Sportdirektor Mislintat plant keine Wintereinkäufe. Foto: dpa

Zweite Bundesliga: Viele junge Spieler im Kader – und die Frage, wer sich wie entwickelt.

Der VfB Stuttgart hat seinen Kader deutlich verjüngt. Das verspricht eine Perspektive, aber es ergibt sich auch ein Problem: Vor allem die Eigengewächse kommen nicht zum Zug.

Jede Minute zählt. Auch für Roberto Massimo. Oder gerade für einen Spieler wie ihn. 19 Jahre ist das Talent des VfB Stuttgart alt, und er benötigt Spielzeit, um sich zu entwickeln. Auf 20 Minuten bringt er es in dieser Zweitligasaison, verteilt auf zwei Kurzeinsätze (eine Minute in Bielefeld). Dabei musste die junge Offensivkraft bis zum neunten Spieltag warten, ehe sie ihre Stärken ausspielen konnte. Doch dann war Massimo nach der Einwechslung gegen den SV Wehen Wiesbaden da – er gefiel mit seinem Tempo und seinen Dribblings.

Das ist der Eindruck, der geblieben ist. Ein Fußballer mit Potenzial und Perspektive. Das nährt die Zuversicht der Verantwortlichen auf weitere erfrischende Vorstellungen sowie Massimos Hoffnung, dass er am Sonntag (13.30 Uhr) gegen Holstein Kiel die nächste Chance erhält.

Durch den Auftritt dient der Nachwuchsspieler aber auch als Lehrbeispiel für die neue Stuttgarter Schule. "Die Spielminuten helfen den jungen Spielern, um zu bestätigen und zu überprüfen, was sie sich zuvor im Training erarbeitet haben", sagt Sportdirektor Sven Mislintat.

Zu einer Frage der Geduld kann sich das auswachsen, aber ebenso der Beharrlichkeit. Denn für Mislintat ist klar, wie das Verhältnis zwischen Trainings- und Einsatzzeit gestaltet sein muss: "Mit Blick auf die Entwicklung und Verbesserung der jungen Spieler ist es ein entscheidender Faktor, dass sie qualitativ hochwertiges und zusätzlich zum Mannschaftstraining individuelles Training erhalten."

Schließlich verbringen sie viele Stunden auf dem Übungsplatz und manchmal nur wenige Minuten auf dem Stadionrasen. Ohne Spiel ist jedoch alles nichts. Zumindest auf lange Sicht, weshalb Einsätze in der zweiten Mannschaft vorgesehen sind. Obwohl diese nur noch in der fünften Liga vertreten ist und sich somit eine Kluft zum Profiteam auftut.

Höhere Aufgaben

Doch dieser Spagat gehört zum Ausbildungskonzept. "Die Oberliga ist harter Männerfußball und fordert die Jungs diesbezüglich anders, als mit Gleichaltrigen zu spielen", sagt Mislintat.

Eine Erfahrung, die außer Massimo auch schon Mateo Klimowicz gesammelt hat. Beide haben leidenschaftlich trainiert, beide haben sich für höhere Aufgaben empfohlen – und beide hatten in der zweiten Liga ihre Momente; Massimo zuletzt gegen Wehen Wiesbaden, Klimowicz zuvor in Heidenheim. Dem 19-jährigen Argentinier fehlten nur Zentimeter zu einem Tor.

Unglückliches Debüt

Dagegen wartet Tanguy Coulibaly noch auf sein Zweitligadebüt. Der trickreiche Flügelstürmer war schon nahe dran, aber Verletzungen bremsten ihn aus. Abgehängt muss sich der Franzose jedoch nicht fühlen. Er ist erst 18 Jahre alt und noch bei den A-Junioren spielberechtigt. Eingesetzt wurde er bislang in der Oberliga.

Dort sammelte zuletzt auch Maxime Awoudja Spielpraxis – obwohl der Innenverteidiger zur deutschen U-21-Auswahl gehört. Seit seinem unglücklichem Debüt Ende Juli kam er in Liga zwei nicht mehr zum Zug. Dennoch gibt es keinen Unmut. Dafür stellen sich Fragen: Hat es die Verpflichtung Awoudjas überhaupt gebraucht? Blockiert er womöglich ein Eigengewächs auf dieser Position? Mislintat kennt diese Diskussionen, und wie Trainer Tim Walter setzt er nicht auf eine große Außenwirkung, sondern auf interne Kommunikation.

Zwei Ansprüche

Die Talente wussten von Anfang an, worauf sie sich beim VfB eingelassen haben – einem Club, der zwei Ansprüchen gerecht werden will. Erstens: Die Stuttgarter streben auf direktem Weg zurück in die Bundesliga. Zweitens: Dafür benötigen sie schon jetzt einen starken Kader, der aber zudem mittelfristig erstligatauglich sein soll.

"Die jungen Spieler tragen zur hohen Qualität im Kader bei", sagt Mislintat. Was sich an Silas Wamangituka zeigt: Der Stürmer befindet sich zwar in den Lehrjahren, ist aber mit seinen 20 bereits gut genug, um der Mannschaft sofort weiterzuhelfen. An dem Kongolesen zeigt sich aber auch, dass der VfB bereit sein muss, für fußballerische Begabung viel Geld hinzulegen.

Doch anders geht es auf dem überteuerten Spielermarkt nicht mehr. Hochbegabte müssen gefunden und frühzeitig gebunden werden. Nicht nur diejenigen aus dem eigenen Stall – was beim VfB stets ein Politikum darstellt. Denn jahrzehntelang genoss Stuttgart den Ruf als Deutschlands edelste Talentschmiede. Wer hier als jugendlicher Diamant geschliffen wurde, galt als fußballerisch geadelt. Nur: So funktioniert das System nicht mehr.

Wie sich zum Leidwesen der Traditionalisten einmal mehr an der erfolgreichen A-Jugend der Vorsaison offenbart. Sie stand unmittelbar vor dem Double-Gewinn aus Meisterschaft und Pokalsieg. Doch aus diesem Jahrgang werden beim VfB nur wenige den Sprung nach oben schaffen. Im Augenblick sieht es so aus, als ob es nur Luca Mack gelingt. Dank seiner Spielintelligenz hatte sich der Defensiv-Allrounder bis zu seiner schweren Verletzung in den Blickpunkt gerückt. Leon Dajaku (Bayern München II) wanderte dagegen ab.

Antonis Aidonis und Sebastian Hornung sowie David Grözinger (VfB II) sind geblieben, brauchen aber noch Zeit, um erste Zweitligaminuten zu erhalten.

 Kapitänsbinde wandert

Wegen der Rot-Sperre von Marc Oliver Kempf und der Verletzung von Daniel Didavi trug am vergangenen Sonntag in Sandhausen Pascal Stenzel die Kapitänsbinde. Didavi kehrt am kommenden Montag (20.30 Uhr) gegen den 1. FC Nürnberg womöglich zurück. Nach Stenzels Auswechslung übernahm Holger Badstuber das Amt des Spielführers.

 Sosa wieder im Kader

Zum ersten Mal seit seiner Gehirnerschütterung, die er sich im Spiel gegen den SV Wehen Wiesbaden (4. Oktober) zugezogen hatte, stand Borna Sosa wieder im Kader des VfB. In der 58. Minute wurde der Kroate für Pascal Stenzel sogar eingewechselt.

 Alarmstufe Rot beim Club

Beim kommenden VfB-Gegner aus Nürnberg herrscht nach der 0:2-Heimniederlage gegen den SV Wehen Wiesbaden Alarmstufe Rot. Nach dem achten sieglosen Spiel in Folge ist der Bundesliga-Absteiger auf den drittletzten Platz abgestürzt und endgültig im neuerlichen Kampf gegen den Abstieg angekommen. "Wenn man so eine Leistung bringt, muss man sich auch was anhören", sagte der neue Club-Trainer Jens Keller mit Blick auf Beschimpfungen durch die Fans.

 Aufruf von Badstuber

Holger Badstuber hat auf seinen sozialen Kanälen einen emotionalen Aufruf abgesetzt. Die "Zeit der Erklärungen" müsse nun vorbei sein, so der VfB-Abwehrspieler, der zudem neun Punkte aus den bis zur Winterpause noch ausstehenden drei Zweitliga-Partien fordert.

 Mack macht Fortschritte

VfB-Nachwuchsspieler Luca Mack hat knapp drei Monate nach seiner schweren Verletzung (Außenknöchelbruch) einen großen Schritt nach vorne gemacht. Der Mittelfeldspieler konnte eine erste Einheit auf dem Laufband absolvieren.

 Neuer Vertrag für Grahl

Der VfB Stuttgart und Torhüter Jens Grahl haben sich auf einen neuen Vertrag verständigt. Der 31-jährige Torhüter hat an diesem Mittwoch sein Arbeitspapier beim VfB bis zum 30. Juni 2022 verlängert. "Ich bin sehr stolz darauf, weiter ein Teil des VfB sein zu dürfen. Es ist eine Ehre, für meinen Heimatverein zu spielen", wird Grahl anlässlich der Unterzeichnung zitiert.

 Keine Neuverpflichtungen

Sven Mislintat sieht beim VfB trotz der bislang unsteten Saison keinen Bedarf für personelle Zugänge im Winter. "Ich finde unseren Kader immer noch sehr, sehr breit und gut aufgestellt. Wir können in vielen Bereichen auf extreme Verletzungen und Sperren reagieren. Wir sind, was das angeht, zufrieden. Wir müssen es einfach besser auf den Platz bringen", sagte der Sportdirektor und fügte hinzu: "Ich sehe nicht, dass wir nachlegen müssen."

 Ultras fordern Aufklärung

Die Ultras-Gruppierung Schwabensturm hat sich beim Spiel in Sandhausen mit einem großen Banner solidarisch mit den Karlsruher Fans gezeigt. "Verein, Stadt, Land: Aufklärung der Polizeiarbeit in Stuttgart jetzt", war in Anspielung auf die Vorkommnisse vor dem Derby zu lesen. Dem Vorgehen der Polizei, die mehrere Hundert KSC-Fans festgesetzt und ihnen den Zugang zum Stadion verweigert hatte, war eine Welle der Empörung gefolgt.