Die Spielanalyse – eine der Aufgaben von Anil Yildiz als Co-Trainer der U20-Frauen des VfL Wolfsburg. Foto: Yildiz

Fußball: Anil Yildiz aus Jettingen war zwei Jahre lang als Co-Trainer bei den U20-Frauen des VfL Wolfsburg erfolgreich.

Der 33-jährige Anil Yildiz aus Jettingen war zwei Jahre lang Co-Trainer an der Seite von Saban Uzun in der 2. Frauen-Bundesliga beim VfL Wolfsburg. Jetzt ist er seit ein paar Monaten zurück im Gäu und sucht eine neue Herausforderung.

Anfang dieser Saison ist Anil Yildiz wieder auf den Sportplätzen in der Region aufgetaucht. Er stand sogar wieder selbst ein paar Mal beim VfL Herrenberg in der Bezirksliga auf dem Rasen. Der VfL Herrenberg ist neben dem VfL Oberjettingen sein Heimatverein, dort hat er in der Jugend gespielt und 2006 in der Landesliga debütiert. Später stellte der spielstarke Stürmer seine Treffsicherheit auch beim TSV Ehningen und Hildrizhausen sowie dem VfL Nagold unter Beweis.

Als Trainer hat er da noch mal einen draufgesetzt. Die beiden zurückliegenden Spielzeiten coachte er an der Seite von Saban Uzun die U20 des VfL Wolfsburg in der 2. Frauen-Bundesliga. Er blickt auf eine überragende Zeit zurück.

Intensive Zeit

In beiden Jahren sind sie Vizemeister geworden. Und das, obwohl aus den bis dahin bestehenden zwei Ligen nach dem ersten Jahr eine eingleisige Liga gemacht wurde, und der VfL Wolfsburg seine zweite Mannschaft von einer U23 in eine U20 umwandeln musste. Dazu haben sie den Titel beim FIFA-Youth-Cup geholt, waren also die beste Nachwuchsmannschaft der ganzen Welt. "Es war eine super schöne, aber auch intensive Zeit", sagt der 33-jährige Jettinger. Deshalb hat er sich nach zwei Jahren dazu entschieden, eine kleine Auszeit einzulegen. Die beiden schwäbischen Coaches haben unabhängig voneinander ihre Verträge in Wolfsburg nach der zweiten Spielzeit nicht verlängert.

Anil Yildiz und Saban Uzun kennen sich schon lange. Von Jettingen nach Ergenzingen, dem Heimatort von Uzun, ist der Weg nicht so weit. Beide gehören dem gleichen Jahrgang an, also haben sich womöglich in der Fußball-Jugend die Wege schon das ein oder andere Mal gekreuzt. Als dann Anil Yildiz seine Anfänge als Trainer beim SC Neubulach in der Kreisliga A I gemacht hatte, kam er als Co-Trainer zum Frauen-Team des VfL Sindelfingen. Die spielten damals noch in der 2. Frauen-Bundesliga, und Saban Uzun war ihr Trainer. "Ich habe ganz schnell gemerkt, dass da in Sachen Professionalität ein ganz anderer Wind weht als bei den Männern in der Kreisliga." Trainiert wurde vier- bis fünfmal in der Woche. Dazu kommt die Spiel- und Trainingsvorbereitung. Also hat er sich die Frage gestellt, ob sich das mit seinem Leben vereinbaren lässt. "Mir war klar: Wenn ich das mache, dann ganz oder gar nicht", blickt er zurück. "Ich habe mich voll in die Sache reingekniet, auch meine Trainerscheine gemacht." Dann kam das Angebot aus Wolfsburg. Schnell wurde klar, dass die beiden auch da wieder zusammenarbeiten.

Die beiden verließen die schwäbische Heimat. Ein großer Schritt. Anil Yildiz hatte damals noch in einer Spedition gearbeitet und führte zudem gemeinsam mit seinen beiden Brüdern einen Sneaker-Store in Herrenberg. Doch er wagte das Risiko und widmete sich ganz dem Fußball. Zu seinen Aufgaben als Co-Trainer gehörte unter anderem die Spiel- und Gegneranalyse. Eine Detailarbeit, bei der man eigentlich nie genug machen kann. Videostudium, Aufbereitung dessen, was im Spiel gut und schlecht gelaufen ist und dann alles prägnant auf den Punkt bringen. Schließlich darf man die Mannschaft damit auch nicht überfordern. Es ist ähnlich wie in der Schule. Wenn es zu lange dauert oder langweilig wird, dann schaltet ein Teil der Zuhörer ab.

Viel Arbeit

"Man kann das auf verschiedene Arten machen", erklärt Anil Yildiz, "eine Möglichkeit ist, Schwerpunkte festzulegen, die mit negativen und positiven Spielszenen wiedergegeben werden." Schnell wird klar, dass die Kommunikation zu seinen großen Stärken gehört. Was ihm dabei sehr wichtig ist, ist die Mannschaft direkt in die Analyse einzubeziehen und nicht nur einen Vortrag zu halten. "Da merkt man gleich sehr schnell, ob es auch bei der Mannschaft ankommt, was man erzählt." Wenn der 33-Jährige von der Zeit und der Arbeit in Wolfsburg erzählt, wird schnell klar, was bei einem Profi-Klub alles an Arbeit hinter den 90 Minuten, die am Wochenende gespielt werden, steckt. "Das sehen viele oft gar nicht", weiß Anil Yildiz.

Was die Leute dagegen oft sehen wollen ist, dass es ja nur Frauenfußball gewesen sei. Ein reines Vorurteil, das völliger Quatsch sei. "Da wird inzwischen genauso professionell gearbeitet wie im Männerbereich auch", betont er. Gerade in Wolfsburg, dem deutschen Aushängeschild. "Klar, die physischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die gibt es. Aber technisch und taktisch wird inzwischen auch im Frauenfußball auf höchstem Niveau gearbeitet."

Zurück in Nagold

Er ist davon überzeugt, dass dieses Gerede nur von den Leuten kommt, die sich auch gar nicht mit dem Thema befassen, sondern es von vorneherein als schlecht abtun. "Würden sich die Leute damit intensiv beschäftigen, dann würden sie sehen, dass das alles nur Vorurteile sind und die Realität heutzutage ganz anders aussieht."

Auch seine eigene Realität sieht inzwischen wieder etwas anders aus. Seit seiner Rückkehr aus Wolfsburg lebt er in Nagold und hat die letzten Monate genutzt, um sich fortzubilden. Statt der täglichen Arbeit auf dem Trainingsplatz drückte er dabei auch selbst wieder die Schulbank. An der Fußballschule in Düsseldorf hat er eine Weiterbildung in Sachen Scouting und Spielanalyse gemacht. Dazu angefangen, Spanisch zu lernen. Zeitgleich unter anderem bei den Stuttgarter Kickers und weiteren Vereinen hospitiert. Jetzt steckt er wieder voller Energie und hat wieder richtig Lust auf Fußball bekommen, würde gerne wieder ins Geschäft einsteigen. "Ich habe gemerkt, wie sehr ich die Arbeit auf dem Platz vermisse", betont er. Dieses Gefühl hat sich in den letzten Wochen nochmals verstärkt, in denen es Corona-bedingt gar keinen Fußball mehr gab.