Lars Bender. Foto: dpa

Schaffte Sprung in EM-Kader gerade so: Siegtorschütze Bender genießt jetzt sein Glück und kämpft um Platz.

Danzig - Da saß er nun vor der versammelten Medienschar wie ein Pennäler, der zum Direktor zitiert wurde. Lars Bender (23) sieht ja immer so aus, als könne ihn kein Wässerchen trüben. Ruhig wirkt er, folgsam und ehrgeizig. Nicht selbstverloren wie ein Waisenknabe, eher der Typ Musterknabe, den auch Joachim Löw in ihm sieht und schätzt. Dabei kann er auch anders.

Am Tag nach seinem ersten Länderspiel von Beginn an, am Tag nach seinem ersten Länderspieltor gab sich Bender schlagfertig, zupackend und auf die Minute bereit – wie am Abend zuvor beim 2:1 gegen Dänemark, als er die Vorlage von Mesut Özil zum Siegtreffer verwertet hatte. „Mir blieb gar nichts anderes übrig, als den Ball reinzuschießen“, sagte er, „hätte ich den Torwart angeschossen und hätten die Dänen einen Konter eingeleitet, hätte ich 80 Meter zurücklaufen müssen.“ Also hat er den Ball lieber versenkt – so kaltschnäuzig wie ein Routinier.

Dabei hatte er zuvor gerade achtmal das Trikot mit dem Bundesadler getragen. Auf der rechten Verteidigerposition feierte er sogar sein Debüt. Ein Frischling, der kam, sah, traf – und siegte. Mit der Mannschaft, und für sich selbst. „Eine Riesengeschichte“ sei das, „ein Freudentag, den ich nie vergessen werde.“ Und dann erzählte der stille Lars die Geschichte von seinem lauten Handy. Wobei, viel zu erzählen gibt es da gar nicht, es genügt ein Satz, um sich den Knall vorzustellen: „Natürlich explodiert dein Handy nach so einem Spiel.“ Weil jeder gratulieren will. In Leverkusen, wo er für Bayer spielt. In Dortmund, wo sein Bruder Sven für den BVB kickt. Und in Rosenheim, wo die Zwillinge geboren sind und Verwandtschaft haben. Rosenheim? Dabei spricht Lars Bender doch astreines Hochdeutsch, ohne einen Hauch bayerischen Akzentes. Oder nicht? „Dös hob i scho olles obglegt, damit’s ihr mi versteht’s“, sagte er und grinste sich eins.

Wie gesagt: Er kann auch anders.

Dieser Lars Bender ist der Prototyp der Spielergeneration 2.0. Freundlich, höflich und eloquent auf der einen, zielstrebig, erfolgsorientiert und hungrig auf der anderen Seite. „Lars und sein Bruder Sven sind Siegertypen. Sie haben keine Angst, sie zeigen keinen überzogenen Respekt vor dem Gegner, auch wenn sie vor eine völlig neue Aufgabe gestellt werden. Als ich es Lars mitgeteilt habe, dass er rechter Verteidiger von Beginn an spielt, sagte er: Ich freue mich. Das sagt viel über ihn aus“, staunte selbst Bundestrainer Joachim Löw.

Ein Dauerläufer ist Lars Bender ohnehin. 11,342 Kilometer spulte er gegen Dänemark ab, nur übertroffen durch Sami Khedira (11,521) und Bastian Schweinsteiger (12,194). Fast 91 Prozent seiner Pässe fanden den eigenen Mitspieler, dazu setzte er 97-mal zum Sprint an und verlor nur zwei von insgesamt neun Zweikämpfen – dummerweise auch den vor dem 1:1-Ausgleich, als der wuchtige Nicklas Bendtner bei seiner Kopfballvorlage für den Torschützen Michael Krohn-Dehli höher stieg als er. „Da habe ich mich riesig geärgert“, sagte Bender. Am positiven Gesamteindruck änderte das nichts. „Das Spiel stand auf des Messers Schneide, aber der macht das Tor mit einer Seelenruhe“, lobte Löw. „Kompliment! Vor diesem Jungen muss man einfach den Hut ziehen“, sagte Khedira anerkennend.

Als Löw Anfang Mai in Rastatt den EM-Kader nominierte, saß Lars Bender zu Hause vor dem Fernseher und zuckte kurz zusammen, als der Bundestrainer ihn als mögliche Alternative für die rechte Abwehrposition erwähnte. Jetzt hat er die Erwartungen erfüllt: „Wichtig ist, dass ich dem Trainer die Erkenntnis vermitteln konnte, dass er auf mich setzen kann“, sagte er. Dem Bundestrainer, wohlgemerkt. Im Bundesligaalltag mit Bayer Leverkusen wird man ihn auf der ungewohnten Position nicht sehen. Das hat er seinem Trainer Sami Hyypiä, der per SMS zu den ersten Gratulanten zählte, gleich mitgeteilt: „Ich habe ihm geschrieben: Das kommt nicht infrage. Ich spiele im Mittelfeld. Wenn sie Bedarf haben, sollen sie sich um einen Rechtsverteidiger bemühen.“

In der Nationalmannschaft sieht es anders aus. Da hat Jérôme Boateng seine Gelbsperre abgebrummt und bietet sich nach zwei Einsätzen gegen Portugal und die Niederlande wieder als rechter Verteidiger an. Lars Bender wird sich nicht kampflos geschlagen geben. Was er Boateng voraushat? „Ich glaube, ein Tor mehr“, sagte er.

Und die Lacher auf seiner Seite.