In der ARD-Talkrunde verweigert Martin Kind von Hannover 96 viermal die Antwort, wie er in der Sponsorenfrage bei der DFL abgestimmt hat.
Wie ein Fels in der Brandung saß Martin Kind in der Sendung „Hart aber fair“ am Montagabend in der ARD da und ließ alles Einreden auf sich an seiner schwarzen Lederjacke abprallen. Der 79-jährige Unternehmer und Sponsor sowie Geschäftsführer von Hannover 96 zieht derzeit viel Empörung in der Fußballwelt auf sich, weil unklar ist, ob er in der entscheidenden und geheimen Abstimmung der Deutschen Fußball Liga (DFL) nun dem Willen seines Vereins gefolgt ist und mit einem „Nein“ gegen den Einstieg von Sponsoren gestimmt hat oder nicht. Der Einstieg eines Sponsors bei der DFL ist im Dezember mit knapper Zwei-Drittel-Mehrheit der 36 Bundesligisten beschlossen worden, aber seit Wochen tobt eine Protestwelle in den Stadien – geführt mit Würfen von Tennisbällen und Goldtalern aufs Spielfeld – gegen diese Entscheidung.
Kind rügt „elende Spekulation“
Bevor sich Moderator Louis Klamroth mit der spannenden Frage an Martin Kind heranmachte, hatte der Sportschau-Reporter Marcus Bark schon mal die Fährte gelegt. Mehrere Vereine hätten inzwischen ihr Abstimmungsverhalten öffentlich gemacht, bei anderen sei es recherchiert worden: Man könne Martin Kind zwar nichts unterstellen, aber, so Bark: „Wenn man alles zusammenzählt, dann kommt bei Herrn Kind eine Ja-Stimme heraus.“ Mit verschiedenen Varianten der Frage, wie er denn nun abgestimmt habe, probierte es Louis Klamroth dann viermal hintereinander bei Martin Kind, der aber blieb verschwiegen.
Er habe ein anderes Verständnis von Demokratie und Spielregeln, der DFL habe eine geheime Abstimmung vorgeschlagen, das sei allenthalben ohne Einspruch akzeptiert worden, daran halte er sich. Wenn andere sich jetzt öffentlich äußerten, sei es deren Sache. „Ich lehne das ab.“ Er wolle sich nicht an einer solch „elenden Spekulation“ beteiligen. Es sei doch völlig unbekannt, woher die Stimmen kämen. Auf jeden Fall sei eine Zwei-Drittel-Mehrheit eine außergewöhnliche Situation und dem im Studio ebenfalls sitzenden SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert rief Kind zu: „Sie wären doch glücklich, wenn Sie so etwas hätten.“
Geht der Fußball kaputt?
Kurz war in der Studiorunde auch erörtert worden, was von einem Protest auf den Tribünen zu halten ist, indem Martin Kinds Porträt in einem Fadenkreuz auf einem Transparent zu sehen ist. „Extrem“, „aggressiv“ und „eine Linie überschreitend“ war das Echo in der Runde. Der Hörgerätehersteller Kind, der mit dem eigenen Verein im Clinch liegt, sagte nur, er kenne das seit einem Jahrzehnt. Hannover 96 sei übrigens mal fast insolvent gewesen. Er nehme solche Anfeindungen „kaum noch zur Kenntnis“, sie seien aber natürlich inakzeptabel.
„Machen Investoren den deutschen Fußball kaputt“, hatte die Leitfrage der Sendung gelautet, und Martin Kind machte sehr deutlich, dass er dies nicht glaube und dass ein Sponsoreneinstieg sinnvoll sei bei der DFL, um die Digitalisierung, die Nachhaltigkeit, die Jugendarbeit und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Fußballs mit einer besseren Vermarktung zu sichern: „Aus dem operativen Geschäft heraus ist das nicht zu leisten.“
Sorge wegen neuer Spielzeiten
Ziemlich die Gegenposition vertrat die Sportjournalistin Mia Guethe, die Martin Kind nach seiner Aussageverweigerung direkt kritisierte. Eine Entscheidung, wie es mit dem deutschen Fußball in den nächsten 40 Jahren oder „in ewig“ weiter gehe, könne nicht einigen Einzelpersonen überlassen werden und es sei nicht populistisch sondern gut, wenn jetzt Vereine ihr Abstimmungsverhalten öffentlich machten und die Mitglieder seien mit einzubinden.
„Ihnen war es aber auch schon an anderer Stelle egal, was die Fans denken“, sagte Guethe an Kind gerichtet. Beispielsweise bei seinem Antrag gegen die 50+1-Regel, die die Macht von Sponsoren begrenzt. Guethe gehörte in der Studiorunde zum Lager der Investorenkritiker, die von einer massiven Einflussnahme von Geldgebern vor allem Negatives befürchten: Auswüchse des Investorenmodells wie in der englischen Premier League, wo es keine preiswerten Stehplätze mehr gibt oder ein überdrehtes Kommerzmodell des Fußballs wie in Saudi-Arabien, wo ein Ronaldo 200 Millionen Euro im Jahr verdient. Und ganz konkret befürchtet werden neue Anstoßzeiten unter der Woche. Es solle doch keiner glauben, dass ein Investor sich „still und heimlich zurücklehnen“ werde, nein, da werden „Brandmauern fallen“, so Guethe. „Wir müssen unsere Fußballkultur bewahren. Bei uns ist die Rolle der Fans entscheidend.“ Es dürfe nicht zur Zerstückelung von Spieltagen kommen, die Verbindung von Tribüne und Platz dürfe nicht gekappt werden.
Kritik an dem „Herumgeeiere“ des Funktionärs
Ins gleiche Horn stieß Thomas Kessen vom Fan-Verband „Unsere Kurve“, der Martin Kind ein schädigendes Verhalten für den deutschen Fußball vorwarf wegen „Ihrem Herumgeeiere in der Diskussion nach der Entscheidung“. Kessen bezeichnete den Stadionprotest als „friedlich und kreativ“, er warnte vor einer „monetären Rattennummer“ im Fußball und davor, dass der Stadion-Fußball künftig aufgrund des Fernsehens geändert werde. Die Corona-Pandemie habe doch gezeigt, dass die Stadionbesucher wichtiger sei als TV-Übertragungen. Kessens Forderung in der aktuellen Situation: Mindestens eine transparente und offene Wiederholung der Abstimmung oder besser noch, dass die Sponsorenpläne „ad acta“ gelegt werden.
Legale, aber nicht legitime Abstimmung
Nicht unbedingt kapitalkritisch, aber das Procedere anzweifelnd äußerte sich der Sozialdemokrat Kühnert. Natürlich brauche der Fußball Geld, es spiele ja keiner mehr für ein Mittagessen. Kühnert aber zweifelte den Abstimmungsprozess in der DLF an, der sei vielleicht legal gewesen, aber besser wäre es, die Legitimation noch mal neu herzustellen. Selbstverständlich müsse nach einer geheimen Abstimmung niemand sagen, wie er votiert habe. Trotzdem befürwortete Kühnert einen Neustart, denn das Votum habe auf einem „intransparenten Prozess“ stattgefunden, und das nähre gerade die Sorge der Fans: „Dass unsere Regelwerke in Zukunft ausgehöhlt werden, und ein Investor sagt, ihr müsst jetzt alle in Chupa-Chup-Rosa-Trikots herumlaufen.“
Markus Babbel findet Proteste „nervig“
Eine Mittelposition vertrat die Ex-Fußballerin Ariane Hingst, die meinte, der deutsche Fußball müsse sich dem Wandel anpassen, und jetzt mit neuen Konzepten auf jüngere Fans zuzugehen. Der DLF plant eine digitale Plattform – das sei richtig, der falsche Weg aber wäre es, jetzt für Milliarden teure Weltstars einzukaufen. Was aber bei den Vereinen von einem Sponsoreneinstieg überhaupt hängen bleibt, das beantwortete Christoph Breuer, Professor für Sportökonomie, in eher ernüchternder Weise: Allenfalls mittelfristig könnten die Vereine profitieren, die DFL wolle die Bundesliga im Ausland medial besser vermarkten, es gehe um eine „Aufmerksamkeitsökonomie“ und dazu werde ein strategischer Partner und Geldgeber gesucht.
Finanzhilfen für pleite gefährdete Vereine sind dabei nicht vorgesehen, wohl aber Zuschüsse für Auslandsreisen. Für Martin Kind aber ist ein Investoreneinstieg eine gute Sache. „Woher soll das Geld denn kommen“, fragte er. Mit einem seriösen Vertragspartner und einem guten Vertrag könne man auch einen Investor einbinden und der habe auch ein Interesse daran, dass die Sache eine „Erfolgsstory“ werde, denn sonst verliere der sein Geld. Der DFB habe sich schon Ende der 90er Jahre für die Kapitalmärkte geöffnet und der Erfolg von RB Leipzig mit einem Investor sei ein leuchtendes Vorbild, das sei doch „super“, wie die sich entwickelt hätten. Martin Kind war übrigens derjenige, der auf die Frage des Ex-Nationalspielers Markus Babbel - „Wo ist denn jetzt die Lösung? Die Proteste sind nervig!“ – eine klare Antwort parat hatte. Die DFL habe sehr wohl eine Strategie, sie sei „wachstumsorientiert“ und gehe ein „unternehmerisches Risiko“ ein. Aber die von ihr getroffene Entscheidung stehe und die DFL werde nun „seriös“ mit einem Investor verhandeln: „Warten wir es ab.“