gegensatz zu Ridle Baku von RB Leipzig, der jetzt zum ersten Mal nach vier Jahren wieder berufen wurde. Nachdem Baku sich also in der DFB-Elf erst alles andere als aufgedrängt hat, schaffte das in dessen Abwesenheit auch kein anderer (den rund um die EM zum Rechtsverteidiger umfunktionierten Joshua Kimmich mal ausgenommen), also probiert es Nagelsmann jetzt halt mal wieder mit Baku. Diese Personalie symbolisiert die Not und die Konzeptlosigkeit des Bundestrainers auf dieser Position eindrücklich. Leweling, der gegen Nordirland als rechter Schienenspieler überzeugte, fehlt nun gegen Luxemburg aufgrund von Adduktorenproblemen verletzt.

Auch auf der linken Abwehrseite hat Nagelsmann noch keine Dauerlösung gefunden. Maximilian Mittelstädt vom VfB Stuttgart ist seit März 2024 erstmals nicht für ein Länderspiel nominiert worden. Er verlor nach der Niederlage gegen die Slowakei seinen Startplatz an David Raum und nun auch noch seinen Kaderplatz – obwohl er nach grundsoliden Leistungen beim VfB keine Gründe für diese Entscheidung lieferte. Auch beim Offenbarungseid von Bratislava gehörte Mittelstädt zu den wenigen deutschen Lichtblicken.

Statt des Stuttgarters gibt es nun den nächsten neuen Linksverteidiger im Kader: Er spielt bei Eintracht Frankfurt und hört auf den Namen Nathaniel Brown.