Was für Spiele in der Relegation: Der TSV Trillfingen ist sensationell in der Landesliga Staffel IV angekommen. Foto: Kost

Fußball: TSV Trillfingen krönt sein Sommermärchen mit dem Aufstieg und feiert eine rauschende Party.

Haigerloch-Trillfingen - Besser kann es nicht sein: Der Himmel überm Bodensee zeigt sich am Sonntagabend in seinem schönsten Blau und Weiß, als die Blau-Weißen des TSV Trillfingen den größten Erfolg in ihrer fast 100-jährigen Vereinsgeschichte feiern.

So wenig braucht es, um im Himmel der Glückseligkeit Einlass zu bekommen. Einen Ball, einen Mann ohne Nerven – und ein Tornetz, das am Ende zappelt.

Genau das ist die Situation am Sonntagabend um etwa 17.45 Uhr. 120 nervenaufreibende Fußballminuten sind vorbei, 4:4 steht es im Elfmeterschießen zwischen dem Landesligisten SV Oberzell und seinem Herausforderer, dem TSV Trillfingen. Dann legt sich die Nummer 12 des TSV den Ball auf dem Elfmeterpunkt zurecht. Es ist Daniel Dürr, rechter Außenverteidiger. Atemlose Stille, kurzer Anlauf... und der Ball landet nach einem trockenen Flachschuss im linken Toreck.

Das war’s! Aus! Ein Traum ist gerade Wirklichkeit geworden, denn wenige Sekunden zuvor hatte TSV-Torwart Niklas Krause den Elfmeter der Nummer 8 aus Oberzell, Muhammad Furkan Ata, pariert. 5:4 für den TSV nach Verlängerung im Elfmeterschießen! Völlig irre! Der TSV Trillfingen ist dort angekommen, wo er in seiner seit 1921 währenden Vereinsgeschichte noch niemals war: In der Landesliga Württemberg; Staffel IV. Statt Stetten, Gruol, Hart/Owingen, Hechingen und Rangendingen heißen die Gegner in der nächsten Saison Ravensburg, Biberach und Friedrichshafen.

Bei aller Siegestrunkenheit muss man an dieser Stelle aber auch dem Gegner aus Oberzell Respekt zollen. Die Jungs von Trainer Achim Pfuderer – er hat als Spieler selbst in der ersten und zweiten Bundesliga gut 200 Spiele absolviert – hätten es ohne Zweifel ebenso verdient gehabt. Doch nach 120 und ein paar Minuten mehr sinken sie im Hüttenwaldstadion des TSV Neukirch fassungslos auf den Rasen. Totenstille. Wie konnte das nur passieren?

Denn während die Partie in der ersten Hälfte ausgeglichen ist, nehmen die rot-schwarzen Oberzeller in der zweiten Halbzeit immer mehr das Heft in die Hand. Sie sind das klar bessere Team und bringen den TSV Trillfingen an den Rand einer Niederlage. Nur weil dem TSV alle Fußballgötter zu Seite stehen und Oberzell zwei Mal nur die Latte trifft (Freistoß aus 25 Metern in der 60. Minute, Kopfball in der 90. Minute), schafft es Trillfingen überhaupt in die Verlängerung. Dort kämpfen sich die Männer von Trainer Markus Helber bei Temperaturen um 30 Grad mit dem letzten Tropfen Sprit im Tank dem Zielstrich entgegen, will heißen ins Elfmeterschießen. Ausgang bekannt.

Rückblende, nur wenige Stunden zuvor. 10 Uhr, auf dem Parkplatz vor dem Sportheim des TSV. Eine Menge Fans versammeln sich, um gemeinsam die etwa 130 Kilometer lange Reise nach Neukirch, eine 2700-Einwohner-Gemeinde im Bodenseekreis, anzutreten. Das Wetter ist gut, die Stimmung super. Fast alle tragen blaue Shirts, sie machen sie von weitem als TSV-Fans erkennbar.

In zwei Bussen tritt man die Fahrt an. Im ersten sitzen Spieler Trainer, Funktionäre sowie Spieler der zweiten Mannschaft und die Frauen und Freundinnen. Den zweiten Bus bevölkern Fans und frühere verdiente TSV-Spieler. 150 Personen reisen so nach Neukirch – darunter auch die hochschwangere Ehefrau des TSV-Vorstandes Sport, Daniel Wimmer. In zwei Wochen ist Geburtstermin, aber dieses wichtige Spiel will auch sie sich nicht entgehen lassen.

12.30 Uhr, irgendwo im Nirgendwo zwischen Ostrach und Ravensburg. Hier wird auf einem idyllischen und vor allem schattigen Parkplatz Rast gemacht. Die Spieler nehmen ihr Mittagessen ein (Salat und Nudeln). Auch für die anderen gibt es ausreichend Getränke und Essen. Perfekte Betreuung. Simon Fecht, Vorstand Finanzen und Organisation, gibt erstmals zu, dass ihn so langsam aber sicher die Nervosität packt. TSV-Trainer Markus Helber bleibt dagegen gelassen. Zumindest äußerlich. Kein Wunder. Er hat genügend Landesligaerfahrung – und einen Matchplan in der Tasche.

Kurz vor 14 Uhr ist das Ziel erreicht und es geht vom Parkplatz auf direktem Weg in das wunderbar gelegene Stadion des Gastgebers dieses Relegationsspiels. Dieses punktet nicht nur durch sein Ambiente, sondern vor allem mit makellos grünem Rasen. Topfeben.

Bis zum Anpfiff gesellen sich zu den "Busfahrern" noch viele weitere TSV-Fans, die privat oder in Fahrgemeinschaften nach Neukirch gekommen sind. Simon Fecht schätzt ihre Zahl auf 300 bis 400. Auch ein paar Fans von der AH des SV Suppingen – mit dem TSV befreundet – sind live dabei. Die offizielle Zuschauerzahl wird übrigens mit 1032 vermeldet.

Bevor Schiedsrichter Tobias Huthmacher aus Sigmaringen die Partie anpfeift, bleibt noch Zeit für Schwätzchen mit Einheimischen. Trillfingen sagt ihnen relativ wenig, auch muss man ihnen erklären, wo Haigerloch geografisch liegt. Einen der wichtigsten Spieler Trillfingens kennen sie jedoch: Jonas Wiest – der hat doch schon für den FV Ravensburg in der Oberliga gekickt und kehrt jetzt dorthin zurück. Die lokale Zeitung hat darüber geschrieben.

Hupend geht’s durch Stetten nach Trillfingen

Und dann beginnt ein für Trillfingen märchenhafter Nachmittag, der erst spät in der Nacht vor dem Sportheim des TSV enden soll. Natürlich ist die Stimmung auf der Rückfahrt im Bus noch viel besser als auf der Hinfahrt. Es wird viel gesungen und gelacht. Als kurz nach Balingen die Burg Hohenzollern in Sicht kommt, wird sogar das "Hohenzollernlied" angestimmt. Das muss so sein.

Jetzt ist es nicht mehr weit. Als die zwei Busse schließlich nach Stetten einbiegen, schalten die Fahrer die Warnblinklichter an und durch den ganzen Ort die Hupen auf Dauerton. Grüße an den SV Stetten.

21.30 Uhr: Vor Trillfingen wartet schon die Feuerwehr. Sie eskortiert die Busse mit Blaulicht und Martinshorn zum Dorfplatz, wo sich hunderte jubelnde Fans versammelt haben. In Zeiten von WhatsApp, Instagram und Facebook ist die Siegesnachricht längst eingetrudelt. Applaus brandet auf, als die Spieler aussteigen. Und mit der Bauernkapelle vorneweg läuft der ganze Tross zur Mehrzweckhalle. Dort dauert die Partynacht noch lange. Jetzt wartet der Eyachpokal.