Die Kanzel in der evangelischen Melanchton-Kirche ist noch ein Rest der Erstausstattung. Momentan ist sie verwaist. Foto: Schwarzwälder Bote

Seelsorge: Evangelische Gemeinde geht in der Corona-Krise neue Wege / Peter Baake per Video zu sehen

Veränderte Situationen verlangen neue Visionen. In Zeiten der Corona-Krise sind alle gesellschaftlichen Formationen gefordert. Daher fand zum ersten Mal eine "Andacht auf der Kirchentreppe" der evangelischen Melanchton-Kirche statt.

Furtwangen. Im persönlichen Gespräch mit Pfarrer Lutz Bauer und dem Prädikanten Peter Baake wurde rasch deutlich: Es handelt sich um eine seelsorgerische Herzensangelegenheit. Angesichts der Veränderungen fragte man sich, welche Möglichkeiten bleiben. Stück für Stück wurde alles konkreter. Der Kontakt zu den Gemeindegliedern soll aufrecht erhalten bleiben. Dabei werden moderne mediale Mittel eingesetzt. Die juristischen Einschränkungen durch das Versammlungsverbot, dass keine Gottesdienste gefeiert werden dürfen, werden natürlich akzeptiert. Sie können das aktive Gemeindeleben zwar beeinträchtigen, aber nicht lahmlegen. Der christliche Gemeinschaftsgedanke bleibt, sind sich die Verantwortlichen sicher.

Ähnlich der "Speakers Corner" im Londoner Hyde Park soll relativ unkonventionell eine religiöse Feier entstehen, denn Pfarrer Bauer kann sich durchaus vorstellen, dass nicht nur die amtlichen Prediger die Andacht halten, sondern sich auch andere Gemeindeglieder einbringen, um lebendige Gemeinde zu praktizieren.

Natürlich muss ein gewisser Rahmen eingehalten werden, und Peter Baake gelang vergangenen Mittwoch eine gekonnte, liturgisch ansprechende Sinngestaltung mit Abendgebet des 4. Psalms, Vaterunser und dem Lied "Abend ward, bald kommt die Nacht" sowie mit einem umfassenden Fürbittengebet und einer theologischen Betrachtung.

Zugrunde lag die Tageslosung nach Jesaja mit Kommentar nach dem ersten Petrusbrief. Es ging um die Machtfrage, nicht um eine politische, sondern um eine höhere Ebene über den Menschen. Corona solle nicht zum Missionsinstrument der Kirche werden, sondern einladen, auf Vertrauen und Hoffnung zu setzen.

Die Jesajaworte "Soll denn der Töpfer dem Ton gleichgeachtet werden?" sind 2600 Jahre alt, gesprochen zum Gottesvolk in Judäa, dem die assyrische Weltmacht gegenüber stand. Warnungen aus Politik, Wirtschaft und der göttlichen Propheten wurden in den Wind geschlagen. "Assyrer-Partys" wurden gefeiert. Die Jetztzeit lebe in vergleichbarer Situation mit Störungen, Fragen, Ungewissheiten und labiler Kommunikation. Gefordert sei Demut als nach innen gerichtete soziale Kompetenz mit christlicher Ausstrahlung, die auf Glauben, Vertrauen und Hoffnung setze. Pfarrer Lutz Bauer zeichnete die abendliche Feier in einem Videostreifen auf, der unter "ekibreg" im Internet aufgerufen werden kann. Eindringliche Fürbitten sprach Baake für den Frieden in Stadt und Land, auf Gesundheit und Hoffnung, auf Miteinander und Freundschaft, Glauben und Vertrauen. Besonders schloss er Verantwortungsträger und die in Medizin und Pflege tätigen Menschen ein.

Eine weitere, ökumenische Neuerung gibt es mit einem täglichen Abendglockenläuten um 19.30 Uhr, an dem sich die alt-katholische und die evangelische Pfarr- und Kirchengemeinden beteiligen. Gleiches geschieht bei den römisch-katholischen Pfarrgemeinden der Region je nach örtlicher Gepflogenheit.