Dennis Aogo vom VfB Stuttgart ist der siebte Fußball-Profi, der sich der Common-Goal-Initiative anschließt. Foto: Eibner

Fußball: Wie Dennis Aogo (VfB Stuttgart) engagieren sich Fußballer für soziale Projekte und gründen Stiftungen

So ganz zufrieden ist Dennis Aogo ja nicht an diesem Montagnachmittag. Zwei Monate nach seiner Ankunft beim VfB Stuttgart ist er sportlich zwar angekommen, einerseits nervt aber noch immer die unnötige Niederlage im vergangenen Auswärtsspiel bei Eintracht Frankfurt (1:2). Zum anderen wohnt der Abwehrspieler samt seiner kleinen Familie noch immer im Hotel. "Die Wohnung", sagt er "muss noch umgebaut werden." Ideal sei das nicht. Doch er weiß: Es gibt schlimmere Sorgen.

Sorgen um ein Leben in Frieden. Sorgen um ein Leben mit dem Nötigsten. Sorgen, wie sie die wenigsten Profifußballer in den großen Ligen kennen.

Man kennt stattdessen die Bilder von teuren Karossen, extravaganter Kleidung und großen Villen. Vor allem aber kennt man die Summen, die im Spiel sind, wenn die Besten der Besten geködert, transferiert und schlussendlich bezahlt werden. "Die Kluft", sagt Aogo und führt seine Handflächen auseinander, "wird immer größer." Er meint jene zwischen denen, die vom finanziellen Volumen der Fußballbranche profitieren – und jenen, die dank ihrer Begeisterung für diesen Sport die Basis bilden. "Die einen verstehen die anderen nicht mehr", hat der 30-jährige Profi festgestellt. Und meint zu erkennen: "Im Fußball gehen ein paar Werte flöten." Aogo will, dass soziale Verantwortung nicht dazu gehört.

Also sitzt er am Montagnachmittag nun einerseits im Klubhaus des VfB Stuttgart, andererseits aber steht er in einer Reihe mit Fußballern, die nicht das Trikot mit dem Brustring tragen. Ihre Namen: Mats Hummels vom FC Bayern München, Juan Mata von Manchester United, Serge Gnabry von 1899 Hoffenheim, Giorgio Chiellini von Juventus Turin. Aogo hat es nicht in eine sportliche Weltauswahl gebracht – sondern ist der insgesamt siebte Fußball-Profi, der sich der Common-Goal-Initiative anschließt.

Nun ist es keine Neuigkeit, dass sich prominente Sportler als Einzelpersonen für wohltätige Zwecke engagieren. Fußball-Weltmeister Sami Khedira (Juventus Turin) zum Beispiel unterhält eine eigene Stiftung, vor zwei Jahren hat er über ein Benefizspiel viel Geld für benachteiligte Kinder in der Region Stuttgart gesammelt. Real-Madrid-Star Toni Kroos hat vor einigen Wochen eine Gala zugunsten wohltätiger Zwecke veranstaltet. Ex-Bayern-München-Kapitän Philipp Lahm ist ebenso Stifter wie seine Ex-Teamkollegen Manuel Neuer und Jérôme Boateng. Es gibt weitere Beispiele und Organisationen. Auch Aogo hat schon einmal eine Wohltätigskeitsgala veranstaltet und sich zuletzt wieder verstärkt gefragt, was er unternehmen könnte, "um etwas zurückzugeben" von seinem Glück, das ihm fußballerisches Talent beschert hat und ein priviligiertes Leben ermöglicht. Dann hat er über einen privaten Kontakt von Common Goal gehört.

Jürgen Griesbeck hat die Idee

Hinter der Organisation mit Hauptsitz in Berlin steckt die Idee von Jürgen Griesbeck. Der 52-Jährige ist Fan des SC Freiburg. Noch wichtiger aber: Er gründete vor 15 Jahren die Organisation Streetfootballworld, die mittlerweile mit mehr als 120 Projekten in 70 Ländern auf sechs Kontinenten zusammenarbeitet. Das Ziel: Mithilfe des Fußballs gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen – Aufklärung, Bildung, Frieden, Chancen, Gleichberechtigung. Aus dieser Arbeit heraus entstand die Common-Goal-Idee, der folgender Gedanke zugrunde liegt: Wenn viele Sportler, Berater, Unternehmen und Organisationen, die mit dem Fußball viel Geld machen, nur einen kleinen Teil geben, ist die Wirkung phänomenal groß. Der kleine Teil soll sein: ein Prozent. Vom Umsatz, vom Gehalt, vom Gewinn. Aogo ergänzt: "mindestens".

Juan Mata fühlt sich, als ob er in einer Blase lebt

Der Spanier Mata war der erste, der die Idee mit Leben füllte. Der Nationalspieler hat das Leben als Fußballprofi einmal so beschrieben: "Es ist, als lebten wir in einer Blase." Vor der aktuell laufenden Saison hat er sie verlassen und sich dazu verpflichtet, eben jenen Teil von einem Prozent seines Gehalts – er verdient pro Jahr geschätzte 8,5 Millionen Euro – zu spenden. Es folgte Hummels, zuletzt kam Gnabry (TSG 1899 Hoffenheim) hinzu – und nun eben auch Aogo: "Ich habe allergrößten Respekt vor jedem Kollegen, der sich als Einzelperson sozial engagiert. Das ist ein großer Aufwand." Als Teil von Common Goal dagegen könne er "Gutes tun und mich trotzdem auf mein Kerngeschäft, also das Fußballspielen konzentrieren". Der Teamgedanke begeistere ihn zudem.

"Gemeinsam kann man in der Position, in der wir Fußballer sind, unfassbar viel bewegen, ein kleiner Beitrag tut nicht weh", sagt Aogo – und spendet künftig sogar zwei Prozent seines Jahresgehalts, "es heißt ja ›mindestens ein Prozent‹, ich habe einen anderen Wert für mich festgelegt." Für welche Projekte das Geld eingesetzt wird, ist noch offen. "Wir schauen, was zu mir passt", sagt der in Karlsruhe geborene Sohn eines nigeranischen Vaters und einer deutschen Mutter. Mata ist schon jetzt begeistert: "Wir freuen uns riesig, Dennis im Team willkommen zu heißen. Ich glaube stärker als je zuvor daran, dass der Fußball die Welt verändern kann." Das klingt doch gut.

So gut sogar, dass manch einer hinter so viel Wohltätigkeit auch andere Aspekte als den guten Willen vermuten könnte. Im modernen Fußball bestimmt schließlich auch das Image den Marktwert. Ein bisschen geben, um am Ende noch mehr zu bekommen? Aogo wehrt sich gegen solche Gedanken – weiß aber, dass es sie womöglich gibt. Also geht er dagegen an: "Das ist keine Modeerscheinung, wir sind kein Klub der Coolen." Und wenn doch der eine oder andere Kollege die gute Sache für das eigene Vorankommen nutzt? Aogo hebt die Schultern und arbeitet das für ihn eigentlich Wichtige heraus: "Egal, was nun die Beweggründe sind – man tut Gutes." Also hofft er, dass sich noch viele Kollegen und auch Trainer Common Goal anschließen.

Um "Kindern eine Chance geben zu können", wie er sagt, um "ihnen den Weg weisen zu können", um "ihnen dabei zu helfen, das Beste aus ihrem Leben zu machen." Aber eben auch, um die auseinanderdriftende Fußballwelt wieder ein Stück weit zu einen. "Dieses Engagement ist eine Chance, zu vermitteln", sagt Aogo, "und um zu zeigen: Wir haben die andere Seite nicht vergessen." Und auch nicht deren Sorgen.

Info

Spenden im Sport

Nicht nur Fußballer setzen sich für den guten Zweck ein, auch andere große Sportler geben Geld für soziale Projekte. Die Stiftung des deutschen Basketball-Superstars Dirk Nowitzki beispielsweise unterstützt sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche in Deutschland und der Welt dabei, durch Sport an der Gesellschaft teilzuhaben.

Michael Phelps, Ex-Schwimmer und Rekord-Olympiasieger, fördert mit seiner Stiftung Kinder im Schwimmsport. Sein US-Landsmann LeBron James, ein weiterer Superstar des Basketballs, finanziert Bildungsprojekte für Kinder und Jugendliche.  Vor allem zahlreiche ehemalige Spitzensportler engagieren sich unter dem Vorsitz von Edwin Moses für die Laureus-Stiftung, die weltweit soziale Sportprojekte fördert. Einmal im Jahr werden öffentlichkeitswirksam die Laureus-Awards vergeben und Spenden gesammelt.