Armin Redzepaic: "Glaubwürdigkeit ist für mich im Trainerjob sehr wichtig." Foto: Eibner

Fußball: Trainer kommt mit seiner offenen Art bei den Spielern und Verantwortlichen des Vereins gut an.

Auf dem Trainingsgelände des VfL Wolfsburg steht er noch immer. Der "Hügel der Leiden". Bestückt mit bis zu 50 Zentimeter hohen Treppenstufen. Errichten ließ ihn Trainerlegende Felix Magath. Mit Medizinbällen und beidbeinigen Sprüngen mussten die Kicker den verhassten Hügel hinauf. Nicht einmal zehn Jahre ist das her. Doch diese Methodik ist längst aus der Zeit gefallen. Schleifer wie Felix Magath, sie gibt es heute im Trainergeschäft kaum noch. Gefragt sind smarte und eloquente Typen, mit hoher fachlicher und menschlicher Kompetenz. So wie Nationalmannschaftscoach Jogi Löw, Julian Nagelsmann oder natürlich Jürgen Klopp.

Ein Mann vom Fach

Auch Nagolds Coach Armin Redzepagic ist von diesem Schlag. Auf einer Stufe mit den zuvor genannten steht er freilich (noch) nicht. Er ist Coach in seinem ersten Verbandsligajahr, bei einem Aufsteiger, der um den Klassenerhalt kämpft, und nicht in der Bundesliga oder Premier League. Als Spieler selbst hatte er nie in diesen Sphären gekickt. Doch, wer ihn einmal erlebt hat, weiß, dass die Vergleiche nicht allzu weit hergeholt sind. "Armin hat eine hohe fußballerische Kompetenz. Doch die haben einige Trainer", sagt Ulrich Hamann, Sportlicher Leiter des VfL. "Was bei ihm dazukommt, ist diese hohe kommunikative Kompetenz." Vereinfacht gesagt: "Er hat es im Kopf und kann seine Gedanken den Spielern und dem Umfeld vermitteln. Das ist der Idealfall."

Reine Formsache

Deshalb mussten die Verantwortlichen des Vereins nicht lange überlegen, ehe sie ihrem Trainer eine Vertragsverlängerung anboten. Für eine weitere Saison hat man sich auf die Zusammenarbeit geeinigt. "Für uns gab es keine Alternative", betont Hamann. Nur ein Gespräch habe es gebraucht, um sich zu einigen. "Es war nicht die Frage, ob wir mit ihm weitermachen, sondern wie." Es geht dabei darum, "dass wir uns sportlich weiterentwickeln, gleichzeitig aber auch auf die jungen Spieler stützen", erklärt Hamann. "Dafür ist der Armin der perfekt geeignete Trainer." Dass Armin Redzepagic vielleicht nicht perfekt, aber ein sehr guter Trainer ist, darauf sind inzwischen zwangsläufig auch andere Vereine aufmerksam geworden. Schnell machten Gerüchte von lukrativen Angeboten aus der Oberliga die Runde. "Alles nur Gerüchte", sagt Redzepagic und wischt diese vom Tisch. "Bei mir hat sich niemand gemeldet." Gebracht hätte es wohl ohnehin nichts. "Ich musste nicht lange überlegen", sagt er, liefert die Erklärung hinterher: "Ich habe 20 Minuten Strecke, ich habe Freunde im Verein – sowohl Spieler als auch Verantwortliche. Ich fühle mich wohl, will hier etwas aufbauen."

Nagold als Chance

Er hat auch nicht vergessen, dass ihm der VfL Nagold eine große Chance gegeben hat. "Es ist nicht meine Art, dann bei der ersten Gelegenheit wieder abzuhauen." Als vergleichsweise unerfahrener – und mit 38 Jahren junger – Trainer hat er die Mannschaft vor eineinhalb Jahren in der Landesliga übernommen. Bis dahin hatte er als Trainer beim VfL Stammheim gerade einmal zwei Jahre in der Bezirksliga, zwei Jahre in der Kreisliga A und eines in der Kreisliga B vorzuweisen. Damit immerhin zwei Aufstiege in seinen ersten fünf Jahren als Spielertrainer. Zu dieser Zeit bestritten die Stammheimer regelmäßig Vorbereitungsspiele gegen die U19 des VfL Nagold. Damals war Uli Hamann als Trainer bei den Junioren aktiv. Ihm war aufgefallen, dass die Stammheimer eine Mannschaft haben, die einen konkreten Plan verfolgt und alle an diesem Strang ziehen. Dieser Eindruck hat sich immer weiter verfestigt. Die Verantwortlichen trafen sich mit Redzepagic. "Wir haben gleich gemerkt, dass es passt." Das stieß jedoch nicht überall auf Zustimmung. "Es gab Leute, die gesagt haben: Ihr spinnt, so einen unerfahrenen Trainer zu holen", sagt Uli Hamann rückblickend. Doch das vermeintliche Risiko einzugehen, hat sich gelohnt. In seiner ersten Saison als Landesliga-Trainer schaffte Redzepagic mit den Nagoldern den Aufstieg mit einer sagenhaften Bilanz von 73 Punkten bei 87:20 Toren. Nur eine Partie ging in der vergangenen Saison verloren.

Größer als der Aufstieg

Auch in der Verbandsliga läuft es den Umständen entsprechend gut. Mit 20 Punkten überwintern die Nagolder auf dem elften Tabellenplatz, der am Ende der Saison den Klassenerhalt bedeuten würde. "Wenn man ein Jahr zurückgeht, als wir uns im Winter Gedanken gemacht haben, ob wir die Verbandsliga packen, da wären wir zusammengezuckt, wenn wir gewusst hätten, welche Spieler uns fehlen", sagt Hamann. Gemeint ist unter anderem der Abgang von Stürmer Daniel Schachtschneider, die langen Ausfälle von Pascal Reinhardt, Raphael Schaschko und Neuzugang Lysander Skoda sowie die zwischenzeitlichen von Valentin Asch, Kapitän Matthias Rebmann oder Co-Trainer Marco Quiskamp. Allesamt Leistungsträger. Sollte es am Ende der Saison zum Klassenerhalt in der Verbandsliga reichen, wäre es für Armin Redzepagic deshalb ein noch größerer Erfolg als es der Aufstieg war. "Letzte Saison war wunderschön. Ein Rekordjahr, nicht zu toppen. Aber wir hatten mit Schachti, Reinhardt, Luka Kravoscanec, der explodiert war, Schaschko und so weiter auch Top-Leute. Wenn wir unter den schweren Umständen dieses Jahr den Klassenerhalt schaffen, dann werde ich ein paar Luftsprünge machen."

Keiner bleibt links liegen

Doch Armin Redzepagic hat aus der Not eine Tugend gemacht und es geschafft, aus der jungen Mannschaft, mit vielen Spielern aus der eigenen U19, ein Team zu formen, das in der Verbandsliga bestehen kann. Redzepagic ist ein Trainer, der es mit seiner Art und Ansprache schafft, an jedem Spieltag das Maximale aus einer Mannschaft herauszuholen. Er vertraut den jungen Spielern, gibt ihnen die Chance, sich zu beweisen und zu entwickeln – und, auch Fehler zu machen. "Man kann auch mal ein schlechtes Spiel haben, das passiert. Ich lasse dann keinen links liegen. Ich erwarte aber, dass man dann auch weiterhin Gas gibt, dann ist das vergessen und der Spieler bekommt seine nächste Chance." Er fordert von seinen Jungs nicht viel, "keine unmenschlichen Dinge", wie er es nennt, aber die hundertprozentige Leistungsbereitschaft, dass sie in jedem Training, jedem Spiel alles geben.

Kumpel neben dem Platz

"Armin ist ein echter Kumpeltyp", sagt zum Beispiel Stürmer Pascal Reinhardt. Einer, der auch gerne mit seinen Spielern abhängt und Späße macht. "Aber, wenn es auf den Platz geht und es darauf ankommt, kann er auch schnell auf ernst umschalten. Er schafft diesen Spagat sehr gut." Vor allem, wenn es nicht so läuft, wie es sich der Trainer vorstellt. "Die Jungs bekommen von mir eine lange Leine", erklärt er. "Eigentlich gibt es keine Leine. Sie wissen von alleine, wann sie abliefern müssen." Diese lässt er dem Team auch auf dem Feld. Er gibt die Spielidee vor – jedoch nicht frontal und nicht endgültig. "Er lässt uns vor allem im Angriffsdrittel unsere Freiräume", erklärt Stürmer Reinhardt. Auch Armin Redzepagic war in seiner aktiven Zeit Stürmer, in den Kreisligen und der Bezirksliga recht erfolgreich. Er kennt die Vorzüge dieses Systems und spricht oft davon, dass er "mündige Spieler" in seiner Mannschaft haben will. Nicht solche, die einfach das abspulen, was ein Trainer vorgibt. "Er will, dass wir individuell entscheiden", sagt Reinhardt. "Die Jungs sollen verstehen und hinterfragen, was ich da sage – und es nicht einfach blind machen, nur weil der Trainer es ist, der es sagt", verdeutlicht Redzepagic. "Die Glaubwürdigkeit ist im Trainerjob für mich sehr wichtig." Diese erlangt man, wenn die Spieler kapieren, dass die Vorgaben einen Sinn ergeben. Den Willen und die Bereitschaft dazu lebt der Trainer vor. "Er ist sehr, sehr engagiert", betont Innenverteidiger Luka Silic. "Er bereitet jede Trainingseinheit intensiv vor und ist auch außerhalb des Platzes bemüht, dass es uns allen gut geht." Nicht nur in Sachen Fußball. Die Spieler können auch mit ihren persönlichen Problemen zu ihm kommen, sei es Job, Studium oder Familie. "Das sind die wichtigen Dinge im Leben", weiß der 40-Jährige.