Das Triple vor Augen: das Team der Eberhard Karls Universität Tübingen. Foto: Geideck

Fußball: Team der Eberhard Karls Universität Tübingen träumt von der erneuten Titelverteidigung bei der Studenten-WM in China

Klappt der Hattrick? Zum dritten Mal nimmt das Fußball-Team der Eberhard Karls Universität Tübingen an der Studenten-WM in China teil – und ist nach den Titelgewinnen in den beiden Vorjahren wieder heiß auf den Pott.

Robert Schreiner versammelt seine Spieler um sich herum und schaut ihnen tief in die Augen. "41 Prozent der Tore bei der letzten WM sind nach Standards gefallen", sagt der Trainer der Tübinger Universitäts-Fußballer und hebt den Zeigefinger: "41 Prozent!" Es ist also keine Überraschnung, dass Schreiner beim Abschlusstraining – wenige Stunden vor dem Abflug zur Studenten-WM in China – noch einmal intensiv Standardsituationen üben lässt. Und zwar mit aller Strenge. "Wer einen Ball hier durchgehen lässt", zeigt er mit ernster Miene auf den Fünfmeterraum, "der trägt meinen Koffer vom Institut bis nach China zum Hotel."

Große Namen

Die am Samstag beginnende Studenten-WM, die in diesem Jahr von Wuhan nach Guangzhou nahe Hongkong gezogen ist, ist keine Spaßveranstaltung. Für die Volksrepublik, die unbedingt die Fifa-WM haben möchte, ist sie Teil des Konzeptes, zur Fußball-Großmacht aufzusteigen. Jahr für Jahr wird die Veranstaltung professioneller aufgezogen. Namhafte Universitäten wie Oxford, Cambridge und British Columbia sind dabei. Mit der Universtität Witwatersrand (Südafrika) ist erstmals auch ein afrikanisches Team dabei.

Berühmtestes Team ist in China aber der Titelverteidiger aus Tübingen. Seit 2017 sind Schreiners Jungs bei der Studenten-WM dabei, beide Male haben sie gewonnen. "Das war schon letztes Jahr so, dass wir da ganz anders angeschaut wurden", erinnert sich Lucas Schreijäg, der beim SV 03 Tübingen in der Landesliga spielt und nun zum dritten Mal in China dabei ist.

Auch Regionalligist ist dabei

Der Tübinger Kader setzt sich mehrheitlich aus Spielern des Verbandsligisten TSG Tübingen zusammen. Hinzu kommen mit Luca Silic, Christoph Hollnberger und Lysander Skoda drei Akteure von Verbandsliga-Absteiger VfL Nagold – auch wenn Silic (Croatia Reutlingen) und Hollnberger (TSG Tübingen) in der kommenden Saison einen neuen Verein haben.

Hochklassigster Spieler ist Carlos Konz von der TSG Balingen. Da sich die Studenten-WM mit der Saisonvorbereitung des Regionalligisten überschneidet, konnte er nur teilweise mit den Uni-Kickern trainieren. Zudem wird er erst wenige Tage vor dem ersten Saisonspiel gegen den FSV Frankfurt aus China zurückkehren. Dennoch entschied sich Konz für die Reise. "So eine einmalige Gelegenheit muss man wahrnehmen, auch wenn ich in Balingen die ersten Spiele dadurch wahrscheinlich nicht spielen werde", meint der 22-jährige Innenverteidiger, der sich für die Studenten-WM fest vorgenommen hat: "Jedes Spiel gewinnen und natürlich hinten zu null spielen."

Nur fußballerisch auffallen

Eine Premiere ist China auch für Lysander Skoda. Er war zuletzt lange verletzt, fühlt sich für die Studenten-WM aber fit genug. "Priorität ist für mich, fit zu bleiben. Aber China – das möchte ich schon mitnehmen", sagt der 21-Jährige, der gesteht: "Nur vor dem Essen habe ich ein bisschen Angst."

Die Menschenrechtssituation und die immense staatliche Überwachung im Reich der Mitte versucht das Team der Universtität Tübingen hingegen auszublenden – so gut es geht. "Wir nehmen das einfach an und versuchen, nicht aufzufallen", sagt Lucas Schreijäg und zwinkert: "Nur fußballersich wollen wir natürlich auffallen."

Genau das ist es auch, was sich das Gastgeberland wünscht. Fußballerische Erfahrung soll nach China kommen, die auf dem Weg nach oben helfen soll. Dass es da noch jede Menge Nachholbedarf gibt, bekamen die Tübinger Uni-Kicker bisweilen anschaulic h vor Augen geführt. Konditionell seien die chinesischen Teams zwar mitunter überlegen, taktisch aber ist die Volksrepublik ein Fußball-Entwicklungsland. Das lässt sich sogar am Verhalten neben dem Spielfeld ablesen. Schreijäg: "Bei den Chinesen sieht man oft, dass die sogar beim Mittagessen Kopfhörer drin haben und nur auf ihr Handy starren. Das würde es bei uns nie geben."

Schwere Gruppe

Zwölf Universitäten treten ab Samstag bei der Studenten-WM in vier Dreier-Gruppen gegeneinander an. Die beiden Gruppenersten qualifizieren sich für das Viertelfinale. Das Endspiel findet am Sonntag, 21. Juli, statt. Titelverteidiger Tübingen hat mit der Gastgeber-Universität Tsinghua und Vorjahres-Finalist Cambridge keine einfache Vorrundengruppe erwischt. Dennoch ist der Titel-Hattrick das klare Ziel. "Ich will nicht ohne den Pokal nach Hause fliegen", unterstreicht Schreijäg, der aber auch daran erinnert: "Der Druck ist dieses Jahr höher als sonst." Sogar Timo Hildebrand, langjähriger Torwart des VfB Stuttgart, wandte sich mit einer Videobotschaft an die Fußballer der Eberhard Karls Universität und forderte: "Holt das Triple!"‹

Testspiele fehlen

Robert Schreiner, der am Tübinger Institut für Sportwissenschaft für den Fußball-Bereich zuständig ist und seit zehn Jahren das Uni-Team trainiert, ist zuversichtlich. Die Mannschaft immer erst zwei Wochen vor der Studenten-WM beisammen zu haben, sei zwar nicht ganz einfach. "Da fehlen die Testspiele", meint Schreiner, der auch seit 2012 als Schulkoordinator für den DFB tätig ist. Doch mit 17 Spielern sei der Kader breit aufgestellt und vor allem "stark besetzt". Seine Prognose: "Ganz schwierig einzuschätzen. Wir haben eine Fluktuation in der Mannschaft, die anderen aber auch."

Immerhin: Seinen Koffer muss Schreiner selbst zum Hotel in Guangzhou tragen. Bei den Standardsituationen im Abschlusstraining sind seine Jungs voll auf der Höhe. Ein gutes Zeichen für die Weltmeisterschaft.