Ist auf jeder Position einsetzbar, aber rechts in der Viererkette zu Hause: Tim Kübel. Foto: Schuon

Wenn Team das wichtigste Spiel der Saison bestreitet, ist Tim Kübel schon wieder ganz weit weg.

Dass es ein Engagement auf Zeit war, das war allen von Anfang an klar. Beim VfL Nagold wussten sie von Tim Kübels Plänen, im Sommer wieder nach Amerika zu gehen. Dass er jedoch das wichtigste Spiel der Saison verpassen würde, damit hatten beide Seiten nicht gerechnet. Wenn seine Teamkollegen am Sonntag (15 Uhr) das Relegationsspiel gegen den TSV Heimerdingen bestreiten, dann liegt Kübel wahrscheinlich noch im Bett. Er hat Deutschland am vergangenen Samstag bereits wieder verlassen. Erster Halt: San Diego, Kalifornien.

Arbeit im Surferparadies

Im Surferparadies steht es aber zumindest nicht ganz oben auf der Liste des 25-Jährigen, faul am Strand herumzuliegen. Es ist die Pflicht, die ihn nach Kalifornien verschlagen hat. Dort findet dieser Tage ein großes Turnier statt, bei dem sich viele Trainer der College-Mannschaft versammeln, um Spieler zu scouten. Irgendwann mal einer davon zu sein, das ist auch der Plan von Tim Kübel. Doch da ist noch mehr. Der Nagolder arbeitet für eine Scouting-Firma von Sven Mislintat, dem Sportdirektor des VfB Stuttgart. Und er soll den Trainern in den USA nun die Software dieser Firma, die Spieler anhand von "Big Data", also unendlich vielen Daten, bewertet, vorstellen. "Es ist natürlich sehr schade, dass ich ausgerechnet am Sonntag nicht spielen kann", sagte er ein paar Tage vor seiner Abreise. "Ich bin aber überzeugt davon, dass die Jungs es auch ohne mich schaffen."

Das Multifunktionstool

Die Lücke, die er hinterlässt, zu schließen, das wird nicht einfach. Tim Kübel war in den zurückliegenden Partien so etwas wie das Multifunktionstool in der Werkzeugkiste von Trainer Armin Redzepagic. Zunächst hatte er ihn vornehmlich in der Offensive als hängende Spitze gebracht. Das funktionierte in der Vorbereitung auf die Rückrunde hervorragend. Später in den Partien ebenfalls gut. Gegen die TSG Tübingen (3:3) zum Beispiel hat er in den ersten 45 Minuten ein Tor erzielt, eines vorbereitet und einen Elfmeter herausgeholt. Zuletzt zog ihn Redzepagic dann nach hinten und brachte ihn als Rechtsverteidiger, die Position, die Kübel auch bei seinen Profi-Stationen spielte. "Da hat er seine besten Spiele gemacht", betont der Coach. "Er war zuletzt ein Riesenfaktor für die guten Leistungen, die wir als Mannschaft gebracht haben."

Die Stimmungskanone

Als im Winter bekannt wurde, dass Tim Kübels Vertrag bei Toronto FC nicht verlängert wird und er nach Deutschland zurückkehren wird, da haben sie beim VfL Nagold sprichwörtlich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den 25-Jährigen davon zu überzeugen, in der Rückrunde beim Verbandsligisten anzuheuern. Das hatte er bereits 2016 getan, als er das letzte Mal für längere Zeit in Süddeutschland gewesen war. Als es dann klappte, da war die Freude im Verein riesig. Es hatte für die Nagolder oberste Priorität, nach dem langwierigen Ausfall von Pascal Reinhardt einen erfahrenen Spieler zu finden, der nicht nur Leistung auf dem Platz bringt, sondern auch ein Vorbild für die jungen Spieler ist und ihnen zeigt, wo es langgeht. Da kam ihnen Kübel gerade recht. "Er hat uns mit seiner Art alle begeistert", sagt Redzepagic. "Er ist als Typ einfach genial, wenn er was sagt, dann wird immer gelacht. Tim hat eine super Stimmung in die Mannschaft gebracht." Und damit die anderen angesteckt, gerade auch den jungen Spielern die nötige Lockerheit mit auf den Weg gegeben.

Eine Kurzgeschichte

Die Geschichte des 25-Jährigen sollte jedem, der ein wenig mit dem Fußball in der Region vertraut ist, bekannt sein. In Kurzfassung geht sie ungefähr so: Nach seiner Jugendzeit beim SV Pfrondorf/Mindersbach und dem VfL Nagold wechselte er zu den B-Junioren nach Ergenzingen, die damals in der Bundesliga spielten. Dort glänzte er regelmäßig auf der großen Bühne und spielte sich ins Notizbuch von Borussia Dortmund, wo er ein Jahr später hin wechselte. Nach der Jugendzeit wurde er in die U23 des BVB übernommen, wechselte nach zwei Jahren zu Schalke 04 und entschloss sich dann, in Amerika zu studieren. Dort wurde er nach der Zeit am College von Toronto FC in die MLS gedraftet, konnte sich dort jedoch nicht durchsetzen und kam deshalb zurück nach Deutschland.

Ausbildung zum Trainer

Diese Zeit wollte der 25-Jährige dann vornehmlich dazu nutzen, um erste Erfahrungen als Trainer zu sammeln. Er machte die B-Lizenz, den dafür erforderlichen Schiedsrichter-Schein und bekam beim VfL Nagold die Möglichkeit, bei den C- und A-Junioren ins Trainerteam einzusteigen. An diesem Punkt und seiner schulischen Ausbildung wird er nun auch in den Vereinigten Staaten von Amerika weiter arbeiten. Er hat einen Platz für ein Masterstudium an der University of North Carolina bekommen. Dort macht er einen Masterabschluss in Sportmanagement. Und die UNC ist keine gewöhnliche Universität. Sie zählt in Sachen Sport, zu dem Besten, was es in den USA gibt. So hat zum Beispiel auch ein gewisser Michael Jordan dort studiert und für das Basketballteam gespielt. Neben dem Studium wird Kübel zudem Co-Trainer der Fußballmannschaft und auch Sport unterrichten. "Im ersten Jahr mache ich neun Stunden Sportunterricht", sagt er. Das Studium ist auf zwei Jahre angelegt. Im zweiten steht dann ein Praktikum für die Sportabteilung der Hochschule an. "Ich finde den Bereich ›Funding‹ super spannend. Also, wie man für und durch den Sport Geld generieren kann", sagt er. Sein neuer Lebensabschnitt beginnt am 18. August. "Und ich freue mich riesig. An dieser Uni zu studieren, das ist wirklich mein Traum."

Rückkehr ist möglich

Ob er sich vorstellen kann, danach wieder nach Deutschland zurückzukehren, vielleicht. Jedoch nicht sofort. "Die nächsten paar Jahre sehe ich mich auf jeden Fall in den USA", sagt Kübel. Was danach ist, wird man sehen. "Ich kann mir gut vorstellen, irgendwann wieder nach Nagold zurückzukommen. Es ist schließlich meine Heimat." Deshalb war es für ihn auch eine Herzensangelegenheit, in den zurückliegenden Wochen und Monaten beim VfL auszuhelfen. "Das würde ich jederzeit wieder genauso machen", betont er. "Schon alleine wegen den Leuten, die mir hier sehr wichtig sind. Marc Bühler oder Fabian Mücke kenne ich zum Beispiel schon ewig. Es ist schade, dass sie den VfL nach dieser Saison verlassen." So wie ihr Kumpel auch.