Thomas Berthold strebt den Posten als Aufsichtsratschef beim VfB an – mit einem repräsentierenden Präsidenten, der nicht Wolfgang Dietrich heißen soll. Foto: Gentsch

Fußball: Weltmeister Thomas Berthold fordert Noch-VfB-Präsident Wolfgang Dietrich am Sonntag heraus. 

Am Sonntag stimmen die Mitglieder des VfB Stuttgart über die Zukunft von Präsident Wolfgang Dietrich ab. Ein Antrag auf Abwahl des umstrittenen Klubchefs steht auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung.

Er weiß nicht, was am Sonntag passieren wird. Wolfgang Dietrich zuckt mit den Schultern. Er hat zwar eine Zahl von Menschen im Kopf, die seine Gegner mobilisieren könnten, aber er will diese Zahl nicht verraten. Er könne nur hoffen, sagt der Präsident des VfB Stuttgart, dass ein relativ breites Spektrum an Menschen abstimmen werde. "Es kann ja nicht sein, dass nur die Lauten bestimmen, was die Ausrichtung des Vereins betrifft", sagt Dietrich.

Ziel: Richtungsänderung

Allerdings sind es nicht nur die Lauten, die ihn abgelöst sehen wollen. Auch der frühere Fußball-Weltmeister Thomas Berthold will den umstrittenen VfB-Präsidenten von der Spitze verdrängen. "Ich werfe meinen Hut in den Ring. Beim VfB muss es eine nachhaltige Richtungsänderung geben", sagte Berthold der Stuttgarter Zeitung.

Der 54-jährige ehemalige VfB-Spieler strebt den Posten eines starken Aufsichtsratschef beim Bundesliga-Absteiger an. An seiner Seite wolle er einen repräsentierenden Präsidenten haben. Eine Zusammenarbeit mit Dietrich schließe Berthold aus, schreibt das Blatt. Sollte Dietrich bei der Mitgliederversammlung die Vertrauensfrage überstehen, wolle Berthold im nächsten Jahr einen neuen Anlauf bei der turnusgemäßen Präsidentenwahl machen.

"Die Lauten", das sind Dietrichs Beschreibung nach diejenigen, die ihn lieber heute als morgen von der Klubspitze entfernen würden. Sie haben nun einen prominenten Mitstreiter. Seit Monaten protestierten sie im und vor dem Stadion gegen den 70-Jährigen, sie hängten "Dietrich-Raus!"-Plakate in der Stadt auf, in den sozialen Netzwerken toben seit langem sachliche und weniger sachliche Debatten um seine Person. Insbesondere seine Familie leide darunter, sagt Dietrich.

Es gebe sogar "eine Vielzahl von Todesdrohungen", sagte Stuttgarts Polizeipräsident Franz Lutz. Der VfB hat daher Anzeige erstattet, die Kriminalpolizei ermittelt. Die Wut gegen Dietrich führte letztlich dazu, dass auf der Mitgliederversammlung am Sonntag über seine Zukunft abgestimmt wird.

Dietrich sitzt in seinem Büro auf der Geschäftsstelle des in die 2. Fußball-Bundesliga abgestürzten Traditionsklubs. Der 70-Jährige lehnt sich mal vor und mal zurück, natürlich beschäftigt ihn das Thema Abwahl wie kein anderes in diesen Tagen. Er habe allerdings den Eindruck, "dass nach wie vor viele Mitglieder der Meinung sind, dass ich der richtige Präsident bin." Es wird nach Dietrichs Rechnung auch darauf ankommen, wie viele der fast 70 000 Mitglieder am Sonntag ins Stadion kommen. Mindestens 75 Prozent der anwesenden Stimmberechtigten müssten für eine Abwahl stimmen. Sein Präsidiumskollege Bernd Gaiser, Sportvorstand Thomas Hitzlsperger und Sportdirektor Sven Mislintat werden Plädoyers abgeben, mit Dietrich weiterzumachen. Ihre Argumente: Der VfB braucht Konstanz in der Führung, er ist finanziell gesund, die Mitgliederzahlen haben sich sehr positiv entwickelt, und zudem gibt es keine Alternative zu ihm.

Thema Quattrex nervt

Die Argumente seiner Gegner sind komplexer. "Die Liste, die zumindest uns voller Überzeugung den Rücktritt von Wolfgang Dietrich fordern lässt, ist lang", schreibt eine Ultragruppierung. Dazu zählen etwa die Verpflichtung des im Februar abberufenen Michael Reschke als Sportvorstand oder Dietrichs Vergangenheit als Investor.

Dietrich war lange am Unternehmen Quattrex beteiligt, das Fußballklubs Kredite gewährt. So hat er bis Ende 2017 von Einnahmen aus Quattrex-Verträgen profitiert, was unter anderem heißt, dass die Erfolge von Union Berlin und dem 1. FC Heidenheim – beide Klubs 2016/17 Gegner des VfB in der 2. Liga – sich für Dietrich in klingende Münze verwandelt haben. Das Thema nervt ihn. "Aufgrund der Statuten gab es keine Verpflichtung für mich, die Anteile zu verkaufen. Aber ich habe es zum 31.12.2017 trotzdem getan."