Am Freitag trifft die deutsche Elf auf Griechenland, hier im Spiel gegen Russland. Foto: dapd

Im Viertelfinale bedarf es einer spielerischen Steigerung – Mesut Özil nur ein Schatten seiner selbst.

Danzig - Hoch droben in den Wolken, irgendwo zwischen Lemberg und Danzig, gab Lukas Podolski den „Rede, Rede“-Rufen seiner Mitspieler nach, griff zum Bordmikrofon und hob an zum launigen Vortrag. „So ist es richtig, zückt alle die Handys und Kameras“, sagte der Jubilar nach seinem 100. Länderspieleinsatz und seinem 44. Treffer im DFB-Trikot. „Danke an alle – und ab ins Finale!“, rief Podolski zum Abschluss.

Ja, wenn das nur so einfach wäre!

Ein paar Stunden zuvor war den deutschen Spielern noch der Schweiß auf der Stirn gestanden. Angstschweiß! Es war eine verdammt knappe Sache, dieses 2:1 gegen Dänemark, viel dramatischer, als dieses Ergebnis es vorgaukelt. Rund zehn Minuten lang stand die deutsche Mannschaft am Abgrund, dem Gruppen-Ersten drohte der vorzeitige EM-Abpfiff. Es stand 1:1. Als Cristiano Ronaldo im fernen Charkow gegen die Niederlande das 2:1 für Portugal erzielte, hätte ein Gegentor der Dänen die Deutschen aus allen Träumen gerissen. Deren Trainer Morten Olsen brachte den frischen Christian Poulsen und blies zur Attacke – seine Mannschaft zum Glück nicht. Die Dänen spielten ihren Stiefel herunter, „als ob ihnen das Ergebnis egal sei“, wie sich Bundestrainer Joachim Löw wunderte: „Wir wussten, dass ein Gegentor das Aus bedeuten würde. Aber ich war ganz ruhig, Puls 60 oder 65. Ich hatte einen Plan, falls der Fall eintreten würde.“

Ob dieser Plan gegriffen hätte, ist eine andere Sache. Denn die deutsche Mannschaft wirkte in diesen Minuten wie gelähmt. Der Druck als selbst ernannter Titelaspirant wurde in diesem Gruppenspiel mit K.-o.-Charakter zur tonnenschweren Last. Nur gut, dass der unbekümmerte Lars Bender Anlauf nahm und den Ball zum Siegtor einlochte. Manch anderer wäre womöglich ins Grübeln geraten und hätte gezaudert.

Kein Platz für Begeisterung oder gar Euphorie

So liest sich die Zwischenbilanz wie das Schulzeugnis eines Strebers: drei Spiele, drei Siege, neun Punkte. Da kann keiner meckern. „Ihr seid ein fantastisches Team, und ihr sollt wissen, dass ganz Deutschland hinter euch steht“, jubelte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach übers Bordmikrofon.

Für Begeisterung, für Euphorie gar, ist dennoch kein Platz. Bitte, 14 Siege in Folge sind eine stolze Ausbeute, die hochgelobten Niederländer sind längst zu Hause, wenn die deutsche Mannschaft am Freitag (20.45 Uhr/ZDF) in ihrem Wohnort Danzig gegen Griechenland um den Einzug ins Halbfinale kämpft. Und auch bei der WM 2010, wo alles scheinbar leicht und einfach war, ging erst in den K.-o.-Spielen gegen Argentinien und England die Post ab. Die Gruppenphase verlief ähnlich mühevoll wie diesmal. Mit einem Unterschied: Damals knickte die Mannschaft gegen Serbien ein, diesmal hielt sie den Dänen stand. „Vor ein paar Jahren“, ist sich Löw sicher, „hätten wir dieses Spiel nicht gewonnen. Jetzt verfügen wir über technisch begabte Spieler, die so ein Spiel kontrollieren können.“

Dennoch stellt sich die Frage: Wie will die deutsche Elf die griechische Mauer überwinden? Das Team aus Hellas wird ähnlich defensiv, eher noch einen Tick defensiver als die Dänen antreten. Und gerade spielerisch hakt es noch in der deutschen Mannschaft. Die Defensive steht, aber die Offensive sucht ihre Form. Allen voran Mesut Özil, ein Schatten seiner selbst. Schweren Schrittes schleppte sich der sonst so leichtfüßige Zauberer über den Rasen, er fand keine Anspielstationen, weil seine Pässe zu selten die Laufwege seiner Kollegen kreuzten – oder umgekehrt. Hinter der eher statischen Sturmspitze Mario Gomez tut sich Özil schwer, ins Spiel zu finden, weshalb er gern nach rechts ausweicht. Dort fummelt er so lange, bis der Ball verloren ist. Dänemark verschleppte das Tempo und bekämpfte das Dreieck Schwein-steiger-Khedira-Özil im Zentrum. „Es gab große Lücken im Mittelfeld. Wir haben dem Gegner zu viel Platz gelassen“, moserte Löw und bemängelte die mangelnde Chancenverwertung vor der Pause.

„Es ist immer einfacher, wenn der Gegner mitspielt. Die Dänen haben das nicht gemacht, obwohl sie gewinnen mussten“, wunderte sich Sami Khedira. Soll niemand meinen, die Griechen würden die Deutschen zum offenen Schlagabtausch einladen. „Die hatten bei der EM bisher drei Chancen und machen drei Tore, vielleicht waren es auch vier Chancen“, ahnt Joachim Löw, „sie sind Meister der Effizienz, sie werfen sich in jeden Ball, sie sind hartnäckig. Manchmal beißt man bei ihnen auf Granit.“ Er muss sich eine Menge einfallen lassen, damit das nicht auch am Freitag passiert.