Freiburgs Torhüterin Merle Frohms macht sich in dieser Woche auf zum Algarve-Cup – ihrem ersten Turnier als Nummer eins im deutschen Tor. Am Mittwoch wartet Schweden auf die DFB-Frauen. Foto: Seeger

Fußball: Die Nummer 1 im deutschen Tor erinnert sich gut an das Spiel vor 77.000 Zuschauern in Wembley.

Merle Frohms ist Deutschlands neue Nummer 1 im Tor – bei den Frauen. Bei Themen rund um den Männerfußball kann und will die 25 Jahre alte Wahl-Freiburgerin nicht mitreden.

Der Arbeitsplatz von Deutschlands Nummer 1 liegt an einer mehrspurigen Ausfallstraße, gegenüber sind ein Baumarkt und ein McDonald’s. Es ist erbärmlich kalt und regnet, als sich Merle Frohms eineinhalb Stunden lang mit zwei Mitspielerinnen des SC Freiburg immer wieder auf den matschigen Rasen wirft und zwischen Stangen, Hütchen und Torpfosten hin- und herhetzt. Vor ein paar Monaten spielte die neue Torhüterin der Frauenfußball-Nationalmannschaft noch vor über 77 .000 Zuschauern im Wembley-Stadion. Der Trainingsalltag ist meist eine einsame Angelegenheit.

Beim Algarve-Cup in Portugal – die DFB-Auswahl startet am Mittwoch (18.00 Uhr) gegen Schweden – bestreitet Merle Frohms erstmals ein Turnier als gesetzte Nummer 1. Die langjährige Torhüterin Almuth Schult ist schwanger. Merle Frohms war früher auch ihre Stellvertreterin beim VfL Wolfsburg, ehe sie 2018 in den Breisgau wechselte, um mehr zu spielen.

Merle Frohms, geboren in Celle, Studentin der Betriebswirtschaftslehre, ist jetzt 25. Bis sie 17 war, spielte sie bei den Jungs in der Bezirksliga mit. "Es war eine ganz andere Athletik, viel schneller, körperbetonter. Ich war am Ende das einzige Mädchen in der gesamten Liga. Es war eine besondere Herausforderung zu zeigen: Es macht keinen Unterschied, ob da ein Mädchen oder Junge im Tor steht."

Danach durchlief Merle Frohms alle DFB-Auswahlteams von der U15 bis zur U20, hat inzwischen neun Länderspiele für das A-Team bestritten. Beim 2:1-Sieg gegen England im November vor Rekordkulisse in London hielt sie einen Elfmeter. "Merle ist sehr fokussiert, will sich immer verbessern", sagt Freiburgs Torwarttrainerin Elke Walther.

"Ich hatte nie so den Traum: Boah, ich will mal Nationalmannschaft spielen. Das kam immer irgendwie so. Es war einfach meine Leidenschaft, ich habe es einfach gemacht", sagt Merle Frohms. Doch Fußball ist längst nicht alles im Leben für die 1,73 Meter große Torhüterin. Und Männerfußball interessiert sie "nicht so". Ein Lieblingsverein in der Bundesliga? "Nee." Ein Vorbild, Manuel Neuer vielleicht? "Nee." Ob sie samstags die Sportschau verfolgt? "Überhaupt nicht. Selber spielen macht mir Spaß."

Erst ein Mal war sie bei einem Spiel der Männer des SC Freiburg: Ihr Bruder hatte sie hingeschleppt – gegen Schalke 04, weil er Fan der Königsblauen ist. Die SC-Frauen leben in ihrer eigenen Welt, weit weg vom Profigeschäft der Männer. "Ich verfolg’s überhaupt nicht", versichert Merle Frohms.

Dabei ist sie eine ähnlich ballsichere Torhüterin wie Neuer – "ich habe lange Zeit im Feld mitgespielt". Nach dem Viertelfinal-Aus gegen Schweden bei der WM 2019 ist Merle Frohms und dem DFB-Team die Olympia-Teilnahme in diesem Jahr verwehrt – und das als Goldmedaillengewinner von Rio 2016. Beim Neuaufbau setzt Martina Voss-Tecklenburg auch auf die Freiburgerin. "Merle hat bei ihren Auftritten im Nationalteam bisher immer überzeugt. Sie ist eine spielende Fußballerin, die sich etwas zutraut. Eine Torhüterin, die auch mit dem Ball am Fuß unser Spiel schon entwickeln kann."

Gleichzeitig nimmt Voss-Tecklenburg sie auch in die Pflicht: "Ich erwarte von Merle, dass sie sich nicht nur auf dem Platz, sondern auch außerhalb durchaus als Nummer 1 jetzt auch positioniert." Almuth Schult äußert sich ähnlich. "Sie muss vielleicht noch ein bisschen mehr Selbstbewusstsein auf dem Platz entwickeln", meint die Wolfsburgerin. Um noch besser zu werden, trainiert Merle Frohms achtmal in der Woche, zwei Einheiten Torwarttraining und einmal Krafttraining am Olympia-Stützpunkt. An diesem grauen Tag im Schönbergstadion verschwindet sie nass und verdreckt in der Kabine. Manchmal ist eine heiße Dusche so schön wie der Applaus von über 77 000 in Wembley.