Chefstratege im deutschen Mittelfeld: Bastian Schweinsteiger Bastian Foto: Getty

Wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft eines nicht hat, dann ein Stürmerproblem. Das dürfte spätestens seit dem 3:1-Erfolg gegen Polen klar sein. Deutschland hat allenfalls ein Luxusproblem – im zentralen Mittelfeld.

Frankfurt/Glasgow - Es zeichnet die Großen dieses Sports aus, immer dann die berühmte Schippe draufzupacken, wenn es wirklich drauf ankommt. Bastian Schweinsteiger ist so einer. Oder sollte man vielleicht sagen: Er war so einer?

Seit Freitag ist der deutsche Fußball um die Erkenntnis reicher, dass Schweinsteiger auch im zu Ende gehenden Fußballjahr 2015 noch immer in der Lage ist, innerhalb eines Spieles eine besondere Aura zu verströmen. Das hat der Auftritt gegen Polen am Freitag eindrucksvoll bewiesen. Der 31-Jährige wirkte ausgeruht und fit, was nicht zwingend zu erwarten war. Immer wieder baute er das Angriffsspiel des Weltmeisters klug auf und ging bissig in die Zweikämpfe. Was aber schwerer wog als seine Pässe und Grätschen, war Schweinsteigers Körpersprache, seine schiere Präsenz: Von der ersten Minute an verriet der Blick des ManU-Profis den Polen: Für euch gibt es nichts zu holen!

So kam es dann ja auch. Deutschland zeigte gegen das Nachbarland seinen stärksten Auftritt seit der WM. Ein Erfolg am Montag in Schottland (20.45 Uhr/RTL), und dem DFB-Team ist die Qualifikation für die EM in Frankreich nicht mehr zu nehmen.

Bundestrainer Joachim Löw wird sicher auch dann noch auf die Dienste des Kapitäns setzen. „Ich brauche ihn dann, wenn es für uns wichtig ist. Dann weiß ich, dass er führt und Verantwortung übernimmt und Siegeswillen zeigt wie kein anderer“, sagte Löw und stellte seinem Anführer Altersteilzeit in Aussicht: In jedem Testspiel müsse er nicht mehr dabei sein.

Magath sieht Zweikampf Gündogan-Kroos

Es ist ja nicht so, dass es an Alternativen mangelt. Um das Mittelfeld beneidet das Ausland Deutschland so sehr wie früher nur um seine Autobahnen. Neben Schweinsteiger stehen Löw mit Toni Kroos (Real Madrid), Ilkay Gündogan (Borussia Dortmund), Christoph Kramer (Bayer Leverkusen) und dem mal wieder verletzten Sami Khedira (Juventus Turin) Spieler zur Verfügung, von deren Kaliber noch vor wenigen Jahren einer allein das deutsche Mittelfeld auf ein anderes Level gehoben hätte.

Löw plagt ein Luxusproblem. Schweinsteiger wie gegen Polen auf der Doppel-Sechs neben Toni Kroos? Oder mit Kroos und Gündogan sowie Schweinsteiger dahinter wie in der zweiten Halbzeit? Gündogan legte nach seiner Einwechslung einen fabelhaften Auftritt hin. In seiner aktuellen Verfassung ist er aus der Mannschaft kaum wegzudenken. Die Bälle verteilende Dauerkonstante Kroos genauso wenig. Nur: Was wird dann aus Khedira und Kramer? Der frühere VfB-Profi wird sich erst wieder zurückkämpfen müssen, und Kramer streckt schon jetzt die Waffen. „Wäre ich Außenverteidiger, könnte ich vielleicht Ansprüche anmelden. Aber im defensiven Mittelfeld ist es so, dass ich mich hinter diesen vier anstellen muss“, sagt der Leverkusener.

Für Experten wie Felix Magath wird es künftig auf einen Zweikampf Gündogan – Kroos hinauslaufen. „Die Mannschaft braucht Schweinsteiger“, sagte Magath in der Sport-1-Sendung „Doppelpass“. Das gelte insbesondere jetzt, da nach den Rücktritten von Philipp Lahm, Miro Klose und Per Mertesacker die Mannschaft im Begriff sei, eine neue Hierarchie zu entwickeln. Letztlich hängt für Magath alles an der Taktik. Etwa an der Frage, wie offensiv die Außenverteidiger agieren. Oder ob Mesut Özil wirklich gesetzt sein muss. Das Polen-Spiel konnte dies nicht zwingend bejahen.

Löw sprach mit seinem typischen Jogi-Lächeln selbst von einem Luxusproblem. Dabei verkannte er aber auch eines: Dass aus der Garde der vermeintlich Unverzichtbaren in der Regel mindestens einer verletzt ausfällt. Dass starker Ersatz dafür gleich doppelt bereitsteht – ein wahrer Luxus.