An diesem Freitag entscheidet die Uefa, ob München Spielort der nahenden Fußball-EM bleibt oder nicht. Im letzten Moment soll ein alter Bekannter der bayerischen Landeshauptstadt helfen.
Stuttgart - Seit 14. April gilt in München eine Ausgangssperre. Zwischen 22 und 5 Uhr dürfen die Bürgerinnen und Bürger der bayerischen Landeshauptstadt ihren Wohnungen nicht verlassen, es sei denn, sie können triftige Gründe geltend machen. Dazu zählen medizinische Notfälle, die Begleitung Sterbender oder die Ausübung beruflicher Tätigkeiten. Der Besuch von Fußballspielen zählt nicht dazu. Mögen sie auch noch so bedeutend sein.
Dennoch soll bei der paneuropäischen Fußball-EM (11. Juni bis 11. Juli), die eigentlich im vergangenen Jahr stattfinden sollte und wegen der Corona-Pandemie verschoben wurde, auch in München gespielt werden. Und zwar nicht in der Geisteratmosphäre, die in der Bundesliga üblich geworden ist, sondern vor Publikum. Den Einlass von Zuschauern jedenfalls hat Uefa-Präsident Aleksander Ceferin schon vor Wochen zur Bedingung gemacht, ihm schwebt eine Auslastung von mindestens 20 Prozent der Stadionkapazität vor. Andernfalls droht der Entzug der Gastgeberrolle.
Lesen Sie hier: Schotten dicht beim VfB – Quarantäne in der Bundesliga
Neun der zwölf im September 2014 gekürten EM-Städte haben dem Kontinentalverband gefüllte Ränge garantiert. Budapest verspricht sogar – trotz einer Sieben-Tage-Inzidenz von weit über 200 – die komplette Auslastung der 67 000 Besucher fassenden Puskas-Arena. Auch Amsterdam, Kopenhagen, Baku, St. Petersburg, Bukarest, Glasgow, London und Rom haben grünes Licht gegeben und wurden von der Uefa als Spielorte bestätigt. Bilbao hingegen soll bereits ausgemustert worden sein, bangen muss neben München auch Dublin. Die Entscheidung gibt das Uefa-Exekutivkomitee an diesem Freitag bekannt.
München sieht sich massivem Druck aus Politik und Sport ausgesetzt
In München muss Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) regelmäßig wiederholen, was eigentlich gar nicht so schwer zu verstehen sein sollte: „Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schlicht nicht möglich, eine Aussage darüber zu treffen, ob es das Infektionsgeschehen im Juni zulässt, Zuschauer ins Stadion zu lassen oder nicht.“ Dem massiven Druck von außen sieht sich das Stadtoberhaupt trotzdem ausgesetzt – er kommt nicht nur aus der Uefa-Zentrale in der Schweiz, sondern wird auch vor der eigenen Rathaustür ausgeübt.
Auf das „Riesen-Stadion“ in Fröttmaning verwies zuletzt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und schlug vor: „Wenn wir zum Beispiel nur jeden siebten Platz besetzen würden, würden sich 10 000 Menschen dort versammeln, was stimmungsmäßig ein großer Gewinn gegenüber einem völlig leeren Stadion wäre.“ Und Rainer Koch, DFB-Vizepräsident und ehemaliger Richter am Oberlandesgericht München erklärte: „Ich appelliere an die Verantwortlichen in der Stadt München und der Bayerischen Staatsregierung, alle Anstrengungen zu unternehmen, um tragfähige Konzepte für zumindest eine Teilzulassung von Zuschauern auch in München zu ermöglichen.“ Als wäre dies nicht längst geschehen.
Drei verschiedene Pandemie-Szenarien hat München zusammen mit dem DFB erarbeitet und bei der Uefa eingereicht: Nach dem so genannten „Lead-Szenario“ fänden 14 500 Zuschauer (21,6 Prozent der Gesamtkapazität) Einlass in die Münchner Arena; im unwahrscheinlichsten „Upscale-Szenario“ wären es knapp 27 000 (40,2 Prozent). Das „Backup-Szenario“ wiederum sieht zwischen 0 und 7000 Besucher vor – eine Variante, die das Aus bedeuten dürfte. Nach den ursprünglichen Plänen sollen in München die drei Vorrundenspiele der deutschen Mannschaft gegen Frankreich (15. Juni), Portugal (19. Juni) und Ungarn (23. Juni) sowie ein Viertelfinale stattfinden. Alternativpläne mit einem anderen deutschen Spielort soll es nicht geben. Ihr Basisquartier will die Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw im fränkischen Herzogenaurach aufschlagen.
Karl-Heinz Rummenigge soll bei der Uefa Überzeugungsarbeit leisten
Die Hoffnung ruht nun einerseits auf der Bedeutung des DFB, EM-Ausrichter 2024 und Schwergewicht innerhalb der Uefa – andererseits auf Karl-Heinz Rummenigge. Anfang der Woche wurde der Vorstandschef des FC Bayern ins Uefa-Exekutivkomitee berufen, als Ersatz für Juventus-Boss Andrea Agnelli, der als einer der Initiatoren der heftig umstrittenen Super League gehen musste. Rummenigge gehörte zu jenen, die der Konkurrenzveranstaltung zur Champions League von Beginn an die Stirn boten – und dadurch in der Gunst von Uefa-Boss Ceferin stiegen: „Ihr seid die wahren Liebhaber des Fußballs“, jubelte Europas wichtigster Fußball-Funktionär: „Die Fans eurer Clubs werden froh sein, euch zu haben.“
Und wenn selbst Rummenigges Einfluss nichts bringt? Wenn die Uefa auf ihren Vorgaben beharrt und die EM ohne München stattfindet? Dann „wären mehrere Jahre teurer Vorbereitung dahin, die Stadt hätte vergebens Geld ausgegeben“, kommentiert die „Süddeutsche Zeitung“ und ergänzt: „Angesichts der Lage kann man nur sagen: Na und?“