Ein Pflichtspiel hat der FV Hellas Mühlacker (weiße Trikots) bereits in Würm ausgetragen: das Kreispokalspiel gegen den 1.  FC Ersingen II. Foto: Geideck

Platzmangel: Warum ein Fußballverein aus Mühlacker ab jetzt an der Grenze zum Kreis Calw spielt.

Es ist ein trauriges Kapitel Amateurfußball: Nach sieben Jahren ohne Spielbetrieb wurde der FV Hellas Mühlacker wiederbelebt. Doch weil ihm seine Heimatstadt keinen Sportplatz zur Verfügung stellt, muss er ins 20 Kilometer entfernte Würm ausweichen.

Zumindest seinen Humor hat Nikolaos Dimas nicht verloren. Gerade macht der Vorsitzende des FV Hellas Mühlacker ein paar Tage Sommerurlaub in Griechenland, hat ein wenig Abstand gewonnen zu den unglaublichen Dingen, die sich da in seiner Heimatstadt Mühlacker abspielen. "Ich glaube, dass die Entscheidungen, die wir getroffen haben, richtig sind", sagt der 46-Jährige am Telefon im Gespräch mit unserer Zeitung, "es ist nicht die optimale Lösung, aber sie funktioniert."

Frust statt Enthusiasmus

Für den 1980 gegründeten griechischstämmigen Verein war es in den vergangenen Wochen und Monaten eine wahre Odyssee. Am Anfang war noch sehr viel Enthusiasmus da, denn nachdem er sich 2012 vom Spielbetrieb abgemeldet hatte, fanden bereits im vergangenen Sommer ein paar Mitglieder zusammen, um den FV Hellas Mühlacker wieder aus der Taufe zu heben. Aufgelöst hatte sich der Verein zwar nie, doch schon lange wurde keine Hauptversammlung mehr abgehalten. Das änderte sich 2018, ein Ruck ging durch die griechische Gemeinde der Stadt im Enzkreis. Eine griechische Taverne sponsorte einen Satz Trikots, sogar der griechisch-orthodoxe Pfarrer von Mühlacker schaltete sich ein und stellte einen Raum in der Kirche für den Fußballverein zur Verfügung. Hellas war wieder da.

Keine Kabinen, kein WC

Nur einen Punkt hatten die Verantwortlichen um Nikolaos Dimas nicht auf der Rechnung: den Sportplatz. Von 1980 bis zur Abmeldung 2012 spielte der Verein auf dem etwas abschüssig gelegenen Enztalsportplatz. Dort ist auch der Türkische SV Mühlacker zu Hause, mit dem die Griechen laut Dimas ein gutes Verhältnis haben. Also ging er davon aus, sich den Enztalsportplatz wie früher mit dem Türkischen SV zu teilen. Doch 2019 ist das nicht mehr möglich.

Das Problem: Es gibt weder Umkleidekabinen noch sanitäre Anlagen. Die Spieler müssten sich in einer rund einen Kilometer entfernten Sporthalle umziehen – zumindest außerhalb der Schulferien, denn mangels Hausmeister-Service kann die Halle während der Ferien überhaupt nicht genutzt werden.

Ein Freundschaftsspiel trug Hellas in dieser Sommerpause unter diesen Bedingungen aus. Dimas: "Wir hatten zwar einen Gegner gefunden, der das mitmacht, aber das machen wir nie wieder. Das geht einfach nicht. Was sollen wir bei Verletzungen machen? Und für Zuschauer ist die Situation mit den fehlenden Toiletten nicht tragbar, schon gar nicht für Frauen. Unter diesen Bedingungen kann man nicht einmal trainieren."

Eine Notlösung hat der Türkische SV gefunden, der an zwei Tagen in der Woche die dann freistehenden Räumlichkeiten des TC Mühlacker nutzen kann, der auf halber Strecke zwischen Enztalsportplatz und Halle sein Domizil hat. Doch damit ist die Kapazität des Tennis-Clubs schon ausgereizt. "Uns bietet sich diese Möglichkeit nicht", bedauert Dimas.

Ausbau nicht möglich

Die Stadt Mühlacker bestätigt auf Nachfrage des Schwarzwälder Boten die Problematik. Da sich das Areal, das direkt neben der Enz liegt, in einem Wasserschutzgebiet befindet, sei der Bau von Umkleidekabinen und sanitären Anlagen nicht möglich. Ebenso könne man dem griechischen Verein keinen anderen Platz anbieten. Infrage kommen würden das nicht weit entfernte Stadion von 08 Mühlacker sowie der Sportplatz der Sportfreunde Mühlacker, doch die Hausherren sträuben sich. "Es gibt gewisse Traditionsrechte", sagt ein Rathaus-Sprecher gegenüber unserer Zeitung.

Von der Stadt enttäuscht

Die Reaktion der anderen Vereine aus Mühlacker kann Dimas nachvollziehen. "Ich kann das verstehen. Gerade, wenn der andere Verein noch eine zweite Mannschaft hat. Dann wird es eng", sagt der Hellas-Vorsitzende. Enttäuscht ist er hingegen von der Stadt Mühlacker: "Wir genauso wie der Türkische SV. Wir verstehen nicht, warum es für solch langjährigen Vereine wie uns keine Lösungen gibt." Hellas habe der Stadtverwaltung sogar angeboten, selbst die Reinigung der Umkleidekabinen in den Ferien zu übernehmen und eine Kaution zu hinterlegen. "Wir sind doch erwachsene Leute. Ich war acht oder neun Jahre alt, als ich mich da zum ersten Mal umgezogen habe", kann der heute 46-Jährige das fehlende Vertrauen nicht nachvollziehen.

20 Kilometer entfernt

Ein anderes Rathaus stand den Hellenen hingegen wesentlichen offener gegenüber – das in Pforzheim. Allerdings arbeitet dort ein Spieler von Hellas Mühlacker, der den Verein darauf hinwies, dass der Sportplatz im Stadtteil Würm derzeit leer steht, da sich der Hausherr Phönix Würm ebenfalls vom Spielbetrieb abgemeldet hat. Für die Hellas-Verantwortlichen eine schwere Entscheidung, schließlich befindet sich der Sportplatz – nur etwa vier Kilometer Luftlinie von der Grenze zum Kreis Calw entfernt – gut 20 Kilometer von Mühlacker entfernt. Zweimal pro Woche müssten die Spieler die Strecke für das Training auf sich nehmen, bei Heimspielen sogar dreimal.

Doch Hellas sagte zu. Zwei Spieler aus Vaihingen an der Enz verließen daraufhin zwar die Mannschaft, weil ihnen die Entfernung zu weit war. Andere Hellas-Spieler wiederum wohnen in Pforzheim, für sie ist der Platz in Würm sogar näher gelegen. "Wir sind uns auch mit den Verantwortlichen von Phönix Würm schnell einig geworden", freut sich Dimas.

Keine Besserung in Sicht

Zunächst will Hellas ein Jahr lang in Würm spielen. Für die Nutzung des Platzes zahlt der Verein sogar eine Pacht, die für den Enztalsportplatz nicht fällig geworden wäre. "Wir schauen uns jetzt mal ein Jahr lang an, wie das funktioniert und ob wir zueinander passen", meint Dimas. Denn dass sich in einem Jahr etwas an der prekären Sportplatz-Situation in Mühlacker ändern wird, glaubt bei Hellas keiner – und übrigens auch niemand im Rathaus der Stadt. "Wir müssen schauen, wie es weitergeht", heißt es dort nur auf Anfrage unserer Zeitung.

Bleibt die Frage: Ist Hellas dann eigentlich noch ein Verein aus Mühlacker oder wäre nicht eine Namensänderung sinnvoll? Das lehnt Dimas allerdings ab: "Den Verein haben unsere Eltern, teilweise unsere Großeltern unter diesem Namen gegründet. Man kennt uns einfach auch unter diesem Namen." Möglich sei jedoch, Phönix Würm unter die Arme zu greifen und Geburtshilfe zu leisten, damit auch beim gastgebenden Verein die Zeit ohne Spielbetrieb endet. Es habe sogar schon Gespräche über eine mögliche Spielgemeinschaft gegeben. "Wir sind offen für alles", unterstreicht Dimas.

Sein erstes Pflichtspiel hat Hellas Mühlacker bereits in Würm bestritten: eine 1:6-Niederlage im Pforzheimer Kreispokal gegen den 1.  FC Ersingen II. Rund 50 Zuschauer waren da. "Wie ich gehört habe, hat alles gut in Würm funktioniert", meint Dimas am Telefon. Er selbst war nicht vor Ort, sondern bereits im Strandurlaub in Griechenland. Den hat er sich nach dieser Odyssee seines Vereins allerdings auch redlich verdient.